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Mehrere Wochen vor der Wahl am 2, Dezember tauchten
in Berlin neben den Plakaten der Parteien immer
mehr Stelltafeln auf,
auf denen die Verkehrspolitik des SPD /AL-Senates
kritisiert wurde. Nur bei genauerem
Hinsehen war der Urheber zu lesen: der
"Verein engagierter Verkehrsteilnehmer"
(VEV). Solche Stelltafeln standen u.a. auch
an Ausfahrten des Stadtautobahnringes,
also auf Autobahngelände, auf dem jede
Werbung verboten ist. Doch auch die Aufstellung
der anderen Tafeln war nicht rechtmäßig, denn
die IGEB hatte erfahren, daß
eine nach dem Berliner Straßengesetz erforderliche
Sondernutzungserlaubnis dem
VEV nicht erteilt worden war.
Inzwischen recherchierte auch die Berliner
Presse, und es kam heraus, daß die CDU
dem angeblich unabhänggen VEV Stellflächen
überlassen hatte. Zur Erinnerung: der
VEV ist die Nachfolgeorganisation der 1989
gegründeten Initiative gegen Tempo 100 auf
der AVUS. Doch weil deren Proteste, meist
laut hupend mit Autofahrten durch die
Stadt, immer mehr Bürger nervten und die
Position des Verkehrssenators nur stärkten
und weil dank des Tempo-Limits die Zahl
der Unfallopfer eindrucksvoll sank, wurde
es immer stiller um die Auto-holics - bis zur
Wahl.
Während nun immer mehr Plakate des
VEV im Straßenbild auftauchten, erinnerte
sich die IGEB daran, daß ihr das Tiefbauamt
Charlottenburg 1988 zum S-Bahn-Bürgerbegehren
keine Sondernutzungserlaubnis
für das Aufstellen von Tafeln auf öffentlichem
Straßenland erteilen wollte. Aus
Gründen der Stadtbildpflege sei die Genehmigung
generell auf Stelltafeln der Parteien
im Wahlkampf, auf Werbetafeln für Zirkusgastspiele und
vergleichbare Veranstaltungen sowie
auf Tafeln vor Zeitungsläden beschränkt worden.
Dies schien beim VEV plötzlich nicht mehr
zu gelten. Gar nicht oder nur zögerlich
schritten die für die Straßenaufsicht zuständigen
Bezirksämter ein. Daraufhin beantragte die IGEB,
vertreten durch ihren Vorsitzenden Gerhard J. Curth,
beim Verwaltungsgericht Berlin den Erlaß einer
einstweiligen Anordnung gegen das Land Berlin,
vertreten durch die Bezirksämter Mitte,
Tiergarten, Charlottenburg, Wilmersdorf
und Reinickendorf (in diesen Bezirken hatte
der Antragsteller die Tafeln mit eigenen
Augen gesehen). Wörtlich hieß es: “Ich beantrage,
den Antragsgegner zu verpflichten,
die unberechtigt aufgestellten Werbetafeln
des VEV (Vereins engagerter Verkehrsteilnehmer e.V.) zu entfernen."
Doch vergeblich. In der - wie es amtlich
heißt - Verwaltungsstreitsache der IGEB
gegen das Land Berlin, vertreten durch die
Bezirksämter Mitte, Tiergarten, Charlottenburg,
Wilmersdorf und Reinickendorf, hat
die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts
Berlin am 26. November 1990 beschlossen:
“Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung wird zurückgewiesen. Der Antragsteller
trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird
auf 6.000 DM festgesetzt."
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Ohne Erlaubnis der Berhörden, aber mit Hilfe der CDU plaziert: Wahlplakate des Vereins enagierter Verkehrsteilnehmer (VEV) am Kurfürstendamm. Foto: U. Dittfurth |
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Das Gericht begründete seine Entscheidung
folgendennaßenz “Der Antrag des Antragstellers
[das ist die IGEB], den Antragsgegner [also das Land Berlin,
vertreten durch
die Bezirke] im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, die ohne Sondernutzungserlaubnis
auf öffentlichem Straßenland aufgestellten Stelltafeln des Vereins
engagierter Verkehrsteilnehmer (VEV) zu
entfernen, hat keinen Erfolg. Der Antragsteller
hat einen im Wege einstweiligen
Rechtsschutzes durchsetzbaren Anspruch
nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller
wird durch eine Aufstellung von Stelltafeln
auf öffentlichem Straßenland ohne die hierfür
erforderliche Sondernutzungserlaubnis
nicht in eigenen subjektiven Rechten (§ 42
Abs. 2 VwGO) verletzt. Die Bestimmungen
des Berliner Straßengesetzes über die Erteilung
von Sondernutzungserlaubnissen dienen
grundsätzlich nur der Wahrung öffentlicher
Belange und nicht der Interessen einzelner
Bürger. Ausnahmen kommen allein
dann in Betracht, wenn die Ausübung einer
Sondernutzung in die Rechte von Anliegern
oder sonstiger unmittelbar Betroffener eingreift.
Dies ist hier indes offenkundig nicht
der Fall. Eine Rechtsbetroffenheit des Antragstellers
läßt sich insbesondere nicht daraus herleiten,
daß er in verkehrspolitischen
Fragen andere Auffassungen vertritt als der
VEV.
Unabhängig hiervon kann der Antrag deshalb keinen
Erfolg haben, weil die Entscheidung über ein
ordnungsbehördliches Einschreiten nach § 14 AS G im pflichtgemäßen
Ermessen des Antragsgegners liegt. Der
von einer Gefahr oder Störung in eigenen
Rechten Betroffene kann grundsätzlich nur
die fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens
beanspruchen; ein Anspruch auf Einschreiten
der zuständigen Ordnungsbehörde besteht
nur ausnahmsweise bei schweren Gefahren für
Leib und Lehen und ähnlich gewichtigen Rechtsgütern
oder bei Gefahr eines außergewöhnlich großen Schadens
(vgl. ...). Diese Voraussetzungen sind hier - was
keiner näheren Darlegung bedarf - nicht erfüllt."
Soweit die Begründung, War also alles umsonst?
Sicher nicht. Denn das Gericht hat
dem Standpunkt der IGEB, daß die Aufstellung der
VEV-Tafeln unrechtmäßig sei, weil
keine Sondernutzungserlaubnis vorlag, gar
nicht widersprochen, sondern nur festgestellt,
daß die IGEB die Beseitigung der unrechtmäßig
aufgestellten Tafeln nicht einklagen kann, weil die
IGEB selbst durch die
Aufstellung nicht geschädigt wurde. Die
Stelltafeln konnten also nur stehen, weil die
CDU einem angeblich unabhängigen Verein
Stellflächen eingeräumt hat und dieses
unrechtmäßig erteilte “Gastrecht“ von den
meisten für die Straßenaufsicht zustandändigen
Bezirken geduldet wurde und weil es in dieser
Angelegenheit keine Klagebefugnisse
für Dritte gab. Daß dieser Vorgang öffentlich
gemacht wurde, ist ein verkehrpolitischer
Erfolg, der schwerer wiegt als die
rechtliche Niederlage. IGEB
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