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Ein Berliner Steuerberater möchte mit einem
Geschäftspartner zur Büro- und Technikmesse
CeBIZ nach Hannover. Obwohl
passionierter Autofahrer, hat er keinerlei
Verlangen nach dem “Superstau". Da ist
guter Rat gar nicht so teuer. Schließlich
haben DR und DB mit Zeitungsanzeigen und
Plakaten mehrfach dafür geworben, daß
vom 13. bis 20. März und nochmals - zur
Industriemesse - vom
10. bis 17. April 1991
ein direktes Zugpaar
(D 1348/1349) zwischen Berlin
Stadtbahn und Hannover
Messebahnhof fährt.
Benutzbar ist der Zug
mit den üblichen Tickets, Platzreservierung
ist möglich, aber nicht
vorgeschrieben.
In freudiger Erwartung auf die
Highlights des Schaufensters der Elektronik-Welt
rollen zwei gutgelaunte Herren am
Morgen des 14. März
streßfrei der Messestadt entgegen. Die
MITROPA bietet
Gastlichkeit auf Rädern: Das Frühstück
ist opulent, Fünf-Minuten-Ei und frische
Brötchen, Schinken,
Käse, ordentlicher
Kaffee. Da irritiert
nur kurz der Hinweis
des Reichsbahnschafferns, daß die
Bundesbahn später eventuell noch einen Nachschlag
verlangen würde - “wie letztes Jahr
schon".
Zwar nicht allzu rasch, doch angenehmst ist
inzwischen Braunschweig erreicht. Ab hier
nochmals Billet-Kontrolle. Na gut, verständlich,
denn noch gibt es ja zwei deutsche
Bahnen, und auch die DB soll schließlich
prüfen dürfen, ob dem DR-Schaffner nicht
vielleicht ein Schwarzfahrer entgangen ist.
Außerdem: Könnte nicht auch ein Fahrgast
sich im Zug geirrt haben? Möglicherweise
jemand, der zum Hauptbahnhof möchte
und ausgerechnet den Messzug erwischt
hat, der eben dort nicht hält...
"Die Fahrkarten bitte." - “Aber gern", zumal
die Zugschaffnerin wirklich charmant
ist. “Sie möchten zum Messebahnhof” -
"Ja sicher, dahin fährt dieser Zug doch?"
Da wird die Dame von der Bundesbahn bestimmt:
“Ihr Fahrschein ist nur bis Hannover Hbf gültig.
Zum Messegelände haben
Sie nachzulösen, 2 Mark 80 bitteschön". Im
Abteil kommt Unruhe auf. Alle sind doch
im Besitz einer gültigen Karte, wofür dann
noch der Aufschlag? - Dazu die Erklärung
amtlicherseits: “Zum Messebahnhof besteht
eine Tarifentfernungsdifferenz von acht Kilometern.
Die sind abrechnungstechnisch im
Reichsbahn-Computer nicht erfaßt."
Nun denn, immerhin geht's zur CeBIT, vielleicht
sollten DB und DR auch eine Delegation entsenden,
um sich über die Möglichkeiten heutiger Computertechnik
zu informieren. Aber Argumente vermögen nicht zu
überzeugen, die Tarifbestimmungen sind
unerbittlich, die Zugbegleiterinnen - im
Waggon mittlerweile deren drei - sind's
auch. Da zückt jemand unverhofft seine
Platzkarte - und siehe da, diese ist nach
Hannover Messebahnhof ausgestellt. “Ja
wenn Sie die haben!", da wird die inzwischen
höchstselbst herbeigeeilte Zugführerin kulant,
“damit geht das in Ordnung. -
Sie ohne Platzkartef' Dann 2 Mark 80 bitte."
Wo`s denn wohl diese Platzkarte gegeben
hat? Fragen über Fragen, doch schon kreischen
die Bremsen, das Messegelände ist
erreicht. Auch einige andere Reisende sind
heute um den Zusatz-Obulus herumgekommen, einfach,
weil für weitere Kontrollen
keine Zeit mehr geblieben war. Dem Berliner
Steuerberater fällt plötzlich wieder ein,
daß ja schon der Reichsbahn-Schaffner vorgewarnt
hatte, es könne sein, daß die DB ...
Ein Schweizer. ob der unerwarteten Aufregung noch
geröteten Hauptes, kommentiert:
"Ja, schauen Sie. Da haben Sie ja einen taktischen
Vorteil gehabt. Sie konnten sich auf
die Verhandlungen schon vorbereiten!"
*
Wann endlich wird auf derlei Mätzchen verzichtet.
Die Höhe der amtlich festgestellten
Tarifdifferenz steht in keinem erhältnis
zum Ärger, der vielen Messebesuchern bereitet
wird. Gerade unter ihnen wollen DR
und DB neue Bahnkunden werben, doch
Spezialitäten der geschilderten Art bewirken
gewiß das Gegenteil.
IGEB
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