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Am 2. Oktober 1967 fuhr im Westteil Berlins
die letzte Straßenbahn - eine vom damaligen
SPD-Senat getroffene Entscheidung,
die dem Zeitgeist der 60er Jahre entsprach.
Weitsichtig allerdings war sie nicht.
Verkehrssenator Prof. Dr. Herwig Haase:
"Nachdem sich die Abschaffung der Straßenbahn
unter meinen Vorgängern wie
Otto Theuner (SPD) als schwerer verkehrspolitischer
Fehler erwiesen hat, haben wir
durch die wiedergewonnene Einheit der
Stadt nun die einmalige Chance erhalten,
ein hochmodernes, umweltfreundliches
Straßenbahnnetz aufzubauen. Die Berliner
Verkehrsverwaltung hat die Weichen dazu
in kürzester Zeit gestellt."
Bereits im November 1991 hatte die Verkehrsverwaltung
die Grundsatzplanung zum
Straßenbahnausbau abgeschlossen. Verzögerungen
traten in der Folge lediglich ein,
wenn sich politische Zielstellungen der Koalitionspartner
änderten wie z.B. bei der
Oberbaumbrücke. Unabhängig davon steht
heute fest: Noch bis zum Ende des Jahres
1995 können die ersten Neubaustrecken fertiggestellt
sein. Es handelt sich hierbei um
die Linie 3 von der Bornholmer Straße
Ecke Björnsonstraße über die Bösebrücke
zum U-Bahnhof Seestraße. Die Kosten für
diese Neubaumaßnahme werden bei rund
50 Mio. DM liegen. Weiterhin wird eine
Neubaustrecke vom Prenzlauer Tor über
den Alexanderplatz und die Leipziger Straße
zum Kulturforum gebaut werden. Mit
dieser rund 60 Mio. DM teuren Strecke
werden die Neubaugebiete Hohenschönhausen,
Marzahn und Hellersdorf einen
Straßenbahnanschluß an die Innenstadt erhalten.
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Stummer Protest. Am 2. Oktober fuhren die meisten Straßenbahnen mit dezentem Trauerflor. Foto: Ch. Tschepe |
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In Planung sind weiterhin folgende Streckenführungen:
- Verbindung Spandauer Straße zum Hackeschen Markt,
- Linie Eberswalder Straße, Bernauer Straße
über Invalidenstraße zum Lehrter Stadtbahnhof
mit einem Abzweig zur neuen
Olympiahalle (ehem. Stadion der Weltjugend),
- Anbindung von Weißensee, ausgehend
von Prenzlauer Allee/Ostseestraße über
Ostsee- und Greifswalder Straße,
- Verbindung vom Platz der Vereinten Nationen
über Friedenstraße, Hauptbahnhof,
Köpenicker Straße zur Leipziger Straße,
- Verbindung von Mahlsdorf nach Hellersdorf,
- Linie vom Lehrter Bahnhof über Alt-Moabit,
U-Bf. Turmstraße zum Mierendorffplatz,
- Verknüpfung des Kulturforums mit dem
Bahnhof Zoologischer Garten.
Insgesamt sind nach heutigem Stand 45 km
Streckenneubau geplant. Die dafür aufzuwendenden
Kosten werden rund 600 Mio.
DM betragen. Darüber hinaus ist die Sanierung
und Modernisierung des bestehenden
Streckennetzes mit einer Gesamtlänge von
176 km zwingend notwendig. Die dafür notwendigen
Kosten belaufen sich laut BVG-Schätzung
auf rund 840 Mio. DM Für die
Modernisierung der bestehenden Betriebshöfe
werden weitere 130 Mio. DM veranschlagt.
Um einen dem kommenden Jahrhundert
angemessenen Straßenbahnbetrieb gewährleisten
zu können, sind darüber hinaus zahlreiche
Modernisierungs- und Ersatzmaßnahmen
beim Fahrzeugpark unabdingbar.
120 veraltete Triebwagen sowie 157 Beiwagen
der Baujahre 1900 bis 1969 werden bis
1995 aus dem Betrieb genommen. Von den
670 Tatra-Wagen sollen 450 (Lebensalter
unter 10 Jahren) modernisiert werden; die
Kosten laut BVG-Schätzung 245 Mio. DM.
Noch in diesem Jahr werden 20 neue Niederflurwagen
in Auftrag gegeben. Sie kosten
pro Stück rund 3,5 Mio. DM und haben
eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren.
Insgesamt werden der Ausbau und die Modernisierung
des Berliner Straßenbahnnetzes
rund 3 Milliarden DM kosten. Notwendige
Straßenbaumaßnahmen sind hierbei
nicht berücksichtigt. Verkehrssenator Haase:
"Aus Sicht der Berliner Verkehrsverwaltung
kann das gegenwärtig geplante Gesamtprogramm
bis zum Olympiajahr 2000
verwirklicht sein. Voraussetzung dafür ist
es, daß das Abgeordnetenhaus ab 1993 jährlich
rund 600 Mio. DM für die Straßenbahn
bereitstellt." (LPD, 1.10.1992)
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(IGEB) Positiv an diesem Beitrag ist, daß er
zeigt, daß die Aktivitäten und die Berichterstattung
zum 2. Oktober den Verkehrssenator
so in die Defensive gedrängt hatten, daß er
diese "Richtigstellung" zu seiner Straßenbahnpolitik
abgeben mußte. Und weil er wieder
nur Worte statt Taten vorzuweisen hatte,
wurde Senator Haase konkret und nannte
viele Zahlen. Das sollte den Eindruck erwecken,
daß er ein konkretes, abgestimmtes Konzept
hat (was nicht der Fall ist), und es sollte
die Berücksichtigung seiner Worte in den Medien
sichern. Dies gelang nur mäßig, obwohl
Journalisten an Kostenschätzungen stets sehr
interessiert sind. Doch die Ankündigen dieses
Senators werden von vielen nicht mehr ernst
genommen - zu recht. Denn die Forderung
nach zusätzlichen Investitionsmitteln von 600
Mio DM ist geradezu verrückt. Das weiß
Haase natürlich auch. Aber weil er die Straßenbahn
ja entgegen allen Bekundungen
nicht erhalten oder gar ausbauen will, muß er
davon ablenken, daß die einzig seriöse Finanzierung
der Tram im Umschichten von
Geldern aus dem S-Bahn-, U-Bahn- und
Straßenbau besteht. Haase könnte z.B. alle
GVFG-Mittel in den ÖPNV stecken - wenn er
wollte. Und niemand zwingt den Senat, eine
Milliarde DM für eine U5-Verlängerung vom
Alex zum Lehrter Bahnhof zu vergraben.
Geradezu peinlich ist der Versuch von Senator
Haase, sich als Straßenbahnsenator gegenüber
dem Koalitionspartner SPD zu profilieren.
Zwar hat sich die SPD in der Tat nicht
viele Verdienste um die Tram erworben, dennoch
hat der SPD-Abgeordnete Torsten Hilse
vollkommen recht, wenn er Haases Presseerklärung als
"Harlekinade" kritisiert. Er, Hilse,
sei froh, daß die straßenbahnfeindlichen Pläne
von Haase z.B. an der Oberbaumbrücke
blockiert worden seien. Dadurch eintretende
Verzögerungen dienten der Straßenbahn und
seien nicht gegen sie gerichtet. Als "ärgerlich
und nicht hinnehmbar" bezeichnete es der
SPD-Abgeordnete, daß der Senator seinen
Widerstand gegen die Tram auf der Oberbaumbrücke
offensichtlich immer noch nicht
aufgegeben habe, denn in den angeführten
Streckenplanungen fehle diese Trasse.
Es gäbe noch sehr viel mehr zu kritisieren.
Doch es lohnt nicht. Denn dieses politische
Positionspapier ist kein Verkehrskonzept, und
es ersetzt kein Verkehrskonzept. Man kann es
auch so diplomatisch ausdrücken wie Hans-Jürgen
Schmidt vom Bundesverkehrsministerium
am 8. September auf den Schienenverkehrs-Wochen: "Ich
kann das Tramkonzept
des Senats nicht beurteilen, da mir bis heute
kein offizielles Senatskonzept vorliegt" Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe
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