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Auch ohne die Gutachten über die Luft- und
Lärmbelastung in den Straßen kennen
und registrieren wir tagtäglich die "Qualität"
der Berliner Luft. Der Lärm verfolgt
uns bis in Schlafzimmer, quält uns, raubt
uns den letzten Nerv und bringt uns um den
dringend benötigten Schlaf. Längst haben
wir uns an die Autoschlangen, die Staus, die
Verkehrs- und Sichtbehinderungen durch
Autos, die Unfälle, die tausenden Verkehrstoten
und -verletzten "gewöhnt". Daß wir
zur Bus-, U- und S-Bahn-Haltestelle länger
und weiter zu Fuß gehen müssen als Autobesitzer
zu ihren abgestellten Autos, wird
uns kaum mehr bewußt.
Wir sprechen von der "mobilen Gesellschaft"
und merken gar nicht, daß auf den
Straßen alles steht! Das Verkehrschaos muß
nicht erst herbeibeschworen werden; es ist
längst Realität. Dabei haben vergangene
Bundes- und Landesregierungen mit ihren
Verwaltungen alles für diesen Kollaps getan!
Selbst in dieser Zeit leiden sie unter
Realitätsverlust, wie repräsentative Umfragen
zeigen: sie leben hinter der Zeit her
ohne zu merken, welche Erfordernisse und
Entscheidungen die heutigen Verkehrsverhältnisse
und 85% der Bevölkerung verlangen.
Mit längst untauglichen und inzwischen
immer aufwendigeren Mitteln versuchen
sie, den Verkehr noch am Fließen zu halten,
ihn wieder zum Fließen zu bringen und den
Stau endlich "aufzulösen".
Spätestens die Maueröffnung hat uns gelehrt,
daß es die Menge der Autos selbst ist,
die den Verkehr auf den Straßen incl. der
Busse zum Erliegen bringt. Die Zulassungszahlen
der Pkw's steigen ins Unermeßliche,
die Lkw-Dichte nimmt nicht zuletzt wegen
der Grenzöffnungen innerhalb der EG dramatisch
zu. Die Durchschnittsgeschwindigkeit
des Autoverkehrs in Berlin ist seit 1981
von 28 auf 18 km/h gesunken. Die neuen
Ost-West-Verkehre haben die gefahrenen
Kilometerleistungen unverhältnismäßig in
die Höhe getrieben. Folglich sind Busse und
Bahnen im Berufsverkehr voll. Welchen
Autofahrer, welche Autofahrerin können
wir da noch überreden, auf die öffentlichen
Verkehrsmittel umzusteigen?
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Foto: B. Strowitzki |
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Auf der Trasse der ehemaligen 55 vom Bf. Zoo zum Rathaus Charlottenburg. 25 Jahre nach der letzten Straßenbahnfahrt in West-Berlin demonstrierten die Initiativen der AG Straßenbahn für die Zukunft dieses umweltfreundlichen Verkehrsmittels. Foto: B. Strowitzki |
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Verkehrsgutachter haben festgestellt, daß in
Berlin-Mitte der "modal split" (die Verkehrsaufteilung
auf die unterschiedlichen
Verkehrsmittel) von 60:40 (60% motorisierter
Individualverkehr zu 40% öffentlichem
Verkehr) auf 20% MIV : 80% ÖPNV umgedreht
werden muß, wenn sich überhaupt
noch ein Rad drehen soll! Die Verwaltung
des Verkehrssenators betreibt Zahlenakrobatik,
wenn sie dieses geforderte Aufteilungsverhältnis
nur auf den Zuwachs des
Verkehrs bezieht. Dies soll davon ablenken,
daß längst Entscheidungen von anderen
Größenordnungen nötig sind, um die Mobilität
zu retten. Allerdings sind diese durch
die Gewichtsetzung der Verkehrsverwaltung
nicht in Sichtweite. Stattdessen bleibt sie
auf den sei den 60er Jahren eingeschlagenen
Fahrspuren, die in die "autogerechte
Stadt" führen sollten. Sie nehmen weder die
negativen Ergebnisse konsequenter Durchführung
dieser Ideologie (wie z.B. die Stadtzerstörung
in Los Angeles) noch die moderne
Verkehrswissenschaft zur Kenntnis.
Neue (alte) Autobahnplanungen, ein "Innenstadtring",
weitere "Tangenten" wie
auch Verbindungsstraßen und Straßenverbreiterungen
statt -rückbau werden von dieser
Verwaltung weiterhin verfolgt. In 31
Tempo-30-Straßen soll wieder Tempo 50
gefahren werden. Parkplätze und -häuser
sollen reichlich gebaut werden. Der Tiergartentunnel
soll dem Nord-Süd-Verkehr ein
flüssiges Autofahren ermöglichen und zugleich
unendlich viele Gelder binden, die
dem öffentlichen Verkehr vorenthalten werden.
Busspuren werden eingeschränkt statt
zeitlich erweitert und verlängert zu werden.
Dahinter steckt Methode! Wann wird diesen
Verkehrsplanern in der Senatsverwaltung
der Zeichenstift endlich aus der Hand
genommen? Wann werden sie an diesen unzeitgemäßen
Tätigkeiten endlich gehindert
und durch neue Fachleute mit neuen Aufgaben
ersetzt?
Niemand muß sich als ausgesprochener
Umweltschützer bezeichnen, um die Umkehr
in der Verkehrspolitik zu fordern. Jeder
sollte nur die Augen aufmachen, die
Schuldigen beim Namen nennen und im privaten
Kreis wie auch in öffentlichen Versammlungen
laut genug auf die öffentüchen
Mißstände hinweisen. Alle haben darunter
zu leiden, insbesondere die "schwachen"
Verkehrsteilnehmer wie Kinder, ältere Bürger,
Geh- und Sehbehinderte.
Die moderne Straßenbahn ist das einzige
Verkehrsmittel, das diese verfahrene Situation
retten kann. Nur sie kann schnell und
billig gebaut werden und wird als einzige
Umsteigealternative auch von Autofahrern
akzeptiert. Sie hat nicht die Nachteile der
U- und S-Bahn (Treppensteigen, Tunnel- und
Brückenkonstruktionen, Kellerfahrten,
teure Signaltechnik und Beleuchtung), sondern
ist überall sichtbar (Gleise, Fahrdraht,
Fahrzeuge) und kann in extrem kurzen
Fahrtakten fahren. Durch Verlängern der
Züge können Beförderungskapazitäten vergleichbar
mit der U-Bahn erreicht werden.
Abgase und Lärm sind gering und machen
Straßenbahnen schon aus diesem Grund
zum Gebot der Stunde. Kurze Bauzeiten
und geringe Bau-, Anschaffungs- und Unterhaltungskosten
lassen eine schnelle Verwirklichung
eines Netzes auch im Westteil
der Stadt zu.
Bereits vor einem Jahr, am 15. August 1991,
haben sechs Verkehrs- und Umweltinitiativen
als AG Straßenbahn das Konzept
"Tra(u)mstadt Berlin" veröffentlicht,
ein erstes Netz für den Westteil mit Netzerweiterungen
auch für bestehende Straßenbahnstrecken
im Ostteil. In drei Stufen werden
darin 80 km Neubaustrecken bis zum
Jahr 2000 vorgeschlagen. Die BVG hat in
ihrem Tramkonzept viele entsprechende
Vorschläge gemacht, sogar bei den von der
Verkehrs- und der Bauverwaltung abgelehnten
Strecken über die Oberbaumbrücke
und durch die Friedrichstraße. Doch das
seit eineinhalb Jahren versprochene Straßenbahnkonzept
der Verkehrsverwaltung
läßt weiter auf sich warten. Nach internen
Informationen ist es immer weiter abgespeckt
worden. Zudem sind der BVG in ihrem
Haushalt 150 Mio. DM gestrichen worden;
die Linienstillegungen im Ostteil Berlins
gehen weiter. Die notwendigen Planfeststellungsverfahren
sind immer noch
nicht in Gang gesetzt - bezeichnenderweise
mit der Begründung, es fehle ein Gesamtkonzept.
Dieses ist immer noch nicht in
Sicht, da nur 2 (!) Mitarbeiter der Verkehrsverwaltung
(durch Anweisung "von oben"
hermetisch abgeschottet) daran arbeiten.
Die Anschaffung von neuen Fahrzeugen
wird auf die lange Bank geschoben, während
alte Fahrzeuge kontinuierlich aus dem
Verkehr gezogen werden.
Es ist höchste Zeit für die Verwirklichung
der von der AG Straßenbahn und der BVG
vorgeschlagenen Straßenbahnpläne, denn
der Verkehrsstau wird täglich länger. Zusätzlich
müssen durch drastische Verteuerung
von Benzin, Parken und Fahrzeugentsorgung
die Verursacherkosten auf die Autofahrer
umgelegt werden, es bedarf der
Geschwindigkeitsbeschränkung von Tempo
30 für die gesamte Stadt, Parkplätze und
Straßen müssen zügig zurückgebaut werden.
Busse und Straßenbahnen müssen endlich
durch Vorrang- und Pförtnerschaltungen
Vorfahrt erhalten. Autofahrer müssen mit
einer Nahverkehrsabgabe die öffentlichen
Verkehrsmittel direkt unterstützen.
Am Beispiel der Oberbaumbrücken-Entscheidung
haben wir sehen können, was
Druck auf Behörden und Parlamentarier
bewirken kann. Die bestehenden Initiativen
für die Förderung der Straßenbahn können
Unterstützung gut gebrauchen. Also, frisch
ans Werk, denn ohne starke Arme stehen
alle Räder still! Bürgerinitiative Westtangente
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