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Eigentlich sollte die Straßenbahnlinie 84 zum
Jahresbeginn nicht nur in Altglienicke, sondern
auch zwischen Altstadt Köpenick und S-Bf. Adlershof
stillgelegt werden (siehe SIGNAL 9-10/92 ). Doch es kam
anders, dank des Engagements
vieler betroffener Fahrgäste, einiger vernünftiger
Verwaltungsmitarbeiter, couragierter Straßenbahnfahrer
(siehe Brief Seite 6) und nicht zuletzt
dank des Berliner Fahrgastverbandes IGEB. Kurz
vor Weihnachten wies die Senatsverkehrsverwaltung
die BVG an, durch den Einsatz der vorhandenen
Zweirichtungsfahrzeuge den Betrieb bis
zum S-Bf. Adlershof aufrecht zu erhalten. Stillgelegt
wurde zum Jahreswechsel somit nur der
Abschnitt zwischen S-Bf. Adlershof und Altglienicke.
Am Falkenberg, der über die jetzt nur noch
Pkws tragende Teltowkanalbrücke führte.
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Es war einmal: Eine der letzten Fahrten der 84 durch Altglienicke, bevor dieser Abschnitt Ende 1992 für immer stillgelegt wurde. Foto: Matthias Horth |
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Januar 1993, die 84 hat die hart erkämpfte Endstelle S-Bahnhof Adlershof erreicht. Foto: Frank Brunner |
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Alt-Köpenick. Schloßplatz vor dem Eintreffen der Tram 84 fährt der Bus 160 zum S-Bf Adlershof. Nur ein Zufall? Foto: Frank Brunner |
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Wie kam es nun dazu, daß sich Verkehrssenator
Herwig Haase plötzlich als Weihnachtsmann betätigte
und pro Tram entschied? Während er sich
bei der Frage der Einstellung des Altglienicker
Astes hinter der Entscheidung der Senatsbauverwaltung
über die nicht mehr gegebene Tragfähigkeit
der Teltowkanalbrücke verschanzen konnte,
galt dies für den übrigen Abschnitt nicht, da der
interessierten Öffentlichkeit klar geworden war.
daß wegen des unabweisbar möglichen Einsatzes
von Zweirichtungswagen der Betrieb bis zum S-Bf.
Adlershof auf jeden Fall möglich war. Und
damit drohten natürlich auch weitere Gefahren für
das ohnehin geschmälerte Ansehen des Senators,
denn während seine fortgesetzte Politik der schleichenden
Tram-Demontage von der breiten Öffentlichkeit
weitgehend unbemerkt stattfinden
kann, wäre er hier leicht wieder in die politische
Schußlinie geraten, die das vorzeitige Ende seiner
politischen Karriere hätte beschleunigen können.
Insofern waren es wohl leider nur taktische
Gründe und kein grundlegendes Umdenken, die
Senator Haase dazu veranlaßten, den vielen Stimmen
und Argumenten zugunsten der Tram ausnahmsweise
einmal Rechnung zu tragen.
Die BVG, deren Führungsetage bei Fragen zum
zukünftigen Betrieb des Pankower und des Köpenicker
Straßenbahnnetzes ohnehin desinteressiert
bis ablehnend eingestellt zu sein scheint, hatte
zuvor den Einsatz von Zweirichtungsfahrzeugen
verweigert. Dieser sei wegen der erforderlichen
Rangierarbeiten zu personalaufwendig, und vor
allem sei damit der Erhalt der Altbaufahrzeuge
notwendig, woraus enorme zusätzliche Kosten
resultieren würden. Und hier kann man der BVG
natürlich auch nicht widersprechen: Die Finanzsituation
der BVG ist wegen der radikalen Zuschußkürzungen
des Senats mehr als prekär, und
die Personalsituation
im Straßenbahnbereich
ist wegen des Stellenstops
im letzten Jahr so
angespannt, daß trotz
Fahrplaneinschränkungen
weiterhin planmäßige
Züge ausfallen.
Zur Begrenzung der
zusätzlichen Kosten bei
Personal und Fahrzeugen,
die der BVG durch
den Einsatz der Zweirichtungsfahrzeuge
und vor allem zukünftig
entstehen, falls bei
den maroden Zweirichtungswagen
noch eine Hauptuntersuchung erforderlich
wird, müssen die Verantwortlichen bei der
BVG und der Senatsverkehrsverwaltung gemeinsam
dafür sorgen, daß die notwendige Gleisschleife
am S-Bf. Adlershof oder in dessen Nähe nun
endlich gebaut wird. Der Wert und die Glaubwürdigkeit
der Entscheidung zur Weiterfuhrung des
Betriebes auf der 84 wird daran zu messen sein. IGEB
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