Auch der Fahrplanwechsel 1993 brachte
für viele Fahrgäste der BVG einschneidende
Veränderungen. Wichtigste Neuerung war
die völlige Umstrukturierung
des Tram-Netzes, die - von kleinen
Ausnahmen abgesehen
- insgesamt als deutliche Verbesserung
bewertet werden kann. Das gilt auch
für das im Ostteil Berlins grundlegend
veränderte Nachtliniennetz. Demgegenüber
sind die Veränderungen im Tagesverkehr
der BVG geprägt
durch erneute Ausdünnungen beim Bus, vor
allem im Fahrplan, aber auch
im Liniennetz.
Die vielen Änderungen stellten an die BVG besondere
Anforderungen hinsichtlich der Fahrgastinformation,
die diesmal als umfangreich und
insgesamt auch als gelungen bezeichnet werden
kann. Das gilt insbesondere für das Heft "Berlin
im Takt" mit seinen herausnehmbaren 12 Stadtteilkarten
und den sonstigen Hinweisen. Es kann
das (immerhin dünner gewordene) Kursbuch zwar
nicht ersetzen, aber durch Grundinformationen
über das veränderte Netz und die Taktfolgcn stellt
es eine handliche und kostenlose (!) Alternative
zum Kursbuch dar. Positiv, wenn auch graphisch
noch nicht perfekt, sind die neu entwickelte
"Tramnetz-Spinne" und der überarbeitete Nachtlinienplan.
U-Bahn: die alten Ärgernisse
Im U-Bahn-Fahrplan hat sich, wie in den letzten
drei Jahrzehnten üblich, kaum etwas verändert.
Für die BVG endet z.B. der morgendliche Berufsverkehr
weiterhin um 8.00 Uhr. denn dann wird
auf den Linien U l, U5, U6 und U9 jeder dritte
Zug aufs Abstellgleis rangiert - sollen die Fahrgäste
doch sehen wie sie in die überfüllten Züge
reinkommen. Auch der lange Einkaufs-Donnerstag
ist bei den Fahrplanstrategen der U-Bahn noch
nicht angekommen: Allwöchentlich überquellende
Züge im 10-Minuten-Takt. Nur die Betriebszeiten
sind am Freitagabend entsprechend der
größeren Nachfrage um eine eine halbe Stunde
(wie am Sonnabend) verlängert worden. Leider
ist damit noch immer keine Vertaktung im Spätverkehr
erfolgt, und die Darstellung im Kursbuch-Fahrplan
ist selbst für geneigte Leser nicht mehr
überschaubar.
Alles neu bei der Tram
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Eine sinnvolle Ergänzung gab es im Tramnetz durch die Einbeziehung der bisherigen Betriebsstrecke über Scheffel- und Eldenaer Straße in den Linienbetrieb. Foto: I. Schmidt |
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Die Neustrukturierung des Tram-Netzes kann
insgesamt als positiv bewertet werden. Bemerkenswert
sind zwei Änderungen im befahrenen
Netz: So wird die bisherige Betriebsstrecke
Scheffelstraße - Eldenaer Straße jetzt von der neuen
Linie 22 befahren. Dagegen wird der bisher von
der Linie 82 befahrene ca. 400 m lange Abschnitt
in der Hauptstraße am Ostkreuz nicht mehr bedient.
Diese Stillegung ist zwar ärgerlich, aber
weil die Züge in der Hauptstraße praktisch ganztägig
im Stau standen, machte die Benutzung dieser
Linie für den Fahrgast ohnehin keinen Sinn
mehr. Mit einer solch fatalen Strategie könnte die
Tram natürlich bald noch an vielen anderen Stellen
der Stadt eingestellt werden. Wie die IGEB
bei Umfragen festgestellt hat. meiden schon heute
viele (ehemalige) Fahrgäste die Tram in der
Brückenstraße und laufen z.T. über einen Kilometer
zum S-Bf. Schöneweide - bis sie eines
Tages aufs Auto umsteigen ...
Nur vier Linien im 10-Minuten-Takt
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Mit fadescheinigen Geht-nicht-Argumenten wurde immer wieder die IGEB-Forderung nach Einrichtung einer günstigeren Ankunfts-Haltestelle am Hackeschen Markt verhindert. Seit dem Fahrplanwechsel geht es nun doch, und zehntausende von umsteigenden Fahrgästen zur S-Bahn profitieren von dem zwar nicht optimalen, aber immerhin deutlich kürzeren Umsteigeweg zur S-Bahn. Foto: I. Schmidt |
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Das Fahrplanangebot im neuen Tram-Netz macht
deutlich, daß nicht alle der vollmundigen Versprechungen
im Zusammenhang mit der Neustrukturierung
eingelöst wurden. So fahren von den nunmehr
26 Tramlinien weiterhin zwei nur tagsüber
(davon eine auch nicht am Wochenende), und
weitere drei Linien verkehren abends und zu unterschiedlichen
Zeiten am Wochenende nur auf
einer verkürzten Linienführung. Wesentlich ist
natürlich auch, daß sich der ganztägige 10-Minuten-Takt
nicht auf die einzelnen Linien, sondern
auf die Strecken bezieht. Ein tagsüber durchgehender
10-Minuten-Takt ist auf lediglich 4 Linien
realisiert!
Auf vielen Linien werden nur einzelne Streckenabschnitte
ganztägig im 10-Minuten-Takt bedient.
So endet z.B. auf der Linie 26 jeder zweite Zug
bereits in der Kleingartenkolonie an der Gehrenseestraße,
während in das Hauptzielgebiet der
Fahrgäste, die Großsiedlung Hohenschönhausen.
nur ein 20-Minuten-Takt angeboten wird. Diese
Mängel resultieren jedoch im wesentlichen aus
der falschen verkehrspolitischen Vorgabe, das in
den letzten beiden Jahren drastisch ausgedünnte
Verkehrsangebot bei der Tram nun auf niedrigstem
Niveau festzuschreiben und stellen nicht die
verbesserte Grundstruktur des Liniennetzes in
Frage.
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Weil die Linie 82 in endlosen Autostaus in der Hauptstraße am S-Bf. Ostkreuz hängen blieb, wurde die Strecke kurzerhand eingestellt. Nur ein Einzelfall? Leider nicht, erinnert sei an die Einstellung des Busverkehrs durch die verstopfte Leonhardstraße in Charlottenburg. Auch damals wurde behauptet, daß es ein Einzelfall bleiben werde. Foto: I. Schmidt |
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IGEB-Vorschlag: Tramlinie 11
An einem Punkt jedoch ist das neue Liniennetz
dringend überarbeitungsbedürftig: Durch den
Wegfall der durchgehenden Verbindung aus der
Prenzlauer Allee in die Langhansstraße und weiter
nach Weißensee (bisherige Linie 20) haben
sehr viele Fahrgäste gravierende Nachteile, zumal
die Umsteigesituation an der Weißenseer Spitze
katastrophal ist. So ist z.B. aus dem Bereich Langhansstraße
auch der nächstgelegene S-Bahnhof
nicht mehr umsteigefrei zu erreichen. Die IGEB
schlägt daher vor, die ganztägig bis Am Steinberg
verkehrenden Verstärkerzüge der Linie 1 über
Langhansstraße nach Weißensee als Ergänzungslinie
11 zur Hansastraße weiterzuführen. Denkbar
wäre aber auch eine Weiterführung im Zuge
der Linie 23 bis Scharnweberstraße, wodurch die
als Relikt übernommene und überflüssige Linie
17 (deren einzige Funktion offenbar die Verhinderung
eines ganztägigen 10-Min-Taktes auf der
so wichtigen Linie 7 ist) ersetzt werden könnte.
Ärgerlich sind darüber hinaus auch eine Reihe von
fahrplantechnischen Mängeln. So fährt z.B. im
Zuge der alten, früher durchgehenden Linie 17 die
am S-Bf. Schöneweide einsetzende Linie 21 immer
gerade kurz vor der aus Johannisthal kommenden
Linie 67 ab. Häufig wäre ein Umsteigen
am S-Bf. Schöneweide dennoch möglich, weil
beide Züge (wenn auch in der falschen Reihenfolge)
hintereinander an der Haltestelle ankommen.
Aber ein schlauer Kopf bei der BVG kam
auf die geniale Idee, die bisherige Doppelhaltestelle
aufzuheben und somit jeden Umsteigeanschluß
zu verhindern. Nicht nachvollziehbar ist
auch der ausgerechnet auf der Linie 60 angebotene
12-Minuten-Takt, der weder die notwendigen
Anschlüsse zur S-Bahn in Spindlersfeld noch
zu irgendeiner anderen Tram- oder Buslinie gewährleistet.
Nachts keine Mauer mehr
Völlig neu gestaltet wurde das Nachtliniennetz für
den Ostteil Berlins. Damit verbunden sind die
Reduzierung auf nur noch vier Nacht-Tramlinien
und die Einführung einer Vielzahl von Taxilinien
in den Außenbezirken, die häufig einen kostenlosen
Haustür-Service ermöglichen. Insgesamt
kann die Umstrukturierung mit dem neuen
Umsteigeknoten am Hackeschen Markt als gelungen
bezeichnet werden. Besonders hervorzuheben
ist, daß der Verlauf der Berliner Mauer im Nachtliniennetz
kaum noch festzustellen ist. Als "Abfallprodukt"
gibt es kleine, aber wichtige Verbesserungen im
Westteil, z.B. durch den neuen N84
oder die Umsetzung der IGEB-Forderung nach
Verlängerung der Buslinie N19 nach Britz.
Neuerungen im Busnetz
Etliche Linienänderungen gab es beim Bus auch
im Tagesnetz. Hier erfolgten eine Reihe von seit
Jahren längst überfälligen Linienanpassungen im
Westteil wie auch einige wesentliche Verbesserungen
im "Ost-West-Verkehr", die hier nur auszugsweise
erwähnt werden sollen.
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Acht Jahre nach der Wiederinbetriebnahme der Wannseebahn haben nun endlich auch die Anwohner entlang der Buslinie 383 eine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn-Linie 1. Der 383er verkehrt jetzt über Rathaus Steglitz statt Tiburtius-Brücke. Foto: Matthias Horth |
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Acht Jahre nach Wiederinbetriebnahme der
Wannseebahn hat es die BVG nun geschafft, die
Buslinie 383 über Rathaus Steglitz zu führen und
so eine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn zu
schaffen! Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß
derartige Selbstverständlichkeiten auch an anderen
Stellen (z.B. Buslinie 124 an den S-Bf. Wittenau-Nordbahn)
noch vor Ablauf dieses Jahrtausends
möglich sind.
Durchweg positiv zu werten sind weitere kleinräumige
Neuordnungen. z.B. der Tausch der nördlichen
Linienäste der Buslinien 110 und 204,
woraus eine sinnvolle Anbindung an die U7 resultiert.
Mehr als ein Schönheitsfehler ist allerdings
die drastische Verschlechterung für Umsteiger
vom Bus 110 zum S-Bf. Charlottenburg. Hier
müssen schnellstens Haltestellen in der Kaiser-Friedrich-Straße
unmittelbar nördlich der Bahntrasse
geschaffen werden. Von den Veränderungen
in Moabit werden die Mehrzahl der Fahrgäste
profitieren, aber insbesondere durch den Fortfall
des 106ers in der Relation Stadtbahn - Perleberger
Straße entstehen einigen auch deutliche
Nachteile.
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Statt eines Fahrplanaushangs die Aufforderung zur Beschwerde. Die Einstellung der Buslinie 106, eine im Grundsatz richtige Entscheidung, führte im Bereich Perleberger/Wilsnacker Straße zu Protesten, unter anderem, weil diese dicht besiedelte Gegend nunmehr keinen Zubringer zur Stadtbahn hat. Foto: Frank Böhnke |
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Aus der Fertigstellung der Bauarbeiten an der
Schillingbrücke resultieren eine Reihe von Linienveränderungen
im Raum Kreuzberg. Mitte und
Friedriehshain mit sinnvollen kleinräumigen Verknüpfungen
und einer deutlich verbesserten Anbindung
des Hauptbahnhofes nach Kreuzberg.
Etliche Linienveränderungen im Ostteil sind jedoch
reine Einsparmaßnahmcn mit mehr oder
weniger gravierenden Netzauswirkungen, aber
immer mit Takterweiterungen auf den betroffenen
Streckenabschnitten als Resultat für den Fahrgast.
Beipielhaft seien nur die Strecken Verkürzungen
der Buslinie 199 im Raum Springpfuhl/Hellersdorf
oder der Wegfall der Buslinie 240 zwischen
Robert-Koch-Platz und Mollknoten genannt.
Taktausdünnungen auf über 40 Buslinien
Neben diesen Linienänderungen gab es aber mit
dem Fahrplanwechsel noch viel bedeutsamere
Verschlechterungen durch erhebliche Taktausdünnungen,
vor allem im Westteil. Die jetzt erfolgte
einheitliche Umstellung der Busfahrpläne
auf einen 10-oder 20-Minuten-Grundtakt bringt
zwar auf einigen wenigen Linien Verbesserungen
durch Taktverdichtung, aber auf über 40 Buslinien
eine deutliche Angebotsverschlechterung. Viele
Linien, die bisher z.B. tagsüber noch alle 15
Minuten verkehrten, fahren jetzt nur noch im 20-Minuten-Takt.
Da viele Fahrpläne durch die immer
gravierender werdenden Staus ohnehin nur
noch Makulatur sind, entstehen für die Fahrgäste
häufig unkalkulierbare "Lücken" von bis zu einer
halben Stunde.
Damit wurde zum fünften Mal seit Anfang 1992
das Angebot bei den BVG-Buslinien drastisch
reduziert. So ist z.B. der im März 1992 auf den
Ost-Berliner Buslinien eingeführte sogenannte
"Notfahrplan" inzwischen stillschweigend zum
"Normal fahrplan" geworden. Seit Amtsantritt von
Verkehrssenator Haase sind bei 90% der BVG-Buslinien
Angebotseinschränkungen vorgenommen
worden! Aufgrund seiner Verkehrspolitik ist
die BVG gezwungen, immer mehr Busse in die
immer länger werdenden Staus zu schicken. Viele
Busse fahren selbst außerhalb des Berufsverkehrs
oft nur noch im Schrittempo durch die Straßen.
Busse weiterhin im Schrittempo
Weil die Senatsverkehrsverwaltung z.B. weiterhin
die Einrichtung von Busspuren in der Potsdamer
und Leipziger Straße sabotiert und die
polizeiliche Überwachung der vorhandenen, auf
den Berufsverkehr befristeten Busspuren aufgegeben
wurde, mußte zum Fahrplanwechsel die
Fahrzeit aller hier verkehrenden Buslinien erneut
verlängert werden. So beträgt die jetzt im Fahrplan
zugrunde gelegte Fahrzeit der Buslinie 348
für die ca. 2 km lange Strecke zwischen U-Bf.
Kurfürstenstraße und U-Bf. Mohrenstraße 17
Minuten. Dies entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit
von ca. 7 km/h!
Durch diese katastrophale Verkehrssituation und
den gleichzeitgen Sparzwang blieb der BVG
nichts anderes übrig, als die Takte der hier verkehrenden
Linien deutlich zu strecken. Erreichte
die Potsdamer Straße bisher selbst außerhalb des
Berufsverkehrs knapp den von der Senatsverkehrsverwaltung
als Limit für die Einführung einer
Busspur gesetzten Wert von 15 Bussen je
Stunde, so fahren durch Linienstreichungen und
Taktausdünnungen jetzt nur noch 9 Busse - und
schon verweigert die Verkehrsverwaltung auch
hier die dringend erforderlichen Busspuren.
Der bekannte Teufelskreis
Vor diesem Hintergrund fordert die IGEB, den
bisherigen 15-Min-Takt nicht durch einen 20-,
sondern durch einen 10-Minuten-Takt zu ersetzen
und sofort das vor einem Jahr vom Senat beschlossene
Beschleunigungskonzept und die zwischen den beiden
Regierungsparteien im Dezember
1992 geschlossene Koalitionsvereinbarung
(die sogar eine Beschleunigung auf 270 km Busnetz
noch im Jahr 1993 vorsieht) umzusetzen.
Sollten auch diese Ankündigungen wiederum tatenlos
verhallen, werden die kommenden Fahrplanwechsel
wohl noch gravierendere Angebotsverschlechterungen
bringen, die zusammen mit
den angekündigten Tariferhöhungen den altbekannten
Teufelskreis von schlechterem Angebot
und immer weniger Fahrgästen weiter beschleunigen. IGEB
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