Nahverkehr

Eine Umfrage unter Tram-Fahrgästen

Den Fahrplanwechsel am 23. Mai nahmen Mitglieder von GREENPEACE, IGEB und VCD zum Anlaß, um an den beiden folgenden Tagen im nachmittäglichen Berufsverkehr Fahrgäste am Hackeschen Markt und am Bahnhof Schöneweide über die aktuellen Änderungen im ÖPNV-Liniensystem zu informieren. Hunderte von Fahrgästen nutzten die Gelegenheit zu kurzen Gesprächen, beispielsweise über die neuen Tram-Liniennummern. Dank des persönlichen Einsatzes eines BVG-Mitarbeiters im Kundenzentrum klappte am Dienstag auch die Direkt-Anlieferung des BVG-Informationsheftes "Berlin im Takt". Es kam bei der überwiegenden Mehrheit der Fahrgäste sehr gut an, war aber vielen Straßenbahnbenutzern noch nicht bekannt.

Die Umwelt- und Fahrgastorganisationen nutzten darüber hinaus die Gelegenheit herauszufinden, wie die Tram bei den Fahrgästen ankommt. Dazu wurden je hundert Umsteiger zur Straßenbahn am Hackeschen Markt und am Bf. Schöneweide zunächst mit der Frage konfrontiert: "Was finden Sie an der Straßenbahn gut, was finden Sie schlecht?" In Einzelfällen wurde dann genauer nachgefragt. Die Resultate sind natürlich nicht repräsentativ, aber teilweise doch recht interessant und aufschlußreich.

Tram hat positives Image

Allgemein "zufriedenstellend", "gut" oder "sehr gut" bewerteten 34 Fahrgäste die Tram; 23 davon benutzten Worte wie "zuverlässig", "umweltfreundlich" und "schnell". Bequemlichkeit lobten insgesamt 29 Fahrgäste. Viele von ihnen hoben den Vorteil hervor, mit ihrer Linie ohne Umsteigen direkt ans Ziel zu kommen, und mehrere, vor allem ältere Fahrgäste erwähnten, beim Umsteigen nicht Treppen steigen zu müssen. Die "Atmosphäre" in der Straßenbahn sei angenehm, und man fühle sich in der Straßenbahn sicherer als in der U-Bahn, äußerten mehrere Fahrgäste. Ein Extra-Lob gab es von einigen Fahrgästen für die Wiedereinrichtung der Ankunftshaltestelle am Hackeschen Markt in der Rosenthaler Straße, weil dadurch die Fußwege zur S-Bahn erheblich verkürzt wurden.

Spitzenreiter Autostau

Unter den insgesamt 165 Negativ-Bermerkungen der Fahrgäste fand sich immerhin 46mal der Autostau. Auf konkretes Nachfragen wurden die Bahnhofstraße, die Edison-/Brückenstraße, die Grünauer Straße und die Prenzlauer Promenade als Hauptproblemstrecken benannten. Unpünktlichkeit gefiel den Tram-Fahrgästen 42mal nicht, wobei dies am Bf. Schöneweide häufiger gennannt wurde als am Hackeschen Markt. Bemerkenswerterweise wurden in Schöneweide die 21. die 27, die 61, die 62 und die 67 als unpünktliche Linien genannt, die allesamt entweder über die staugeplagte Brückenstraße oder über die Köpenicker Altstadt verkehren.

Brücke
Treskowbrücke, Stau in Fahrtrichtung Bf. Schöneweide. Am 24. Mai verteilten Straßenbahner Postkarten mit der Adresse des Verkehrssenators an die Fahrgäste der Tramlinien 21, 27, 61 und 67. Diese Linien durchfahren den Straßenzug Edisonstraße - Treskowbrücke - Brückenstraße, der neben der Tram nur von Anliegern berfahren werden darf. Da diese Straße aber immer mehr vom Durchgangsverkehr mißbraucht wird, stehen Tram und Fahrgäste hier immer öfter im Stau. Der Postkartentext fordert den Verkehrssenator auf, die Anliegerregelung durchzusetzen und das Gleis Richtung Bf. Schöneweide entsprechend abzumarkieren. Foto: Täubert

Verpaßte Anschlüsse wurden 23mal bemängelt. Davon benannten in Schöneweide sieben Fahrgäste die nicht mehr bestehende Direkt-Fahrmöglichkeit von Johannisthal in Richtung Tierpark als die Quelle ihrer Verärgerung. Die so zu Umsteigern gewordenen Fahrgäste haben zudem in Schöneweide das Nachsehen, weil die Doppelhaltestelle vor dem S-Bahnhof keine mehr ist und immer nur ein Straßenbahnzug dort halten darf! Am Hackeschen Markt wurde vor allem der Wegfall der Direktfahrt (bisher Tram 20) von Prenzlauer Berg über Weißensee nach Lichtenberg kritisiert. Der Fahrkomfort wurde insgesamt 27mal bemängelt. Achtmal kritisierten Fahrgäste den unzureichenden Fahrkomfort speziell der älteren Straßenbahntypen. Mehrfach wurde über zeitweise zu volle Züge geklagt.

Mängel an den Haltestellen

Zur Situation an den Haltestellen der Tram gab es 15mal Kritik. So fanden vier Fahrgäste die neue äußerliche Seitenbeschilderung der Straßenbahnen unzulänglich, weil die Fahrstrecke, an der sich einige der Zusteiger orientierten, nicht mehr kenntlich gemacht wird. Beispielsweise fahren die Linien 4 und 15 beide nach Falkenberg, jedoch auf unterschiedlichen Strecken. Finige Fahrgäste bemängelten die bei Dunkelheit nur schlecht lesbaren Fahrplanaushänge der Haltestellen. Immerhin fünf Fahrgäste beschwerten sich am Hackeschen Markt darüber, daß offenbar versäumt wurde, an der Haltestelle die Fahrpläne der "Köpenicker Linien" auszuhängen. Erst später wurde entdeckt, daß sich diese in der in einiger Entfernung gelegenen Wartehalle befinden. Die Wartehalle wurde übrigens von drei weiteren Fahrgästen dahingehend kritisiert, daß die "Reklame-Seitenwand" die Sicht auf die ankommenden bzw. nachfolgenden Züge verstellt. Ebenfalls Hackeschen Markt wurde auch eine Gefährdung der Fahrgäste, die von der S-Bahn zur Tram umsteigen, durch rücksichtslose Autofahrer beklagt.

IGEB

aus SIGNAL 5/1993 (Juli 1993), Seite 14-15

 

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