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Drei Gründe wurden für die Eingleisigkeit genannt.
Anlaß Nummer eins ist die Brücke über den
Teltowkanal, die nach dem Krieg nur eingleisig
wiederaufgebaut wurde. Ein aufwendiger Neubau
der gesamten Brückenanlage konnte hier verhindert
werden, stattdessen wird das alte Gitterwerk
saniert und in die ausgebesserten Widerlager eingehängt.
So seltsam es klingt: Hilfreich für die eingleisige
Sparvariante war (wie zuvor schon in
Griebnitzsee) die absurde Planung zur Teltowkanalverbreiterung,
die bei einem Neubau hätte
berücksichtigt werden müssen.
Der zweite Grund für die Eingleisigkeit ist die
unklare Fernbahnplanung. Von der Teltowkanalbrücke
südwärts bis etwa zur Dillgesstraße wird
der eingleisige Abschnitt ausgedehnt. Falls für
einen viergleisigen Ausbau der Fernbahn die
Gleisachsen verändert werden müssen, braucht
man so nur ein Gleis wieder abzubauen.
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Verkehrssenator Prof. Dr. Herwig Haase und Bausenator Wolfgang Nagel haben am gestrigen Donnerstag grundlegende Positionen zu Projekten des öffentlichen Personennahverkehrs und deren Finanzierung festgelegt. ... Im Sommer [!] 1994 sollen die ersten S-Bahn-Züge auf dieser Strecke [S25] fahren. Foto: Landespressedienst, 24. Juli 1992 |
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Eine fast so absurde Planung wie beim Teltokanal
verbirgt sich hinter Anlaß Nummer drei. Weil
die Straßenplaner die gerade erst verbreiterte
Leonorenstraße noch einmal verbreitern möchten,
wird nur ein Brückenüberbau in die neuen Widerlager
eingehängt. Man kann schon heute ahnen,
wie es weitergeht: Der Fernbahnausbau wird als
willkommener Anlaß für die Straßenverbreiterung
genommen, wodurch auch die S-Bahn-Brücke
verändert werden muß, was zum Auslöser für
die langfristig geplante Verschiebung des S-Bahnhofes
Lankwitz über die Leonorenstraße wird und
damit natürlich Vorleistungen für die U9 in Form
einer Tunnelleiche unter der S-Bahn-Überführung
erzwingt (siehe Rathaus Steglitz).
Doch noch ist es nicht soweit. Vorerst wird nur
der vorhandene Bahnhof Lankwitz saniert. Die
Eingleisigkeit hat sogar den Vorteil, daß ohne
großen Aufwand eine behindertengerechte Rampe
an den Bahnsteig geführt werden kann. Der
geplante 10-Minuten-Takt wird durch die Eingleisigkeit
nicht beeinträchtig, versichert die Bauverwaltung.
Das ist theoretisch richtig. Wenn aber
ein von Priesterweg kommender Zug nur zwei bis
drei Minuten Verspätung hat, kann der Zug aus
Lichterfelde Ost schon nicht fahrplanmäßig abfahren.
Ob der eingleisige Haltepunkt Lankwitz
tatsächlich kein Betriebsengpaß wird, kann also
erst die Praxis erweisen.
Beim Bahnhof Südende erfolgte der "bewährte"
Totalabbruch. Obwohl (oder gerade weil?) hier
keine Verschiebung in welche Richtung auch
immer ansteht, wurde der gesamte Bahnsteig abgerissen
und neugebaut. Immerhin werden die
alten Stützen auf dem Bahnsteig wiederverwendet
und das Empfangsgebäude erhalten.
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Sparsame Lösung. Die eingleisige Brücke über den Teltowkanal wird erhalten und saniert. Foto: B. Strowitzki |
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Auch bei dem vorläufigen Endbahnhof Lichterfelde
Ost gibt es die Zielplanung, den Bahnhof
über die (natürlich viel zu schmale) Königsberger
Straße zu verschieben, aber zunächst wird der
vorhandene Bahnsteig als "Dauerprovisorium"
instandgesetzt. Damit bleibt zunächst auch der
großzügige Bahnhofsvorplatz erhalten, der immerhin
Platz für einen Taxistand und etliche Busse
bietet - und auch für eine Straßenbahnwendeschleife.
Instandgesetzt wird zugleich der Übergang
zu den Fernbahnsteigen, denn "optimistisch
geschätzt 1995/96" (Senatsbauverwaltung) kann
man in Lichterfelde Ost wieder von der S-Bahn
zum Vorortverkehr umsteigen. Daß die Verlängerung
der Regionalbahn von Teltow nicht bereits
zur Wiederinbetriebnahme der S-Bahn erfolgt ist
mehr als ärgerlich. Dies zeigt erneut, daß durch
die große personelle und finanzielle Belastung der
DR als Folge der gigantischen Tunnel- und Zentralbahnhofs-Planung
an allen anderen Stellen die
Bauarbeiten zumindest verzögert werden.
Bis 1984 fuhr die S-Bahn über Lichterfelde Ost
hinaus nach Lichterfelde Süd. Dieser Abschnitt
wurde im Sommer 1992 aus den Wiederaufbau-Planungen
herausgenommen. Ob und wann hier
wird, ist völlig ungewiß. Auch auf intensive Nachfragen
der Journalisten wollte sich niemand festlegen.
Die Senatsvertreter verwiesen auf die Verantwortung
der Reichsbahn, deren Zustimmung
für eine Weiterführunng benötigt werde, was
wegen des "Parallelverkehrs" fraglich sei. Bekannt
ist diese Argumentation ja bereits von der
Hamburger Bahn, wo die DR keinen Bedarf für
eine S-Bahn nach Staaken und Falkensee "parallel" zur
Regionalbahn sieht. Angesichts dieser
Argumentation drängt sich die Frage auf, wie die
einen neuen Nord-Süd-S-Bahn-Tunnel durch
Tiergarten parallel zum geplanten Fernbahntunnel
mit Regionalbahnverkehr und fast parallel zu
einem vorhandenen und keineswegs überlasteten
S-Bahn-Tunnel rechtfertigen will.
Trotz der gravierenden Kritikpunkte bleibt festzuhalten:
Nicht zuletzt durch den Druck des 1986
erfolgreichen Steglitzer Bürgerbegehrens werden
die Lankwitzer und Lichterfelder 1994 endlich
wieder "ihre" S-Bahn erhalten. Daß ein Teil der
Strecke eingleisig bleibt und die Umsteigewege
zum Bus mangels Bahnhofsverschiebungen nicht
verkürzt werden, muß, so seltsam das von einem
Fahrgastverband klingen mag, als Erfolg gewertet
werden. Denn ohne Standardreduzierung gibt
es keine schnelle Wiederinbetriebnahme. Durch
überzogene Ansprüche wurden in West-Berlin in
den 10 Jahren, in denen Senat und BVG für das
S-Bahn-Teilnetz zuständig waren, nur wenige
stillgelegte S-Bahn-Kilometer wieder in Betrieb
genommen, während es im Nachkriegs-Berlin
unter schwierigsten Bedingungen gelang, das
gesamte Berliner S-Bahn-Netz in nur zwei Jahren
wiederaufzubauen. Die S-Bahn-Wiederinbetriebnahme
nach Lichterfelde Ost scheint nun das
erste Beispiel dafür zu werden, daß der Senat auf
die anhaltende Kritik an der Luxussanierung reagiert. IGEB
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