|
Nicht genug, daß der Flughafen Schönefeld den
ganzen Sommer über nur im 20-Minuten-Pendelbetrieb
angefahren wird (wegen einer Autobahnbaustelle
!), daß auf der U-Bahn-Linie 6 abends
wieder nur alle halbe Stunde ein Zug zwischen
Wedding, Mitte und Kreuzberg fahrt, daß... Die
Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Nun also
wird auch noch auf der Wannseebahn gependelt
- und zwar derart umfangreich, daß die BVG im
Wettlauf um die niederträchtigsten Pendelverkehre
gegenüber der Reichsbahn erheblich aufholen
konnte. Denn Fahrgäste aus Oranienburg, Wedding
oder Berlin-Mitte, die in den Berliner Südwesten
wollen, dürfen von morgens bis mittags
vier bis Fünf Mal (in Zahlen 1+1+1+1+1) umsteigen
und dabei drei Pendelzüge im 20-Minuten-Abstand genießen.
An diesem Extrem-Beispiel
wird zugleich deutlich, wie die Verkehrsbetriebe
sich in vermeidbaren Sachzwängen verstricken.
Über zehn Wochen, vom 19. Juli bis 24. September,
Finden Gleisbauarbeiten zwischen den benachbarten
Bahnhöfen Lichterfelde West und
Botanischer Garten statt, woraus man eine durchschnittliche
Tagesleistung von 22 m Strecke errechnen
kann. Dieser Abschnitt wird deshalb mit
einem Pendelverkehr Sundgauer Straße - Rathaus
Steglitz überbrückt. Zugleich wird auch zwischen
Sundgauer Straße und Wannsee nur noch im 20-Minuten-Abstand
gefahren. So weit, so schlecht.
Da nun aber in Steglitz keine Kehrmöglichkeitkeit
Für Regelzüge besteht, muß ab Rathaus
Steglitz ein zweiter Pendelabschnitt anschließen.
Zwar wurden in der Vergangenheit (beim Ausbau
des Wolfensteindammes) umfangreiche Vorleistungen
für Aufstell- und Kehrgleise südlich
des S-Bahnhofs erbracht und wurden zuletzt nach
Abschluß des aufwendigen Bahnhofsumbaus
auch neue Aufstellgleise gelegt, doch der Anschluß
an die Streckengleise fehlt noch immer.
Die nächste Kehrmöglichkeit ist somit in Schöneberg.
Doch diese betriebsbereite, erst jüngst
erneuerte Anlage wird, warum auch immer, nicht
genutzt. Vielleicht wegen der Bauzäune auf dem
Bahnsteig, die auf einem kurzen Stück die nutzbare
Bahnsteigbreite einschränken? Da also Schöneberg
unverständlicherweise nicht genutzt wird
und die nächste Kehrmöglichkeit erst in Anhalter
Bahnhof besteht, ist ein dritter Pendelzug erforderlich.
Die Regelzüge von Oranienburg müssen deshalb
bereits in Anhalter Bahnhof kehren. Und hier gibt
es noch eine Steigerung der Fahrgastschikanierung:
Denn die "Verstärkerzüge" ab Frohnau enden
bereits nördlicher, weil selbst im aufwendigst
ausgebauten Anhalter Bahnhof die Kehrmöglichkeiten
unzureichend sind - meint die BVG. Das
genau für solche Fälle vorgesehene Gleis l, einstmals
von der BVG gegen energische Einsparforderungen
von Senator Wronski durchgesetzt, wird
erneut nicht benutzt, weil der Pendelzug auf wenigen
Metern auf der Trasse der S2 verkehren
müßte. Ähnliches geschieht täglich auf dem S-Bf.
Friedrichstraße (Stadtbahn), wo aussetzende Züge
kurzzeitig das Gegengleis blockieren. Doch die
BVG scheint nicht willens oder in der Lage zu
sein, entsprechende Fahrstraßen zu stellen. Deshalb
kommt der Pendelzug in Anhalter Bahnhof
auf Gleis 3 in Konflikt mit den Regelzügen nach
Norden, weshalb die "Verstärker" aus Frohnau
bereits am Potsdamer Platz gekehrt werden - ohne
Anschluß an den Pendelzug.
|
S-Bf. Westkreuz. Nicht weniger als 19 Aushänge informieren die Verehrten Fahrgäste. Wenn sie alle gelesen haben, wissen sie (vielleicht), warum ihr Zug gestern wieder früher fuhr, als im Kursbuch angegeben, und daß sie sich nach 22 Uhr besser gleich ein Taxi nehmen sollten, weil irgendwo auf ihrer Strecke garantiert ein bösartiger Pendelverkehr lauert. Foto: Jan Kutscher |
|
In Potsdamer Platz wiederum ist die Kehranlage
nur vom inneren Gleis zu erreichen, das zwar
betriebsfähig hergestellt, aber durch Bauzäune
abgeschirmt ist. Für den Fahrgastbetrieb ist nur
die äußere Bahnsteigkante freigegeben. Daher
werden die Reisenden der aus Frohnau kommenden
Züge bereits in Friedrichstraße herausgeholt,
und die Züge fahren leer zum Potsdamer Platz,
um dort zu kehren... Reisende dieser Züge müssen
also bereits in Friedrichstraße das erste Mal
umsteigen (und 10 Minuten warten), bevor sie den
Pendelverkehr in Anhalter Bahnhof erreichen und
weitere vier Male den Zug wechseln dürfen, falls
sie z.B. bis Zehlendorf fahren wollen.
Während es also unter "normalen Umständen"
möglich wäre, den Pendelbetrieb auf Sundgauer
Straße - Rathaus Steglitz oder wenigstens auf
Sundgauer Straße - Rathaus Steglitz und Rathaus
Steglitz - Schöneberg zu begrenzen, müssen nun
z.B. Reisende von Gesundbrunnen nach Steglitz
zwei oder drei Mal den Zug wechseln, ohne auf
ihrer Strecke auch nur einen Bauarbeiter zu sehen.
Und eine S-Bahn-Fahrt von Zehlendorf zum
Potsdamer Platz dauert vormittags jetzt nicht weniger
als 40 Minuten -
mehr als doppelt so lange
wie normal.
Wirklich "normal"
wäre natürlich der Verzicht
auf jeglichen Pendelverkehr
zugunsten
von Bauarbeiten in den
nächtlichen Betriebspausen.
Aber von solcher
Normalität ist man
in Deutschlands Hauptstadt
anscheinend noch
Lichtjahre entfernt -
ausgenommen bei Autobahn-
und ICE-Baustellen.
Nicht verschwiegen
werden soll
aber, daß auch die BVG
in der ersten Zeit nach
der S-Bahn-Übernahme
1984 nachts baute,
bis sie sich durch einige
Anwohnerbeschwerden
einschüchtern
ließ. IGEB
|