Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)
in der Hauptstadt wird im Wesentlichen
durch die Landesanstalt (AöR) durchgeführt.
Hier arbeiten Ulricke Jokiel (42) und ihr Kollege
Peter Wille (54) in der nicht selten umbenannten
Abteilung zur Bus-Bahn-Unattraktivierung
für Mobilitätseingeschränkte
(ABBUaM-4) und sind dort voller Elan tätig.
Dienstag Vormittag. Im Büro herrscht emsiges
Treiben. Während Peter neue Aufzugsstandorte
in der Nähe von defekten Toiletten
sucht, ist Ulricke eben erst
eingetroffen und
wie so häufig sehr verärgert. „Stell dir vor, Peter,“
spricht sie ihren Kollegen an, „stell dir vor,
mein Auto ist defekt, und ich musste heute
mit dem Bus zur Arbeit fahren! Hörst du? Mit
dem BUS!“
Peter ist schockiert. „Das ist uns doch laut
unserer Arbeitsverträge verboten“, erwidert
er. „… bis auf unvermeidbare Einzelfälle“, ergänzt
Ulricke. „Und es war schrecklich! So voll!
Die ganzen alten Menschen – mehr als an der
Supermarktkasse! Sie sitzen auf den besten
Plätzen oder stehen im Weg, sind immer die
ersten an der Tür, steigen dann aber nicht aus,
sie …“ Peter bricht die Aufzählung mit einer
Handgeste ab.
Beide beginnen zu grübeln. „Die muss man
doch irgendwie loswerden können“, murmelt
Peter, „wenn doch alle Busse nur aus Oberdecks
bestehen würden …“ Ulricke schnippst
mit den Fingern. „Das isses!“ ruft sie. Peter erwidert:
„Wie soll das denn gehen?“
„Ganz einfach!“ Ulricke führt aus: „Wir deaktivieren
das Kneeling, dieses automatische
Absenken an Haltestellen, was eigentlich dafür
sorgen soll, dass die ganzen Bepackten,
Siechen und Alten besser einsteigen können.
Dann haben die wieder diese schwer überwindbare
Stufe, wie früher bei den Hochflurbussen.
Damit kann man sie dauerhaft vergraulen.“
„Aber wie willst du das denn rechtfertigen,“
wirft Peter ein, „schließlich wurden
inzwischen Milliarden in die Barrierefreiheit
gesteckt!“ Ulricke wiegelt ab: „Ach was, wir
bauen da einfach eine Alibi-Anforderungstaste
fürs Kneeling ein, die die Fahrer dann
getrost ignorieren dürfen.“ Peter ist begeistert:
„Oh, und lass uns die Taste dann als große
Errungenschaft verkaufen! ‘Service auf
Knopfdruck‘, oder so ähnlich. Wie wär´s mit
‚Servicetaste‘?“
„Nein, das ist noch nicht verhöhnend genug“,
widerspricht Ulricke. Sie verfällt in ihre
Denkerpose, in der sie nacheinder an den
Fingern ihrer rechten Hand saugt. Dann
durchschießt sie ein Geistesblitz: „Der Komfortknopf!“
Peter ist zufrieden: „Perfekt für eine völlig
funktionsfreie Taste. Aber kostet das nicht wieder
alles Geld?“ Ulricke erwidert: „Das ist egal.
Wir drehen den Spieß einfach um und behaupten,
damit eine Menge Geld sparen zu können.
Das Argument zieht schließlich immer.“ Ulricke
ist von ihrer Idee begeistert und lehnt sich in
ihrem Bürostuhl zurück. Doch Peter ist noch
skeptisch: „Und wie viel willst du angeblich
mit dieser abenteuerlichen Konstruktion einsparen?“,
fragt er argwöhnisch. Ulricke lutscht
wieder kurz an ihren Fingerkuppen und sagt
dann: „Zwei Millionen.“
„Ganz schön frech.“ Peter schaut seine Kollegin
direkt an. Doch die erwidert nur mit
einem Lächeln: „Klar doch, aber wer soll da
schon nachforschen? Und falls doch einer
nach belastbaren Zahlen fragt: Für nicht
überprüfbare Fakten hab ich ja noch die hier!“,
und winkt mit ihren Fingerspitzen. (hm) IGEB Stadtverkehr
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