Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung am 8. November
2012 ein Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II beschlossen, mit dem
die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur für die Jahre 2013 und 2014 einmalig
um 750 Millionen Euro erhöht werden. Unverständlich ist, dass von diesem Betrag
fast nur der Verkehrsträger Straße profitiert.
Das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm
II (IPB II) sieht zusätzliche Ausgaben
von 600 Mio. Euro im Jahr 2013 vor und für
das Jahr 2014 Verpflichtungsermächtigungen
für weitere 150 Mio. Euro. Diese Beträge
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Angaben in Mio. Euro |
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teilen sich auf die einzelnen Verkehrsträger
wie folgt auf:
Der Schienenverkehr erhält damit einen Anteil
von gerade einmal 5,3 Prozent!
Straßengelder vor allem für Neubau
statt Infrastrukturerhaltung
Fragwürdig ist beim IPB II auch die Aufteilung
der Straßenbaumittel: So sind im
Bereich der Bundesfernstraßen allein 326
Mio. Euro zur Verstärkung laufender Neubaumaßnahmen
eingeplant, weitere 176
Mio. Euro für Neubeginne von Bedarfsplan-
und Umbaumaßnahmen. Dazu gehört
im Bundesland Berlin beispielsweise
die Verlängerung der Autobahn A 100 zwischen
Autobahndreieck (AD) Neukölln und
Anschlussstelle (AS) „Am Treptower Park“.
Hierfür sind
in den Jahren 2013 und 2014
insgesamt 80 Mio. Euro eingeplant. Damit
ist für dieses Einzelprojekt bereits das Doppelte
von dem vorgesehen, was für den
Ausbau der Schienenwege im gesamten
Bundesgebiet zur Verfügung steht!
Angesichts des Nachholbedarfs bei Erhaltungsmaßnahmen,
z. B. Ersatz verschlissener
Autobahnbrücken oder Fahrbahnbeläge,
stellt sich die Frage, weshalb dafür „nur“ 41
Mio. Euro eingeplant sind.
Die übrigen Finanzmittel im Bereich Bundesfernstraßen
verteilen sich auf die Verstärkung
des Radwegeausbaus an bestehenden
Bundesstraßen (10 Mio. Euro) und für eine
Zweckausgabenpauschale an die Bundesländer
(17 Mio. Euro).
Schienengelder nur für Lärmschutz
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Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II: Die Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen an stark belasteten Bahnstrecken, u. a. im Elbtal in Sachsen (im Bild Kurort Rathen), ist zweifellos sinnvoll. Die notwendige Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene lässt sich mit der derzeitigen Investitionspolitik des Bundes jedoch nicht erreichen. Foto: Christian Schultz |
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Mit den Mitteln für die Bundesschienenwege
wird ausschließlich ein Sonderprogramm
Lärmschutz finanziert. Dazu gehören z. B.
die Ausrüstung der Strecken im Mittelrheintal
und im Elbtal Sachsen (Bereiche Bad
Schandau und Krippen) mit Schienenstegdämpfern/
Schienenstegabschirmungen.
Hinzu kommt der Bau von Schallschutzwänden,
u. a. in Treuchtlingen (Möhrenbachtalbrücke)
und Bremen. Auch die Erprobung
neuer Technologien wird finanziert, so z. B.
der Bau einer niedrigen Schallschutzwand
in Passau-Voglau (C-Wand).
Die 40 Mio. Euro für Schallschutzmaßnahmen
an stark belasteten Schienenstrecken
sind zweifellos gut angelegt. Die Maßnahmen
dienen letztlich dazu, die Akzeptanz
des Schienenverkehrs dauerhaft zu verbessern
bzw. die Lärmproblematik an den stark
belasteten Hauptmagistralen gerade in den
Nachtstunden zu reduzieren.
Nicht akzeptabel ist jedoch, dass durch
das IPB II die Infrastrukturqualität einseitig
im Bereich der Bundesfernstraßen verbessert
wird, während bei der Schiene Stagnation
zu verzeichnen ist.
Schon 2011 falsche Prioritäten
Bereits mit dem ersten Infrastrukturpaket in
einer Höhe von 1 Milliarde Euro vom November
2011 wurde der Schienenverkehr erheblich
benachteiligt. Der überwiegende Teil
dieser Finanzspritze, nämlich 600 Mio. Euro,
wurde seinerzeit für den Straßenverkehr reserviert,
300 Mio. Euro für die Wasserstraßen
und lediglich 100 Millionen Euro, also gerade
einmal 10 Prozent der Gesamtsumme, für
die Schiene.
Es muss dabei berücksichtigt werden,
dass mit einer im Vergleich zur Schiene weiter
gesteigerten Attraktivität der Straßeninfrastruktur
für die Zukunft auch Fakten zugunsten
dieses Verkehrsträgers geschaffen
werden. Die notwendige Verlagerung von
Verkehren auf die energiesparende und
umweltschonende Schiene wird auf diese
Weise ad absurdum geführt, die ohnehin
bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zu
Lasten der Bahn werden weiter ausgebaut.
Absurde Begründung für Verzicht auf
Schienenprojekte
Ebenso wenig akzeptabel ist die offizielle
Begründung für diese Situation: „Die Realisierung
von Bedarfsplanvorhaben für die
Bundesschienenwege erfordert fast immer
deutlich längere Zeiträume als zwei Jahre
(…) Ein kurzfristiger Baubeginn von neuen
Ausbauvorhaben ist in der Regel auch nicht
möglich, weil erst die fahrplantechnischen
Voraussetzungen (Sperrpausen) geschaffen
werden müssen und hierfür der Vorlauf einer
Fahrplanperiode benötigt wird.“
Und was wird seitens des Bundes zur Behebung
dieses Mangels getan? Nichts! Es ist
aber nicht akzeptabel, dass es einerseits für
Straßen und Wasserstraßen unter staatlicher
Verwaltung fertig durchgeplante Projekte
gibt, dagegen andererseits die Deutsche
Bahn als privatwirtschaftlich organisiertes
Unternehmen keine (kostenintensiven) Planungen
von Aus- bzw. Neubaumaßnahmen
durchführen kann, für die eine Finanzierung
letztlich nicht absehbar ist bzw. lediglich
nach dem „Prinzip Hoffnung“ erfolgt.
Hier hat der Bund die Pflicht, diesen Nachteil
schnellstmöglich auszugleichen bzw. zu
beheben. Ein entsprechender Planungsfonds
für den Aus- bzw. Neubau festgelegter
Schienenwege kann in diesem Fall Abhilfe
schaffen. Der Nachholbedarf ist im Bereich
der Bundesschienenwege schließlich erheblich,
z. B. Ausbau/Elektrifizierung der
Strecken Berlin—Stettin, Hof—Nürnberg
bzw. Regensburg.
Die Bevorzugung des Straßenbaus zulasten
der Schienenwege hat unter Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer (CSU) einen
neuen Höhe- bzw. Tiefpunkt erreicht. IGEB Fernverkehr
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