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Foto: Marc Heller |
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Folgendes Beispiel einer Berliner Familie
steht stellvertretend für viele, die Kinder haben,
welche frühzeitig vor der Einschulung
das sechste Lebensjahr vollenden:
„Unser Sohn wird im Januar 6 Jahre alt. Da
er noch nicht zur Schule geht (ab August 2013),
müssen wir für diese knapp sieben Monate das
passende Ticket für ihn finden, um ihn zur Kita
zu bringen. Welche Möglichkeit besteht hier
außer der 77 Euro Monatskarte (Normaltarif,
Berlin AB)? Es gibt scheinbar keine passende
ermäßigte Monatskarte. Unsere Tochter hat
bereits ein Schüler-Ticket Berlin AB. Das heißt,
dass unser Sohn dann ab August für umgerechnet
ca. 13 Euro im Monat (Schüler Jahreskarte,
Geschwisterticket) unterwegs sein kann. Auch
die Möglichkeit, eine Bescheinigung von der
Schule zu bekommen, um evtl. die benötigte
VBB-Kundenkarte bereits vor der Einschulung
zu bekommen, entfällt, da noch nicht feststeht,
in welcher Schule unser Sohn eingeschult wird.
Jedenfalls sehe ich es eigentlich nicht ein, in
den kommenden Monaten für ihn 77 Euro jeden
Monat auszugeben oder alternativ Mo-Fr
mit dem Lösen ermäßigter Einzelfahrscheine
anzufangen, was zwar billiger, aber einfach viel
zu umständlich ist.“
Betrachten wir uns dazu die Tarifbestimmungen
des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg
– VBB. Grundsätzlich gilt, dass ein
Kind unter sechs Jahren von einer Person
(die im Besitz einer gültigen Fahrkarte ist)
mitgenommen werden kann. Eine Fahrkarte
ist nicht
erforderlich. Feiert das Kind seinen 6.
Geburtstag, muss es ab da immer eine eigene
Fahrkarte haben. (Ausnahme: Mitnahmeregelungen
bei Zeitkarten Mo-Fr nach 20 Uhr
sowie Sa, So, Feiertag). Für Einzelfahrscheine
ist das Alter die klar abgrenzende Bedingung,
die besagt, dass ein ermäßigter Tarif verwendet
werden kann. (VBB-Tarif Teil B 5.3.1. – „Einzelfahrausweise
des Ermäßigungstarifs gelten
für Kinder von 6 bis einschließlich 14 Jahren.“)
Bei ermäßigten Zeitkarten – in Berlin Schülerticket
oder Geschwisterticket genannt – ist
zwingende Voraussetzung, um das Angebot
nutzen zu können, der Besuch einer Berliner
Schule. Der Nachweis muss durch den „Berliner
Schülerausweis I“ erbracht werden. Wer
jedoch noch nicht eingeschult ist, hat noch
keinen. Was machen diese Kinder? Sind sie es
nicht würdig, eine vergünstigte Monatskarte
zu erhalten? Müssen ihre Eltern den vollen
Erwachsenenpreis zahlen?
Nicht unbedingt. Die Familie wandte sich
an die Berliner Verkehrsbetriebe mit diesem
Problem, und erhielt folgende Antwort:
„Da Ihr Kind bestimmt schon an einer Schule
angemeldet ist, zeigen Sie diese Anmeldung an
einer BVG-eigen Verkaufsstelle vor und lassen
sich eine VBB-Kundenkarte für Schüler ausstellen.
Bitte ein Passfoto mitnehmen.“
Ein guter Lösungsansatz, aber mit dem Haken,
dass erst im Frühjahr fest steht, welche
Schule das Kind aufnehmen wird. Erst dann
gibt es eine verbindliche Anmeldung.
Was nun? Es gibt noch die Personengruppe
der „Vorschüler“. Im Tarif (Teil B 5.2.5.2.1.)
steht: „Für Vorschüler ist anstelle des Berliner
Schülerausweises I ein entsprechender Nachweis
zu erbringen.“
Aber wer ist ein Vorschüler?
Das sind Kinder, die pädagogische Einrichtungen
besuchen, die gezielt auf den
Schulbesuch und das Lernen vorbereiten
sollen. Das Konzept der Vorschule wird in
den meisten Schulsystemen aber zurückgefahren,
weil sich die Erkenntnis durchsetzt,
dass eine längere Entwicklungsförderung
in Kindertagesstätten besser ist, um die
notwendige Schulreife zu erlangen, als in einem
„Vorschul-Crashkurs“. Der Kindergarten
ersetzt die Vorschule. Leider ist diese Auslegung
nicht gesetzlich verankert, findet aber
anscheinend den tariflichen Konsens des VBB.
Dieser antwortete auf die Anfrage der Familie:
„Nach Rücksprache mit der entsprechenden
Fachabteilung in unserem Hause können wir Ihnen
mitteilen, dass die Verkehrsunternehmen
(z. B. S-Bahn; BVG etc.) kulant Schülertickets
und Geschwisterkarten gegen Vorlage einer
Kitabescheinigung oder der Geburtsurkunde
ausgeben.“
Prima! Die Vorlage einer Bescheinigung
über den regelmäßigen Besuch einer Kindertagesstätte
oder die Geburtsurkunde sollten
ausreichend sein, um Schülerticket und Geschwisterticket
zu bekommen. Ein Anspruch
erwächst aus dieser Aussage jedoch nicht.
Denn hier sind die Eltern auf die Kulanz des
ausstellenden Verkehrsunternehmens angewiesen.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB sieht
deshalb schnellen Handlungsbedarf, um mit
einer Anpassung der Tarifbestimmungen
des VBB Rechtsklarheit zu schaffen. Voraussetzung
zum Erwerb dieser Zeitkarten muss
allein das Alter 6 bis 14 Jahre werden, unabhängig
davon, ob das Kind eine Schule oder
Kita besucht. Lediglich für Kinder über das 14.
Lebensjahr hinaus sollte ein jährlicher Nachweis
über das Bezugsrecht gemäß der aktuellen
Tarifbestimmungen erfolgen.
(JU/BfVSt) Berliner Fahrgastverband IGEB
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