Nach einer Bauzeit von 18 Monaten ist am
29. Juni 2000 das Empfangsgebäude des
Ostbahnhofs wiedereröffnet worden. Die
Deutsche Bahn investierte 63 Millionen
DM in das Projekt, der angeschlossene Bürokomplex,
die Ladenpassage und das InterCityHotel
wurden mit einem Investitionsvolumen
von weiteren 90 Millionen
DM errichtet.
Neben den Serviceeinrichtungen der
Bahn präsentieren sich insgesamt rund
50 Geschäfte mit einem breiten Angebot
an Gastronomie, Dienstleistungen, Mode,
Lebensmitteln und Reisebedarf auf rund
12.000 m2 über drei Ebenen. Das transparente
Vordach, die Glasfassade an der
Front des Empfangsgebäudes und ein
großzügiges Oberlicht im Dach sorgen für
ein helles und freundliches Erscheinungsbild.
Leider kann der Glanz nicht darüber
hinwegtäuschen, daß einige bahnspezifischen
Dienstleistungen zum Teil (bewußt?)
vernachlässigt wurden. Im folgenden
sind die aus Fahrgastsicht entscheidenden
Mängel zusammengefaßt.
Das Reisezentrum ist mit seinen
sieben Countern und dem DB-Reisebüro
zu klein dimensioniert
Selbst an verkehrsschwachen Tagen in der
Woche bilden sich Warteschlangen, die
dann - nicht zuletzt wegen der räumlichen
Enge - wenig kundenfreundlich in der
Empfangshalle enden. Zudem ist die Lage
des Reisezentrums nach dem Umbau recht
unbefriedigend. Betritt ein Reisender bei
spielsweise das Empfangsgebäude über
den Haupteingang am Stralauer Platz, so
liegt es versteckt hinter den Rolltreppen,
dem Aufzug und einem Souvenirladen!
Das Wegeleitsystem ist wegen der vorherrschenden
Leuchtreklame der Geschäfte
schlecht. Unbefriedigend ist die Belüftung
des Reisezentrums.
Einem Schildbürgerstreich gleicht
auch der Standort einer der beiden
zentralen Abfahrts-Anzeigetafeln
Dies gilt besonders, wenn man die Situation
vor dem Umbau berücksichtigt. Während
die Lage der ersten Tafel akzeptabel
ist, so hat man den besten Blick auf die
zweite Informationstafel von der Galerie
im Obergeschoß aus. Fahrgastfreundlicher
wäre es, wenn mindestens eine Abfahrts-Anzeigetafel
zentral in der Empfangshalle
in Richtung Haupteingang/Stralauer Platz
(zum Beispiel im Bereich des Aufzugs) installiert
würde, eine zweite in Richtung
Eingang Koppenstraße (InterCityHotel)
und eine dritte in Richtung Osttunnel.
Beim Umbau zum Beispiel des Leipziger
Hauptbahnhofes wurde von
der DB AG stolz der historische
Wartesaal als attraktive Wartezone
für umsteigende Reisende präsentiert.
Enttäuscht wird der Fahrgast
dagegen am Berliner Ostbahnhof
Weder in der Empfangshalle noch im Reisezentrum
gibt es Bänke (für die Halle bestellt),
ganz zu schweigen von einer
freundlich gestalteten Wartezone. Wer
sich am Ostbahnhof einmal setzen möchte,
hat derzeit lediglich die Wahl zwischen
zugigen Bahnsteigen oder den gastronomischen
Angeboten mit Verzehrzwang.
Sinnvoll und kundenfreundlich wäre
eine Kombination von Reisezentrum (mit
einer größeren Anzahl von Countern als
derzeit) und Wartezone; dies setzt natürlich
eine großzügige Dimensionierung des
Reisezentrums voraus.
Bestandteil des Serviceangebots
im Ostbahnhof ist eine Fahrradvermietung
in der
Erich-Steinfurth-Straße
Der Zustand steht im krassen Gegensatz
zum Glanz der umfassend modernisierten
Empfangshalle. Fahrgastgerecht wäre eine
Konzentration der bahnspezifischen Angebote
mit kurzen Wegen innerhalb des
Empfangsgebäudes gewesen. Zumindest
sollte aber bei einem Investitionsvolumen
von 63 Millionen DM eine freundliche, ansprechende
Gestaltung dieser Einrichtung
inklusive des direkten Umfeldes auch am
derzeitigen Standort möglich sein.
Mit den Parkplätzen bzw. dem
Parkhaus am Stralauer Platz sind
ausreichend Abstellmöglichkeiten
für den Pkw-Verkehr vorhanden;
dagegen fehlen Fahrradabstellmöglichkeiten
im Bahnhofsbereich
völlig
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Architektonisch sicherlich gelungen integriert, aus Kundensicht dagegen schlecht plaziert: die Abfahrts-Anzeigetafel im Berliner Ostbahnhof (Bildmitte). Der Hauptzugang zum Bahnhof befindet sich an der rechten Seite (nicht im Bild). Foto: Christian Schultz, Juli 2000 |
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So notwendig und positiv die Attraktivitätssteigerung
der Bahnhöfe grundsätzlich
zu bewerten ist, im Fall des Berliner Ostbahnhofs
muß festgestellt werden, daß
die Vermarktung als Einzelhandelsfläche
beim Umbau offensichtlich Vorrang hatte.
Auch nach der offiziellen Einweihung
werden noch einige restliche Baumaßnahmen
durchgeführt. Besonders ärgerlich ist
in diesem Zusammenhang, daß ausgerechnet
der Aufzug zum Fern-/Regionalbahnsteig
von Gleis 1 dazugehört; für
Fahrgäste mit umfangreichem Gepäck
heißt es somit Treppensteigen.
Mängel gibt es allerdings auch bei den
Servicebetrieben. Im Eiscafe fehlen beispielsweise
sanitäre Anlagen. Hier müssen
die kostenpflichtige Einrichtungen im Osttunnel
benutzt werden.
Wir hoffen, daß notwendige Korrekturen
im Servicebereich zum Nutzen für die
Kunden kurzfristig getroffen werden, damit
die angestrebte Aufenthaltsqualität in
der Praxis auch tatsächlich erreicht wird. IGEB,
Abteilung Fernverkehr
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