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Nie zuvor hat es in der Brandenburgischen Landeshauptstadt
nach einem Fahrplanwechsel eine solch massive Flut an Beschwerden
gegeben, haben sich die Betroffenen, darunter auch Fahrpersonal,
vehement gegen ein neues Fahrplankonzept gewandt.
In nicht einmal drei Wochen gingen bei
der Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH (ViP)
allein rund 500 schriftliche Beschwerden
zum neuen Fahrplan ein, hinzu kommen
unzählige mündliche Anfragen, kritische
Bemerkungen und sogar Beschimpfungen
des Fahrpersonals. Und das, obwohl dieses
Konzept auf den ersten Blick durchaus
Vorteile, wie leicht merkbare Takte und
eine deutlich höhere Zahl von Anschlußbeziehungen
aufweist, die auch der DBV seit
Jahren fordert. Dennoch bringt „Takt
2000" eine ganze Reihe von schwerwiegenden
Nachteilen für viele Fahrgäste mit
sich, die die Vorteile wieder aufwiegen.
Der DBV, Regionalverband Potsdam-Mittelmark,
hat rechtzeitig und mit allen ihm
zur Verfügung stehenden Mitteln, darunter
einer öffentlich verteilten Sonderausgabe
seines Info-Blattes „Weichensteller" davor
gewarnt, den Fahrplan in der jetzt gültigen
Form übereilt und unverändert Realität
werden zu lassen. Dabei ging es von
Anfang an nicht um eine vollständige Ablehnung
des neuen Konzepts, wie der
Schöpfer des Planes wiederholt und unrichtig
verlauten läßt, sondern um eine Kritik
an den Punkten, die nicht funktionieren
bzw. von den Fahrgästen heftig kritisiert
werden:
1. Eine Vielzahl von Umsteigemöglichkeiten
im Netz ist zunächst
grundsätzlich positiv zu bewerten
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Verknüpfungspunkt zwischen den Regional- und Stadtbuslinien, Straßenbahn, dem Regional, Fernverkehr und der S-Bahn ist der Hauptbahnhof. Foto: Alexander Frenzel |
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Eine inflationäre Zahl von Umsteigepunkten
bis hin zu Umsteigezwängen führen
jedoch in der Konsequenz zu unzumutbaren
Reisezeit-Verlängerungen und zu einem
spürbaren Verlust an Reisekomfort -
die Effekte des millionenschweren Rechnergestützten
Betriebsleitsystems werden
so zunichte gemacht. Die Fahrgäste reagieren
mit Unverständnis, schlimmstenfalls
mit einem Wechsel zum Pkw. Nachweislich
müssen auf einer Reihe von Streckenabschnitten
planmäßige Reisezeit-Verlängerungen
von durchschnittlich mindestens
10 bis 20 Prozent in Kauf genommen
werden. Eine Beschränkung auf prioritäre
Umsteigepunkte wäre dem Ganzen
sicher dienlicher gewesen („Klasse statt
Masse"). Zudem wurden einige dieser
„Rendezvous-Punkte" ohne Berücksichtigung
der Bedürfnisse Mobilitätsbehinderter
festgelegt, siehe zum Beispiel Haltestelle
Rathaus (statt alternativ Puschkinallee).
2. Das zweifellos überholungsbedürftige
Busnetz mit einem unvertretbar
hohem Anteil an Parallelverkehr
wurde radikal zerschlagen,
anstatt es sinnvoll umzubauen
Viele Direktverbindungen wurden ohne
vorausgehende Erhebungen abgeschafft
(ehemals 690, 698 in der Friedrich-Engels-Straße)
oder ausgedünnt (692) bzw. bestenfalls
durch fragwürdige, teils mehrfache
Umsteigezwänge oder/und Endloslinien
mit dem Charakter einer Stadtrundfahrts-Linie
ersetzt (694). Dadurch entstehen
tarifliche Benachteiligungen, weil ein
Kurzstrecken-Fahrschein nicht mehr ausreicht,
um von A nach B zu gelangen.
3. Die Fahrplangestaltung führt zu
hoher Störanfälligkeit des Systems
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Die Befürchtungen des DBV haben sich leider bewahrheitet. Das Konzept Takt 2000 bedeutet erhebliche Nachteile für die Fahrgäste durch Umsteigezwänge und wenig Pünktlichkeit. Foto: Marc Heller, Mai 2000 |
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Ursache ist die unzureichende Berücksichtigung
der Realitäten des Oberflächenverkehrs.
Das jetzige System verlangt eine
Vielzahl von Voraussetzungen, die zumindest
gegenwärtig noch fehlen, und die
auch nur unter (bislang nicht bekannten)
Zusatzkosten zu schaffen wären (Umbau
von Straßen und Haltestellen, Veränderungen
von Ampelprogrammen usw.). Zu einfach
ist es dabei, die Störanfälligkeit des
Betriebsablaufes allein auf bestehende
Baustellen zurückzuführen. Oftmals fehlen
in den Umläufen ausreichende Reservezeiten,
um entstandene Verspätungen ausgleichen
zu können. Dies erschwert auch
den Fahrdienst bis hin zu gesundheitlichen
Folgen, auf die die Gewerkschaft bereits
hingewiesen hat. Auf Dauer überbeanspruchtes
Fahrpersonal birgt ein Risikopotential
für einen sicheren Fahrbetrieb und
damit für Gesundheit und Leben aller daran
Beteiligten.
4. Unter Potsdamer Verhältnissen
- kleines Netz mit kurzen Linien -
fragwürdig sind die als revolutionär
gepriesenen Expreß-Straßenbahnen,
die anderswo (wie in Dresden)
wieder abgeschafft wurden
Ein Zeitgewinn wird subjektiv empfunden,
ist aber objektiv minimal. Dagegen wird
ein Teil der Fahrgäste - an zeitweise hochfrequentierten
Haltestellen, wie Kunersdorfer
Straße, mit zahlreichen benachbarten
Behörden und öffentlichen Einrichtungen
- benachteiligt, wenn dort selbst im
Berufsverkehr nur noch ein annähernder
10-Minuten Takt besteht (drei von sieben
Bahnen halten hier jetzt nicht mehr).
Es fehlen wichtige Voraussetzungen für
eine tatsächliche Effektivität. Oft fahren
Expreß-Bahnen „normalen" Bahnen hinterher
und werden von diesen und von
„Halt" zeigenden Ampeln aufgehalten.
Dies sind nur die wichtigsten Punkte unserer
Kritik. Allesamt hat der DBV sie, wie
auch mehrere Experten im Nahverkehrsbeirat,
bereits nach Bekanntwerden der
Details des Fahrplanwerks öffentlich benannt.
Wir sind im übrigen keinesfalls froh
darüber, daß sich unsere Befürchtungen
derart weitgehend bestätigt haben, denn
den Schaden haben die als Versuchskaninchen
mißbrauchten Fahrgäste, der ViP und
letztlich die Steuerzahler.
Die Verantwortung für diesen Fahrplan
liegt, anders als sonst üblich, nicht beim
ViP. Das kommunale Verkehrsunternehmen
wurde in diesem Fall per Gesellschafterweisung
der Stadt angewiesen, den
Plan einzig nach den Vorgaben und in enger
Abstimmung mit seinem „Erfinder",
dem aus Hamburg stammenden „Nahverkehrsberater"
Dieter Doege, umzusetzen.
Es muß betont werden, daß eine Mehrheit
der Stadtverordneten aus SPD, CDU und
Bündnis 90/Grüne den „Takt 2000" so und
nicht anders, ungeachtet jeder fachlichen
und sachlichen Kritik, kurzfristig umgesetzt
sehen wollte. Alle Hinweise und
Mahnungen wurden schon im Vorfeld der
Entscheidung vollständig ignoriert,
Gesprächsangebote des DBV-Regionalverbandes
nicht angenommen.
Allein die Stadtverordneten-Mehrheit
trägt daher die Verantwortung und alle
Folgekosten, über die erst abzurechnen
sein wird. Man darf gespannt sein, wie
groß das auf mehrere Millionen DM bezifferte
Einsparvolumen tatsächlich ausfallen
wird, wenn schon in den ersten drei Wochen
mehrfach nachgebessert werden
mußte!
Auf der Stadtverordneten-Versammlung
am 13. September 2000 soll mehr zu erfahren
sein. Mit Verbesserungen sollte
nicht bis dahin gewartet werden, denn der
ViP kann es sich auf Dauer nicht leisten,
tagtäglich hunderte treue Fahrgäste zu
verärgern. DBV Regionalverband Potsdam-Mittelmark
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