In diesem Ereignis spiegelt sich die Entwicklung
des Berliner Nahverkehrs der
90er Jahre: nach Möglichkeit U-Bahnen
bauen und die preiswertere Straßenbahn
vernachlässigen. Während der Ausbau der
U 5 immer noch ein Lieblingsprojekt eines
Teils des Senates ist, wird beispielsweise
beim Bau der Straßenbahn von der Prenzlauer
Allee über die Karl-Liebknecht-Straße
zum Alexanderplatz nicht einmal im Ansatz
die gleiche Entschlossenheit an den
Tag gelegt.
Doch nun zum Jahrhundertprojekt des
U-Bahn-Baus in Pankow. Wenn man Bezirkspolitikern
in der 90er Jahren hörte, so
versprachen sie sich vom U-Bahn-Bau die
Lösung fast aller Verkehrsprobleme des
Bezirkes. Was ist nun das Ergebnis?
Pankow?
Seit 76 Jahren hält hier die S-Bahn
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Ein neuer Umsteigepunkt im Norden Berlins. Nach Ansicht des Berliner Fahrgastverbandes ergeben sich lange, zu lange Umsteigewege. Foto: Irmgard Schmidt, Mai 2000 |
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Die U-Bahn erreicht mit dem S-Bahnhof
Pankow einen Ort, wo die S-Bahn bereits
seit 76 Jahren hält. Die Senats-Verkehrswaltung
rechnete selber in der Planfeststellung
1996 mit 11.000 umsteigenden
Fahrgästen zwischen S- und U-Bahn (zum
Vergleich: den Straßenbahn-Neubau über
den Alexanderplatz nutzen pro Tag über
50.000 Fahrgäste). Nach Schließung des S-Bahn-Ringes
wahrscheinlich nicht mehr so
viele Zuggruppen der S-Bahn zwischen
den S-Bahnhöfen Pankow und Schönhauser
Allee geben. Aber selbst dann wird
man künftig am S-Bahnhof Bornholmer
Straße bequem zwischen den S-Bahn-Zügen
umsteigen können, die in Richtung
Gesundbrunnen und Schönhauser Allee
fahren. Darüber hinaus werden die Fahrgäste,
die aus Richtung Bernau in Richtung
Friedrichstraße fahren, nach Vollendung
des Nordkreuzes natürlich die S-Bahn
nutzen. Die Funktion der jetzigen U 2
Nord in der geteilten Stadt war der Ersatz
für die Nord-Süd-S-Bahn im Ostteil. Diese
Aufgabe ist mit der Wiederherstellung der
S-Bahn und dem weiteren Zusammenwachsen
der Stadt obsolet geworden. Vor
diesem Hintergrund war die U 2 Nord
nicht eines dringendsten Projekte.
Natürlich ist die U 2 Nord eine sinnvolle
Netzkomplettierung. Aber warum ist man
bei der Senatsbauverwaltung stolz darauf,
für 370 Meter Netzverlängerung geringfügig
unter den geplanten 140 Millionen
DM geblieben zu sein? Dabei bringt nur
rund ein Drittel des neuen Tunnels den
Fahrgästen einen echten Gewinn. Die übrigen
zwei Drittel sind in der Aufstellanlage
verbaut worden.
Und so schiebt sich die U-Bahn in
Salamitaktik Richtung Norden weiter.
Denn, wenn man schon an der Schulstraße
ist, dann haben natürlich die U-Bahn-Fetischisten
schon längst den nächsten
Endpunkt Pankow Kirche im Sinn. Irgendwann
wird schon wieder Geld da
sein. Wobei man der Senats-Bauverwaltung
unterstellen kann, mit einer (bewußten?)
Fehlentscheidung eine Aufstell- und
Kehranlage für den Betriebsablauf erzwungen
zu haben.
Fehlentscheidung 1990
- im Jahr 2000 bezahlt
Ursprünglich war die U 2 Nord vor dem
Mauerfall als Zuführungsstrecke zu einer
neuen Werkstatt für das Kleinprofil an der
Granitzstraße geplant. Dazu hatte man
nördlich der Vinetastraße eine viergleisige
Verlängerung Richtung Norden geplant
und 1988 begonnen. Aus dieser Verlängerungsstrecke
sollten die beiden mittleren
Gleise ausgefädelt und in Richtung Granitzstraße
geführt werden. Mit dem
Mauerfall war absehbar, daß für das
Gesamtberliner Kleinprofilnetz die Hauptwerkstatt
Grunewald ausreichend sein
würde. Trotzdem wurde damals entschieden,
an der bisherigen Planung festzuhalten.
Diese Entscheidung hat nun zur
Folge, daß südlich des neuen U-Bahnhofs
kein Gleiswechsel vorhanden und kein
Kehren am Bahnsteig möglich ist. Die Gleise
liegen auf Grund der gebauten Ausfädelung
Richtung Granitzstraße in unterschiedlicher
Höhe. Dadurch war man gezwungen,
eine Kehranlage in nördlicher
Richtung zu bauen. Klassische Salamitaktik.
Und ein Beispiel, wie in Berlin Geld
ver(sch)wendet wird.
Zu allem Überfluß muß man aber Bezirk
und Senats-Bauverwaltung bescheinigen,
den Umsteigepunkt S- und U-Bahnhof
Pankow grandios verplant zu haben.
Insbesondere das Umsteigen zwischen
U-Bahn und Straßenbahn ist mit dem Wort
„schlecht" nur unzureichend beschrieben.
Die IGEB hatte bei der Planfeststellung auf
diese Fehlplanung hingewiesen und statt
dessen vorgeschlagen, gemeinsame Haltestellenanlagen
für Straßenbahn und Bus
unter den Eisenbahn-Brücken im Bereich
des Südausganges des neuen U-Bahnhofs
anzulegen.
Allerdings bietet sich im Zuge der Aufweitung
der Eisenbahnbrücken die Möglichkeit,
die Straßenbahn-Haltestelle Richtung
Süden zu verschieben und mit den
Bushaltestellen zu vereinigen.
Straßenbahn - Zukunft in Pankow?
Daß die Straßenbahn in Pankow nicht einmal
in der BVG von allen akzeptiert wird,
ist eine traurige Gewißheit. Darüber
täuscht auch die Verlängerung der Straßenbahn
in Buchholz nicht hinweg, die
am 30. September und 1. Oktober diesen
Jahres auch ganz groß gefeiert werden soll.
Sicherlich, im Bereich des Hugenottenplatzes
ist ein wichtiges Neubauviertel entstanden,
daß endlich adäquat an den
schienengebunden ÖPNV angebunden
wird. Aber warum endet die Straßenbahn-Linie 53
in Rosenthal immer noch am ehemaligen
Mauerstreifen und nicht am Sund
U-Bahnhof Wittenau?
Hier hätten die Bezirke Pankow und Reinickendorf
schon längst mit Nachdruck
auf eine Änderung dringen müssen. Das
hätte neben einer besseren Verknüpfung
der beiden Nachbarbezirke endlich auch
eine schienengebundene Erschließung des
Märkischen Viertels ermöglicht. Aber hier
träumt man seit Jahrzehnten von der viel
zu teuren U-Bahn-Erschließung.
Trotz aller Kritik bleibt festzuhalten, daß
mit der Verlängerung der Straßenbahn-Linie
50 ein positives Zeichen gesetzt wird,
das es den Gegnern der Straßenbahn sehr
schwer macht, das Pankower Straßenbahn-Netz stillzulegen. IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
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