Berlin war lange Zeit eine der wenigen deutschen Städte, in denen
es auch in den Nachtstunden möglich ist, mit öffentlichen
Verkehrsmitteln ans Ziel zu kommen.
Das ist zwar mittlerweile, zumindest was
die Wochenenden angeht, nicht mehr so
einzigartig, aber immer noch stellt das
Berliner Nachtangebot auch im Verhältnis
zur Größe der Stadt eines der besten dar.
Auf einer Veranstaltung in der TU im Juli
war nun zu hören, daß diesem Angebot
möglicherweise drastische Veränderungen
bevorstehen. Diese sollen allerdings nicht
- man höre und staune - Einsparungen zu
Lasten der Kunden bringen, sondern im
Gegenteil die Bedingungen für die Nutzer
verbessern. Insbesondere soll das Nachtnetz
einfacher zu verstehen sein, indem
statt separater Nachtlinien eine Auswahl
von Linien des Tagesverkehrs rund um die
Uhr verkehren.
Überraschung bei der
Haushaltsbefragung
Wie kam es zu dieser Idee? Der BVG liegen
nach Auswertung der Haushaltsbefragung
von 1998 nun neue Daten zur Verkehrsnachfrage
vor, die auch zur Bewertung bestehender
Angebote verwendet werden.
Eine dieser Untersuchungen befaßte sich
mit der Nachfrage in den Nachtstunden.
Diese wurde einmal durch das heutige
Nachtnetz, zum anderen durch ein aus
den Tageslinien entwickeltes Angebot bedient.
Das - möglicherweise überraschende
- Ergebnis war, daß die Bedienungsqualität
des letzteren trotz der ganz anderen
Konzeptionen etwa gleich gut war. Da
ein auf dem Tagesnetz aufbauendes
Nachtnetz aber den Vorteil der einfacheren
Merkbarkeit hat. Die BVG überlegt
nun, ihr Angebot entsprechend umzugestalten.
Erst eine Detailplanung kann zeigen, ob
ein am Tagesverkehr orientiertes Liniennetz,
das aber mit dem reduzierten
Fahrtenangebot des Nachtverkehrs betrieben
wird, den Ansprüchen insbesondere
an die Qualität der Umsteigebeziehungen
gerecht wird. In dieser Hinsicht stellt ein
solches Netz ganz andere Anforderungen
an die Fahrplangestaltung: Das jetzige Angebot
ist auf dem Prinzip relativ weniger
Knotenpunkte aufgebaut, an denen sich
jeweils viele Linien treffen und viele Anschlüsse
einfach eingerichtet und überwacht
werden können. In einem „reduzierten
Tagesnetz" wären Umsteigepunkte
dagegen räumlich weniger konzentriert,
sondern eher verteilt auf mehrere kleinere
Knoten. Solange eine Detailplanung nicht
das Gegenteil beweist - die bisherigen Untersuchungen
sind vermutlich noch nicht
so weit gegangen -, ist anzunehmen, daß
Anschlußbeziehungen dann nur noch zum
Teil in der bisherigen Qualität angeboten
werden können und ein Teil ganz verloren
gehen wird. Immerhin sind die weitaus
meisten Nachtnetze wohl auch aus diesem
Grund auf den Knotenpunktprinzip aufgebaut.
U-Bahn rund um die Uhr?
Eine solche Neuplanung des Nachtverkehrs
bietet auch die Gelegenheit, sich
endlich mit einer weiteren Grundfrage der
Angebotsgestaltung auseinanderzusetzen:
der Rolle des Schnellbahnverkehrs. Das jetzige
Angebot aus Bus- und einigen Tramlinien
mag an vielen Stellen seinen Zweck
erfüllen und sogar seine Vorteile für den
Nachtverkehr haben, in manchen Fällen
reicht seine Kapazität jedoch einfach nicht
mehr aus.
Die IGEB fordert daher, im Rahmen einer
Neugestaltung des Nachtverkehrs die U-Bahn
für die Wochenendnächte stärker zu
nutzen als bisher und die S-Bahn besser in
das Nachtnetz zu integrieren als zur Zeit.
Dabei soll nicht Ziel sein, das gesamte Netz
auch nachts zu bedienen, sondern den
Schnellbahnverkehr dort einzusetzen, wo
dies aufgrund der Nachfrage und der Zeitvorteile
zum Bus sinnvoll ist.
Die IGEB schlägt daher vor, in Wochenend-und
Feiertagsnächten das gesamte
U-Bahnnetz durchgängig im Halbstundentakt
zu bedienen. Innenstadtbereiche sollten
auf einen Viertelstundentakt verstärkt
werden.
Für die übrigen Nächte sind im Rahmen
der Umgestaltung des Nachtnetzes dann
auch dort, wo dies zur Zeit noch nicht der
Fall ist, Buslinien vorzusehen, die dem Verlauf
der U-Bahn soweit möglich folgen, so
daß möglichst wenig Anpassungen des
übrigen Netzes nötig werden. Mit einem
Nachtangebot, das zu den Zeiten starker
Nachfrage auch vermehrt auf den Schienenverkehr
setzt, werden nicht zuletzt
auch die Kapazitäten für ein weiteres
Wachstum der Nachfrage in diesem Bereich
geschaffen.
Die U-Bahn auch in den übrigen Nächten
zu betreiben, findet nicht die Unterstützung
der IGEB. Das hat vor allem zwei
Gründe. Zum einen kann die U-Bahn die
Betriebspausen für notwendige Instandsetzungen
nutzen, die sonst zu längeren
Betriebsunterbrechungen auch am Tage
führen würden. Zum anderen würde in
„normalen" Nächten die U-Bahn bei weitem
nicht so stark ausgelastet sein, was
dann Kosten- und Sicherheitsfragen aufwirft.
Notwendige Ergänzungen
im Nachtnetz
Darüber hinaus sollte endlich auch eine
Nachtbusverbindung zwischen den
Fusionsbezirken Mitte und Tiergarten
(Moabit) eingerichtet werden. Während
mit den drei Nachtlinien N9, N26 und N27
ein üppiges Angebot zwischen Moabit
und der City-West besteht, gibt es nachts
nach wie vor keine Verbindung zwischen
Moabit und der City-Ost.
Die IGEB schlägt daher die Verlängerungen
der Nachtlinie N 58 vom Hackeschen
Markt über Oranienburger Straße,
Invalidenstraße, Alt-Moabit, Turmstraße
und eventuell weiter im Zuge der Nachtlinie
N 41 bis zum Luisenplatz vor. IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
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