|
Während sich Landes- und Bundespolitiker
in Verlautbarungen ständig für den Erhalt
und die Stärkung des ÖPNV stark machen,
um dem weiterhin anwachsenden Autoverkehr
mit seinen bekannten negativen Auswirkungen
wenigstens etwas Einhalt zu gebieten,
wird real eben von diesen Politikern
genau der gegenteilige Weg beschritten.
Massive Kürzungen von Landeszuschüssen,
geschickt verschleiert in Verschiebungen der
Verantwortung von Landes- auf Kreisebene,
läuteten zum Fahrplanwechsel im Mai 2000
das schleichende „Aus" des Linienbusverkehrs
im Land Brandenburg ein. Zusätzlich
wird jede Kreis- und erst Recht die Landesgrenze
nach Berlin ein für den ÖPNV unüberwindbares
Hindernis, wenn jeder Regionalpolitiker
beim Einsatz der knappen
Mittel nur sein Zuständigkeitsgebiet sieht.
|
Umsteigeknotenpunkt in Teltow ist die Haltestelle Warthestraße. Sollte man jedoch hier den Bus verpassen, ist außerhalb der Hauptverkehrszeit mit Wartezeiten zwischen 30 und 60 Minuten zu rechnen. Foto: Klaus-Jürgen Ulbrich |
|
Eine solche Haltung verkennt, daß ein Verkehrsangebot
nur „grenzübergreifend"
wirken kann, und bei einer Beschränkung
auf nur einen Kreis oder Landesgebiet seinen
eigentlichen Sinn nicht entfalteten
kann. In dieser Folge zehren Mittelkürzungen
in Millionenhöhe Buslinien endgültig
aus und lassen sie bis zu Einzelfahrtangeboten
anstelle von Taktfolgen sinken. Jahrzehntelang
gut genutzte Straßenbahn-Unternehmen
leben nun von der Hand in
den Mund und stehen, wie die Strausberger
Eisenbahn oder die Schöneicher-Rüdersdorfer
Straßenbahn, vielleicht kurz vor dem
endgültigen Ende.
Die Politik der Landesregierung von Brandenburg
führt dazu, daß lediglich die Bahnhauptstrecken
in der Verbindung von, nach
und durch Berlin gestärkt werden, alles andere
wird faktisch mit Ausnahme des Schulbusverkehrs
immer mehr zusammengestrichen
- unabhängig davon, was in denjeweiligen
Nahverkehrsplänen beschlossen
wurde. So richtig die Stärkung der Bahn
auch ist, sie führt durch die Auszehrung der
Zubringerverkehre zu eben diesen Bahn-Hauptstrecken
(auf das Gesamtangebot des
öffentlichen Verkehrs bezogen) leider nicht
zu den erhofften Erfolgen.
Bewohner von in Berliner Stadtnähe liegenden
Orten, wie zum Beispiel der Siedlung
Fuchsberge bei Mahlow, haben zwar
eine gute S-Bahn-Anbindung zum Bahnhof
Mahlow. Sie kommen von dort künftig an
den Wochenenden nicht mehr zu ihrer etwa
zwei Kilometer entfernten Wohnsiedlung,
weil die Linie 602 (bisheriger Wochenendtakt
alle drei Stunden!) dann überhaupt nicht
mehr fährt. Diese Situation ist faktisch in
allen Berliner Umlandgemeinden so, die
häufig eine große Flächenausdehnung haben.
Es sind aber auch genau die Orte, die
den höchsten Einwohnerzuwachs zumeist
ehemaliger Berliner registrieren, die auch
nach Ihrem Umzug eine Verkehrsverbindung
in die Hauptstadt benötigen. Faktisch
bleibt diesen Menschen gar nichts anderes
übrig, als den eigenen Pkw zu nutzen, so
daß bei mehrköpfigen Familien inzwischen
zwei und mehr Pkw je Haushalt üblich sind.
Wer sich einen derartigen Fuhrpark halten
muß, fährt damit und steigt nicht einmal bei
Werkstatt-Terminen auf den ÖPNV um, auch
wenn dieser in bestimmten Zeiten dann
Fahrten anbietet. Die Busse bleiben leer, und
wegen mangelnder Benutzung werden die
Linien dann gänzlich eingestellt.
Negativ abgerundet wird das Bild, indem
statt günstiger Tarife (insbesondere im C-Bereich)
überproportionale Erhöhungen stattfinden,
um mit vermeintlich höheren Einnahmen
dem Kollaps zu entgehen. Das bedeutet,
daß man Kunden gewinnen will, indem
man einem hohen Fahrpreis ein verringertes
Angebot oder gar ein „Null"angebot
gegenüberstellt.
Berlin als Vorbild?
|
Der dichte Busverkehr am Kleinmachnower OdF-Platz täuscht. Für den Kleinbus (links) auf der Linie 620 ist nach der letzten Fahrt um 17.53 Uhr bereits Feierabend. Foto: Klaus-Jürgen Ulbrich |
|
Ein Ausweg aus dem Dilemma bietet nur ein
verkehrspolitisch eindeutiges Signal zur
Angebotsverbesserung und bewußten Bevorzugung
des ÖPNV, was mit entsprechendem
Werbeaufwand einhergehen muß, um
weite Bevölkerungsteile überhaupt erst wieder
auf die Existenz eines ÖPNV aufmerksam
zu machen. Es ist auch notwendig, ein Bedienungskonzept
mit in regelmäßigen Takten
verkehrenden Linien anzustreben, anstelle
viele verschiedene Wegstrecken bedienende
Linienführungen, die auf einer Karte
zwar nach einem dichten Busangebot aussehen,
es aber tatsächlich nicht sind. Häufig
handelt es sich bei vielen Linien lediglich
um Einzelfahrten, wie zum Beispiel bei den
Linien 603 oder 628. In den direkt an das
Berliner Stadtgebiet angrenzenden Gebieten,
wie zum Beispiel dem Siedlungsbereich
in Kleinmachnow/Teltow/Stahnsdorf, die
eine vergleichsweise hohe Besiedlungs- und
Arbeitsplatzdichte und damit ein großes
Fahrgastpotential aufweisen, sollte zumindest
für die wichtigsten Linien das auch in
Berlin übliche Grundangebot eines 20-Minuten-Taktes
zwischen ca. 5 Uhr und Mitternacht
an allen Wochentagen eingeführt
werden.
Neuordnung des Liniennetzes im
südlichen Berliner Umland
Als Beispiel wird hier das Gebiet zwischen
Stahnsdorf und Schönefeld herausgegriffen
und eine mögliche Neuordnung des Liniennetzes
aufgezeigt. Kleinmachnow, Teltow
sowie Teile von Stahnsdorf sollten durch
zwei im durchgehenden 20-Minuten-Takt
verkehrende Buslinien erschlossen werden.
Die Linien 623 und 629 sollten die Verbindung
zu den angrenzenden Berliner Schnellbahnhöfen
sowie zu den Zehlendorfer und
Teltower Ortszentren herstellen.
Die Linie 629 sollte danach über den
unmittelbar an Berlin grenzenden Teltower
Ortsteil Seehof wieder nach Berlin fahren
und die Verbindung zum S-Bahnhof Lichterfelde
Ost herstellen. Die bisher hier verkehrende
Linie 184, die durch die im Raum Teltow
im Berufsverkehr auftretenden Staus
ihre Verspätung bis in die Berliner Innenstadt
„schleppt", kann dann natürlich entsprechend
zurückgezogen werden. Die Linie
623 sollte sich nach der Durchquerung von
Teltow an der Iserstraße in drei Äste teilen,
die schwächer besiedelten Ortsgebiete im
Stundentakt bedienen und in Ruhlsdorf,
Güterfelde und in Stahnsdorf, Bahnhofstraße
enden. Das Kleinmachnower Gemeindeamt,
die Siedlung Dreilinden sowie
der Europarc werden wie bisher mit der vom
S-Bahnhof Wannsee kommenden und ggf.
mit Kleinbussen verkehrende Linie 620 erschlossen,
die planmäßige Anschlüsse zur
Linie 629 an der Förster-Funke-Allee, sowie
an die Linie 623 am Meiereifeld aufweisen
sollte. Im dünnbesiedelten Schleusenweg
und in der Rudolf-Breitscheid-Straße wäre
eine stündliche Bedienung akzeptabel. Hier
bietet sich an, die bereits heute teilweise mit
wechselnden Endzielen verkehrende Linie
115 im Stundentakt von Düppel kommend
über OdF-Platz zur Machnower Schleuse zu
führen.
Die jetzige, vom S-Bahnhof Zehlendorf
kommende Linie 217, die heutzutage vielfach
eher eine Verstärkerlinie zum 110er ist
und mit vielen Kursen an der Andreezeile,
kurz vor der Stadtgrenze endet, sollte in der
Linie 621 aufgehen. Die Linie sollte von Zehlendorf
bis Teltow, Ruhlsdorfer Platz alle
20 Minuten verkehren, weiter bis Ruhlsdorf
alle 20/40 Minuten und zum Endziel nach
Ludwigsfelde alle 60 Minuten.
Abgerundet wird das Netz durch die im
20-Minuten-Takt aus Potsdam kommende
Linie 601, die sich nach dem Durchfahren
der Zentren von Stahnsdorf und Teltow in
drei dann stündlich verkehrende Äste teilen
sollte. Zielpunkte wären unverändert die
Siedlung Sigridshorst, der S-Bahnhof Buckower
Chaussee mit einer neuen Verbindung
über Heinersdorf nach Marienfelde und zum
Berliner S-Bahn-Netz, sowie der S-Bahnhof
Mahlow, der nach einer Fahrt durch das
neue Gewerbegebiet von Großbeeren, dann
über den bislang fast gar nicht erschlossenen
Ort Kleinbeeren, einer Stichfahrt nach
Birkholz und der anschließenden Durchquerung
des Mahlower Ortsteiles Waldblick, erreicht
wird. Für die Bedienung des Ortsverkehrs
in Mahlow bietet sich die stündlich
verkehrende, bereits existierende Linie 602
an, die allerdings schon vom Berliner S-Bahnhof
Lichtenrade kommen und über die
Siedlung Waldblick zum S-Bahnhof Mahlow
fahren sollte, dort ggf. den Anschluß der
aus Berlin kommenden S-Bahn abwarten
müßte, um dann über die Siedlung Fuchsberg,
die Orte Glasow und Selchow und mit
einem Schlenker durch die Ortsmitte von
Waßmannsdorf zum S-Bahnhof Schönefeld
zu fahren.
Weiterhin sollte vom S-Bahnhof Mahlow
die Ortslinie 793 verkehren, deren Aufgabe
es ist, in zwei getrennten Linienästen von
und zum Anschluß an die S-Bahn die weitläufigen
Ortsgebiete von Mahlow und Blankenfelde
zu erschließen. Zu erwähnen wäre,
daß es diese Linie neuerdings ab S-Bahnhof
Blankenfelde tatsächlich schon gibt und daß
sie das Ortsgebiet von Blankenfelde bedient.
Leider kann ein Ortsunkundiger aus den
Fahrplanaushängen am Regionalbahnhof
Blankenfelde nicht entnehmen, welche
Linienführung hier gefahren wird. Die
Taktfolge ist je nach Tageszeit unterschiedlich
und reicht vom Stundentakt am Vormittag
bis zu einem 20-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit.
Dieses grundsätzlich richtige
Angebot leidet unter der altbekannten Tatsache,
daß dieser Busfahrplan nur montags
bis freitags gilt. Sonnabends, sonn- und feiertags
gibt es auch hier gar kein Angebot an
Fahrmöglichkeiten.
Das der hier vorgestellten Konzeption zugrunde
liegende Modell geht von einer täglichen
stündlichen Taktfolge beider Linienäste
aus und schließt eine Verdichtung in
der Hauptverkehrszeit nicht aus.
Die von drei Seiten von Berliner Stadtgebiet
umschlosenen Orte Groß- und Kleinziethen
sollten von der in Nord-Süd-Richtung
verlaufenden Linie 736 (wie auch schon
heute) und der in West-Ost-Richtung verlaufenden
Linie 737 vom S-Bahnhof Schichauweg
zum U-Bahnhof Rudow erschlossen
werden. In Großziethen, Rudower Straße ist
eine Anschlußsicherung der Linien einzuplanen,
die beide im Stundentakt verkehren
sollten.
Abends reicht oft ein Rufbus
|
Alle Stunde ist eine idyllische Fahrt über Märkische Alleen mit der Linie 602 zwischen Teltow und Mahlow möglich. Es sei denn, man möchte am Wochenende reisen, dann ist Laufen oder eine längere Wartezeit bis Montag früh angesagt... Foto: Klaus-Jürgen Ulbrich |
|
Der genannte Bedienungsstandard sollte
grundsätzlich täglich gelten und auch die
Abendstunden bis ca. 0 Uhr einschließen. In
den Schwachverkehrszeiten sollte über den
Einsatz von Kleinbussen oder ggf. auch von
Sammeltaxen mit Haustürservice nachgedacht
werden. Wichtig für die Gesamtkonzeption
ist das ständige Angebot, ausdrücklich
auch zu verkehrsschwachen Zeiten. Bei
Ortserschließungslinien, wie zum Beispiel
der Linie 793, wäre in der Schwachverkehrszeit
auch eine Rufbusbedienung denkbar.
Die hier angebotene Konzeption lehnt
sich weitgehend an das vorhandene Liniennetz
an und ist nicht als allein mögliche
Variante zu betrachten. Zweifellos sind auch
andere Linienführungen denkbar. Gleichwohl
soll diese Linienkonzeption als Möglichkeit
dienen, Bewohnern des unmittelbaren
Berliner Umlandes ein Angebot von
Nahverkehrsleistungen anzubieten, das viele
Menschen überhaupt erst erwägen läßt,
ÖPNV-Leistungen anstelle des Individualverkehrs
in Anspruch zu nehmen. Klar ist -
daß neben dem Werbeaufwand ein Zeitraum
von mindestens einem Jahreinzuplanen
ist um eine reale Steigerung des Fahrgastaufkommens
zu erzielen.
Tut man jedoch nichts, ist mittelfristig das
Ende des OPNV außerhalb der Berliner und
Potsdamer Stadtgrenzen vorprogrammiert
mit der weiteren Folge, daß RE- sowie
S-Bahn-Linien ins Umland nur einen eingeschränkten
Erfolg haben werden, da die
Anschlüsse zu den teilweise entfernt von
Siedlungsgebieten liegenden Bahnhöfen
fehlen. Ein Problem übrigens, das weite Teile
des Landes Brandenburg betrifft und daher
auch andernorts zu einer grundlegenden Veränderung
des ÖPNVAngebotes führen sollte,
wobei natürlich den regional sehr unterschiedlichen
Siedlungsdichten Rechnung
getragen werden muß. Sollten diepolitischen
Bekenntnisse zur Förderung des ÖPNV keine
populistischen Sprüche sein, ist eine
Angebotsverbesserung nach hier aufgezeigtem
Muster zwingend. IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
|