|
Jedoch: Keine Straßenbahn, nirgends. Der
einsetzende Berufsverkehr - es ist kurz nach
16 Uhr - spült immer neue Menschentrauben
aus den Kellern der U-Bahnsteige ins
Licht der Straßenbahnhaltestelle. Die Menge
ist binnen weniger Minuten auf etwa
hundert Personen angewachsen. Nur die
Straßenbahn fehlt weiter - unentschuldigt.
Nach nur zehn Minuten Warterei knackt
es plötzlich in irgendwelchen Lautsprechern
und eine Stimme im besten BVG-Feldwebelton
dröhnt über den Alexanderplatz. Nur
geübten Gästen des Dienstleistungsunterehmens
BVG gelingt es, der Kasernenhofurchsage
einen Sinn zu entnehmen. Wer
daran geschult war, die einst oft gehörte
Lautfolge „...ückblei'm!" zu entschlüsseln,
der weiß jetzt, daß aus technischen Gründen
der Straßenbahnverkehr zur Zeit unterbrochen
sei und man die „werten Fahrgäste"
um Verständnis bitte.
|
Lautsprecher (Bildmitte oben) an der Straßenbahnhaltestelle Alexanderplatz. Foto: Alexander Frenzel, Oktober 2000 |
|
Gibt's nicht? Gibt's doch! Was wie ein
düsteres Märchen aus der Steinzeit des
ÖPNV anmutet, ist im Berlin des 21. Jahrhunderts
traurige Realität: Das mit vielen
Erwartungen und unter langen Geburtswehen
einsatzreif gemachte rechnergestützte
Betriebsleitsystem (RBL) war dem Publikum
unter anderem damit schmackhaft gemacht
worden, daß es bald möglich sei, den Fahrgästen
bei Betriebs- und sonstigen Störungen
schriftliche, verständliche und vor allem
aktuelle Informationen zukommen zu lassen.
Nur, plötzlich war das Geld alle. Die BVG
meint, einen zweistelligen Millionenbetrag
nicht ausgeben zu können, um die inzwischen
geschaffene Infrastruktur dem Kunden
nutzbar zu machen. Nicht nur an den
zentralen Umsteigeknoten im Straßenbahnnetz
fehlen die noch 1998 in diversen Hochglanzbroschüren
angekündigten Info-Tafeln
weiterhin, auch die normalen Haltestellen
an der Peripherie müssen auf Fahrgastinformation
verzichten - zumindest wenn sie dynamischer
als ein zwei Monate alter Aushang
sein soll.
Dieser für den größten Straßenbahnbetrieb
Deutschlands beschämende Zustand
soll sich vorerst auch nicht ändern. Um
wenigstens an der wichtigsten Haltestelle in
Berlins Mitte für Abhilfe zu sorgen, hat sich
die BVG die oben beschriebene Klingeldraht-Lösung
ausgedacht. Somit kommen wir
wieder - nachdem sie auf den U-Bahnhöfen
abgeschafft wurden - in den Genuß der
weitgehend informationsfreien und unverständlichen
Durchsagen, die wir eigentlich
nicht vermißt hatten.
Der angebliche Geldmangel, der die Ausstattung
der Haltestellen (übrigens: wie
steht es eigentlich um den Unternehmensbereich
Bus?) mit zeitgemäßen Informationsmitteln
verhindert, wirkt vor dem Hintergrund
um so empörender, da Senat und
BVG zur Zeit planen, mit einem Aufwand
von 150 Millionen DM (und das ist nur die
Anfangssumme) die U-Bahnhöfe zum Schaden
der Fahrgäste mit Sperren zu verbarrikadieren.
Daran sieht man mal wieder deutlich,
daß die Prioritäten in Berlin immer noch
nicht zum Nutzen der Kunden gesetzt werden,
sondern vielmehr mit fragwürdigen Argumenten
Geld verpulvert werden soll.
Während die Fahrgäste im Ungewissen
stehengelassen werden, investiert man lieber
in die Vergrößerung des Betriebsdefizites,
ohne einen greifbaren Erfolg erzielen zu
können. Denn wer glaubt denn ernsthaft,
daß die vielbeschworenen Kriminellen, denen
man den Zugang verwehren will, in Ihren
„Geschäftskosten" keine Fahrkarte (als
Bahnsteigkarte) berücksichtigen können?
Im Gegenteil: sind die Bahnhöfe erst einmal
mit Sperren „gesichert", dann brauchen sie
sich gar keine Sorgen mehr um Kontrollen
durch BVG-Personal zu machen.
Gleichwohl werden die Sperranlagen Unsummen
im Unterhalt verschlingen. Wir finden,
dieses Geld wäre sinnvoller in der Fahrgastinformation
angelegt. IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
|