Für Ärger sorgt der seit etwa einem Jahr anhaltende
Wagenmangel, der durch mangelnde
Fahrzeugwartung bei den Doppeldeckern
hervorgerufen wurde. Dutzendweise
mußten im letzten Jahr ältere Doppeldecker
wegen Korrosionsschäden aus dem Verkehr
gezogen werden. Als Ersatz werden in
der Regel 12-Meter-Standard-Eindecker eingesetzt
- nicht nur in Hauptverkehrszeiten
führt das zu unhaltbaren Zuständen.
Waren Ende 1991 bei BVG und BVB 1.537
Doppeldecker und Gelenkbusse vorhanden
(fast 3A des damaligen Gesamtfahrzeugbestandes),
so hat sich der Bestand der „großen"
bis Ende 2000 überproportional auf
825 reduziert, so daß Doppeldecker und Gelenkbusse
einen Anteil von 58 Prozent haben.
Besonders ging der Anteil der Doppeldecker
auf unter 40 Prozent zurück. Hier
sind die ca. 50 zur Zeit wegen Korrosionschäden
abgestellten Doppeldecker jeweils
mitgerechnet. Seit sechs Jahren wurden
keine neuen Doppeldecker beschafft.
Grund für die Reduzierung des Bestandes
großer Fahrzeuge und insbesondere der
Doppeldecker sind natürlich die Finanzen.
Vor allem die deutlich höheren Anschaffungskosten
haben die BVG in den letzten
Jahren bewogen, immer kleinere Busse anzuschaffen.
Auch die verstärkte Beschaffung
der dreiachsigen 15-Meter-Busse, die
inzwischen auf einigen Linien als Ersatz für
die (18 Meter langen) Gelenkbusse eingesetztwerden,
sind Teil des (Spar-)Konzeptes.
Immer mehr Eindecker mit
immer weniger Sitzplätzen
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Abfahrender 148er am S- und U-Bahnhof Rathaus Steglitz. Busfahren wird zum Ärgernis und zur Qual. Auch die Verkehrssicherheit wohl bei solchen Zuständen nicht mehr gewährleistet! Foto: Klaus-Jürgen Ulbrich, Juni 2001 |
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Mit dem zurückgehenden Doppeldecker-Anteil
werden auch die Sitzplätze weniger.
Die Doppeldecker weisen bis zu 80 Sitzplätze
bei einer (auch erreichbaren) Gesamtkapazität
von ca. 90 Plätzen auf. Die 18-Meter-Gelenkbusse
haben bei 50 Sitzplätzen eine
rechnerische Gesamtplatzzahl von maximal
150 Plätzen; in der Praxis finden aber bestenfalls
soviel Fahrgäste wie im Doppeldecker
Platz. Die Standard-Eindecker, deren
Anteil sich seit 1991 von 27 auf heute 38
Prozent erhöht hat, weisen maximal 35 Sitzplätze
auf, aber schon bei weniger als der
Hälfte der zugelassenen 70 stehenden Fahrgäste
entsteht eine unerträgliche Enge und
der Fahrgastwechsel ist nur eingeschränkt
möglich. Und so vorteilhaft die Niederflurfahrzeugtechnik
für die Fahrgäste ist: Sie
führte bei den Standard-Eindeckern zur Reduzierung
des ohnehin schon niedrigen
Sitzplatzanteils. Die neuesten Fahrzeuge
weisen nur noch 30 Sitzplätze auf - und
davon sind einige im hinteren Wagenteil
nur mit Kletterpartien zu erreichen.
Daß ein Sitzplatz ein entscheidendes Kriterium
für die Benutzung ist, hat auch der
Senat festgestellt. Im Entwurf des neuen
Nahverkehrsplanes steht, daß Fahrgäste ab
einer Reisezeit von zehn Minuten einen Sitzplatzanspruch
haben. Daß im Busverkehr
mit seinen permanenten Beschleunigungen
ein Stehplatz nicht nur eine Komforteinschränkung,
sondern für viele Fahrgäste ein
Sicherheitsrisiko darstellt, darf nicht unbeachtet
bleiben.
Insofern muß die BVG die Beschaffungspolitik
ändern. Nicht nur aus historischen
oder touristischen Gründen, sondern vor allem
wegen des hohen Anteils von Busfahrgästen,
die auch längere Strecken mit dem
Bus zurücklegen, ist der Doppeldecker mit
seinem unschlagbar hohen Sitzplatzanteil
auch zukünftig unverzichtbar. Aus Sicht des
Berliner Fahrgastverbandes hat sich der zuletzt
beschaffte und extra für die BVG entwickelte
dreitürige Doppeldecker vom Typ
DN sehr bewährt und sollte Grundlage für
die zügige (!) Beschaffung einer neuen Fahrzeugserie
sein. Es wäre auch nichts einzuwenden
gegen die vom Direktor des BVG-Unternehmensbereiches
Omnibus im
Herbst 2000 angekündigte Beschaffung
von dreiachsigen Doppeldeckern mit einer
Länge von 13,7 Meter und einer Kapazität
von 130 Plätzen. Aktuell wurden aber nur
Standard- und 15- Meter-Eindecker zur Beschaffung
ausgeschrieben.
Derzeit setzt die BVG auf die Wagenkastensanierung
selbst bei bis zu 13 Jahre alten
Doppeldeckern vom Typ „D". Sie sollen
somit noch bis zu acht weitere (!) Jahre im
Einsatz bleiben. Aber bis die wegen technischer
Mängel abgestellten und dringend
benötigten Doppeldecker eingesetzt werden
können, werden wegen der beschränkten
Kapazität der BVG-eigenen Werkstatt in
der Uferstraße noch Monate vergehen.
BVG verwaltet den
Doppeldecker-Mangel
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Solche Beförderungsqualität ist mittlerweile auf der Linie 148 der Regelfall. Foto: Klaus-Jürgen Ulbrich, Juni 2001 |
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Vor dem Hintergrund des weiterhin anhaltenden
Doppeldecker-Mangels ist es um so
notwendiger, daß der Fahrzeugeinsatz der
tatsächlichen Nachfrage angepaßt wird. Es
ist unverständlich, daß zum Beispiel auf
wenig stark frequentierten Linien, wie 140
oder 341, Doppeldecker eingesetzt werden,
während auf stark ausgelasteten Linien, wie
129, 148 oder 186, regelmäßig einzelne
Umläufe nur mit 12-Meter-Eindeckern bestückt
werden. Daß die BVG seit einem Jahr
nicht in der Lage ist, mit Fahrzeugumdisponierungen
auf die Veränderungen zu reagieren,
ist mehr als ein Armutszeugnis.
Es ist den BVG-Managern offenbar nicht
bewußt, welche Szenen sich regelmäßig vor
ihrer Haustür am Kleistpark in einem als Eindecker
fahrenden 148er abspielen: Mit wenig
mehr als 50 Fahrgästen geht im Eindecker
nichts mehr vor und zurück, ältere Fahrgäste
trauen sich nicht erst rein, weil sie
vielleicht nicht mehr rauskommen, die Haltestellenaufenthalte
verlängern sich, erhebliche
Verspätungen sind die Folge.
Ein anderes
alltägliches Beispiel
Ein sonst als Doppeldecker verkehrender
Bus der Linie 177 wird als Eindecker gefahren.
Der an der Waldsassener Straße pünktlich
gestartete Bus ist vor dem S-Bahnhof
Marienfelde mit 50 bis 60 Personen besetzt.
Eine Frau mit Kinderwagen kommt nicht in
den überfüllten Bus. Wegen des kleinen
Fahrzeugs verspätet er sich bis S-Bahnhof
Marienfelde um ca. 5 Minuten. Die Anschluß-S-Bahn
ist weg, nochmal 10 Minuten
warten. Sollte dieses Beispiel jetzt die
Regel werden, wird nicht nur die BVG, sondern
auch die S-Bahn-Fahrgäste verlieren.
Es ist hinsichtlich des Fahrzeugeinsatzes
nicht ausreichend, nur die Kostenseite (Anschaffungs- und
Betriebskosten) zu betrachten.
Vielmehr ist auch die Berücksichtigung
der Ertragsseite erforderlich. Ist es
für die BVG sinnvoll, durch den Einsatz kleinerer
Fahrzeuge eine Aufwandsreduzierung
um beispielsweise 10 Prozent herbeizuführen,
wenn dafür 20 Prozent der Fahrgäste
wegbleiben oder verärgert werden? IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
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