Berlin

Kritische Anmerkungen zur RBL-Technik bei den BVG-Bussen

Seit etwa einem Jahr wird bei der BVG im Bereich Bus die RBL-Technik (Rechnergestütztes Betriebsleitsystem) schrittweise eingeführt.

Im Berliner Busnetz kann man auf keine Standardsoftware zurückgreifen. Die Umstellungsphase ist schrittweise durchzuführen und mit Umstellungsproblemen ist zu rechnen. Und die Ausrüstung des Wagenparks mit neuen den Funkgeräten nimmt viel Zeit in Anspruch.

Mit der Entscheidung für ein technisch anderes RBL-System als bei U- und Straßenbahn beging man - zumindest aus Fahrgastsicht - den ersten gravierenden Fehler: Anschlußsicherung zwischen den BVG-Schienenverkehrsmitteln und den BVG-Bussen wird mit der neu erfundenen Technik bis auf weiteres nicht möglich sein! Stattdessen entschied man sich für ein System, daß für die BVG neu entwickelt werden mußte und dem neusten Stand der Technik entsprechen sollte. Insofern ist die Erwartung der Fahrgäste an das neue RBL ohnehin schon niedrig. Aber daß die Einführung des RBL den Fahrgästen (und auch dem Personal) nun seit Monaten gravierende Nachteile bringt, damit haben wir nicht gerechnet.

Umstellungsprobleme nicht im Griff

Bus
Ein hier korrekt als Betriebsfahrt ausgeschilderter Bus der Linie 285 nach dem Absetzen der Fahrgäste am Rathaus Steglitz. Streß für Fahrgäste und Fahrpersonal ist dagegen sicher, wenn eine fahrplanmäßige Linienfahrt mit dieser Beschilderung durchgeführt wird. Foto: Klaus-Jürgen Ulbrich, Juni 2001
Schon beim IGEB-Sprechtag für Bus-Fahrgäste im Oktober 2000 kam es zu massiven Protesten über falsche und fehlende Anzeigen in den Bussen sowie über zunehmende verpaßte Anschlüsse an Anschlußsicherungspunkten im Spät- und Nachtverkehr. BVG-Direktor Lawerentz gab der Kritik recht, verwies aber darauf, daß es sich um Umstellungsprobleme handelt, diese aber den zuständigen Stellen bekannt seien und man an der Lösung arbeite. Es sei also nur eine Frage der Zeit, bis das System funktioniere. Die BVG arbeite an Maßnahmen, die auftretenden Schwierigkeiten für den Fahrgast in den Griff zu bekommen. So seien zum Beispiel die wichtigen Anschlußsicherungen im Spät- und Nachtverkehr auf jeden Fall gesichert (vergleiche SIGNAL 9-10/2000 ).

Es ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. An der Sachlage hat sich nur geändert, daß es nun wohl mehrere neue Versionen des RBL-Systems gibt. Aber nach wie vor funktioniert es nicht nicht richtig.

Dem Fahrgast fällt auf, daß es die fehlerhaften Haltestellenanzeigen nach immer noch gibt und - was weitaus schlimmer ist - die Anschlußsicherheit im Spät- und Nachtverkehr eher schlechter geworden ist. Verantwortlich dafür ist ein grundsätzlicher Planungsfehler für die RBL-Umstellungsphase: Alle auf die neue RBL-Technik umgerüsteten Fahrzeuge arbeiten mit digitaler Technik und sind mit den noch herkömmlich arbeitenden analogen System nicht kompatibel, daß heißt die Busfahrer können nicht mehr untereinander sprechen. Auch die Funkleitstelle ist geteilt in analoge und digitale Kanäle mit der Folge, daß nach jeweiliger technischer Ausstattung des Busses für ein und dieselbe Linie verschiedene Disponenten zuständig sind. Gäbe es auch in bereits auf digitale Technik umgerüsteten Busse wenigstens noch die alten Funkgeräte, hätte man eine Rückfallebene, auf die alle Fahrzeuge bei Problemen mit der neuen Technik zurückgreifen könnten.

Schlechtere Anschlüsse durch RBL

Während sich früher an Anschlußsicherungspunkten alle Fahrer nach Ankunft bei der Leitstelle meldeten und erst nach mündlicher Freigabe durch die Leitstelle weiterfuhren, stellt sich die heutige Realität anders dar: Jetzt melden sich nur die eben zufällig mit analoger Technik ausgerüsteten Fahrzeuge mündlich an. Die mit digitaler Technik handeln nach Eigenbeobachtungen unterschiedlich. Einige versuchen sich wie früher anzumelden. Das klappt aber nur manchmal, weil die Leitstelle häufig einfach nicht erreichbar ist. Viele Fahrer versuchen es daher gar nicht und machen nichts. Theoretisch müßte die Leitstelle ja auch wissen, daß sie am Anschlußsicherungspunkt sind, da der Fahrzeugdisponent auf seinem Bildschirm den Standort des Fahrzeuges feststellen kann. Nur: tut er es? Einen Abfahrauftrag bekommt man nicht. Auf die Frage an einen Busfahrer, wann er denn losfährt, wenn er keinen mündlichen Abfahrauftrag erhält, bekommt man zur Antwort: „Na, wenn die anderen abfahren".

Busfahrerraum
Viel Technik derzeit wenig Sinn: Wenn jedes BVG-Verkehrsmittel sein eigenes Funknetz hat und diese untereinander nicht kompatibel sind, kann es keine zuverlässige Anschlußsicherung im Spät- und Nachtverkehr geben. Foto: Alexander Frenzel, Juni 2001

Andere widerum vertrauen offensichtlich voll und ganz der RBL-Technik. Sobald auf dem Busdisplay die fahrplanmäßige Abfahrzeit angezeigt wird, fährt man eben los, unabhängig davon ob andere in den Anschlußsicherungspunkt gehörende Busse schon da sind. Es kommt auch vor, daß Fahrzeuge völlig vergessen werden. Ein erheblich verspäteter 183er erreichte weder am S-Bahnhof Lankwitz noch am Rathaus Steglitz pünklich den Anschlußknoten. Man sollte meinen, daß die sichernde Leitstelle den Fahrer des Busses anfunkt und nach seinem Standort fragt, das war vor Einführung der RBL so üblich. Mit Erstaunen mußte man zur Kenntnis nehmen, daß sowohl in Lankwitz als auch in Steglitz die Weiterfahrt über Funk freigegeben wurde, ohne daß besagter Bus diese Punkte erreicht hatte und ohne daß er nach seinem Verbleib gefragt wurde. Bei derartig unüberschaubaren Verhältnissen ist es fast verwunderlich, daß zumindest ein erheblicher Teil der Anschlußbeziehungen noch klappt.

Leistelle: „Neu starten und beten"

Viel Frust bringt das neue RBL nicht nur den Fahrgästen, sondern auch die Fahrer werden in die Resignation getrieben: So versuchte ein Fahrer der Linie 110 fast eine halbe Stunde lang vergeblich die Leitstelle zu erreichen um sich nach Hilfe für eine ausgefallene Zielbeschilderung zu erkundigen. In dieser Zeit mußte er auf dem Weg vom Bahnhof Zoo bis Zehlendorf dabei nahezu an jeder Haltestelle den verunsicherten Fahrgästen erklären, daß der als „Betriebsfahrt" geschilderte Bus in Wirklichkeit doch der 110er sei. In Zehlendorf Eiche gelang dann der Kontakt und die Leitstelle gab den Rat, doch mal alles auszuschalten, den Wagen stromlos zu machen, ein Stoßgebet voranzuschicken und auf einen neuen Fahrtziel-Anzeigenstart zu hoffen ...

Auch nicht zur Beliebtheit beim Personal tragen die häufig irrwitzigen Zeitangaben des RBL-Systems bei. So ist es häufig, daß von einer Haltestelle zur nächsten aus einer Verfrühung von drei Minuten eine Verspätung von fünf Minuten wird oder plötzlich Verspätungen von über dreißig Minuten angezeigt werden. Es mag für die Fahrer beruhigend sein, wenn nach Rückfrage bei der Leitstelle in einer solchen Situation bescheinigt wird, daß die Anzeige dort auch so sei und dies nichts Außergewöhnliches sei, aber es trägt insgesamt nicht gerade zur Akzeptanz des Systems bei. Und die Hoffnung für die Fahrgäste, daß dem spezifischen BVG-Problem der zu früh fahrenden Busse mit Hilfe der RBL-Technik abgeholfen werden kann, scheint offenbar auch nicht erfüllt zu werden.

Gravierender jedoch sind die handfesten technischen Nachteile im RBL-System, unter denen die Kunden direkt zu leiden haben: Während es im analogen Funkbetrieb möglich ist, den Umsteigewunsch eines Fahrgastes dem direkt vor einem fahrenden Kollegen formlos und unkonventionell mitzuteilen, ist das mit neuer Technik alles nicht mehr so einfach. Zunächst muß man dicht auffahren um dessen Fahrzeugnummer zu erkennen, eine Gelegenheit haben anzuhalten und die Haltestellenbremse zu ziehen, danach die Wagennummer anwählen und die Reaktion des angewählten abwarten. Bis dies vollzogen ist, dürfte sich der Umsteigewunsch erledigt haben. Nachteilig ist, daß ein Funkkontakt zur Straßenbahn wegen unterschiedlicher Systeme überhaupt nicht mehr möglich ist. War dies bisher zwar auch nicht üblich, gab es jedoch sehr engagierte Kollegen aus dem Busbereich, die im Nachtverkehr manche Anschlußsicherung ermöglicht haben, indem sie auf die Kanäle 21 und 22 umschalteten und mit dem Kollegen der Tram direkt sprachen.

Entschuldigung für die „mitfahrende Kollegin"

Auch das Wegdrücken einer falschen Haltestellenansage kann nur bei aus Sicherheitsgründen gezogener Haltestellenbremse erfolgen - mit der Folge ständiger Verwirrung bei Anzeigen und Durchsagen im Bus. Da die Streckendaten offensichtlich auch längerfristig nicht aktualisiert werden (können?), werden auch bei jahrelangen Umleitungen permanent Haltestellen angesagt die nicht angefahren werden, wie zum Beispiel bei der Linie 348 die Haltestelle Leipziger-/Wilhelmstraße. Da auch die Folgehaltestelle zumindest in Richtung Alexanderplatz (U-Bahnhof Mohrenstraße) lange Jahre nicht bedient wurde, gab es beim Wegdrücken der Durchsage beim Stand an der Haltestelle ein ständiges Hin und Her verschiedener Haltestellenbezeichnungen, die alle nicht stimmten und einen Informationswert hatten, der jeden auch halbwegs Ortskundigen verwirren könnte. Ihren Humor behaltende Busfahrer greifen dann schon mal selbst zum Mikrofon und entschuldigen sich für die etwas verwirrte mitfahrende Kollegin, die mit den Durchsagen hier immer durcheinander kommt und stellen mit zusätzlichen touristischen Erklärungen und real existierenden Anschlußbeziehungen wieder ein harmonisches Klima unter den Fahrgästen her. Aber jedem Fahrer liegt das eben nicht so ...

Bei Betrachtung all dieser Realitäten ist es ärgerlich, daß von offizieller Seite stets so getan wird, als ob man all diese Probleme voll im Griff habe und die Kritik ja gar nicht stimme. Wünschenswert wäre eine offene Haltung, die Probleme eingesteht und reale Lösungsmöglichkeiten kurzfristig umsetzt. Die jetzige Situation führt sowohl bei Fahrgästen wie auch beim Fahrpersonal zu viel Ärger, Frust und Zynismus.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 4/2001 (Juli-August 2001), Seite 13-14

 

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