Berlin

Sind Berlins U-Bahnhöfe in guten Händen?

Diese Frage drängt sich auf, wenn man sich durch den sehr umfangreichen Artikel im letzten Signal zum Thema Denkmalschutzvereinbarung zwischen Landesdenkmalamt und BVG gearbeitet hat.

Mit fast beamtenmäßiger Akribie wird die „Grundsatzvereinbarung zur Regelung der Zusammenarbeit bei Umbauten und Grundinstandsetzungsmaßnahmen in denkmalgeschützten U-Bahnanlagen" seziert. Nun stellt sich die Frage, ob man dem Geist dieser Vereinbarung wirklich nahe kommt, wenn man die einzelnen Paragraphen derart uminterpretiert, dass letztendlich die gewünschte eigene "Denke" herauslesbar ist. Ebenso fragwürdig ist die Herangehensweise, das umfangreiche Anlagenwerk (109 Seiten) solange zu durchforsten, bis endlich unwesentliche Detailfehler gefunden werden.

Hier wird völlig die eigentliche Zielsetzung dieser Vereinbarung verkannt, wie sie am treffendsten in der Präambel definiert ist:

„Die Unterzeichner der Vereinbarung sehen sich der besonderen ästhetischen Qualität des Verkehrsmittels U-Bahn, die in der ganzheitlichen Gestaltung (Farb- und Formgebung) des historischen Bestandes, einschließlich der Informationssysteme, gegeben ist und dem damit verbundenen geschichtlichen Zeugniswert verpflichtet. Dies schließt notwendige Modernisierung und technische Anpassung nicht aus.

Mit dieser Vereinbarung wird den am Planungs- und Baugeschehen Beteiligten eine Richtlinie für Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren an die Hand gegeben, um gemeinsame am jeweiligen Bauwerk orientierte Zielstellungen zu definieren, Entscheidungsprozesse zu vereinheitlichen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen."

Alle weiteren Paragraphen und Anlagen regeln dann die Art der Zusammenarbeit und geben einen Überblick über das Schutzgut.

Tatsache ist, dass bereits seit Jahren die historischen Bahnanlagen möglichst denkmalgerecht instandgesetzt werden. Hierzu hat entscheidend die Aufnahme von 79 Bahnhöfen und diverser Streckenbauwerke in die Denkmalliste beigetragen.

U-Bahn Hochbahnviadukt
Rekonstruiertes Hochbahnviadukt am U-Bahnhof Warschauer Brücke. Foto: Alexander Frenzel

In der praktischen Umsetzung ergaben sich jedoch häufig Probleme, da jeweils mit 20 Unteren Denkmalbehörden gearbeitet wurde, deren Entscheidungen durch den jeweiligen Bearbeiter, zum Teil untereinander widersprüchlich, subjektiv bestimmt werden. Der durchaus vorhandene gute Wille der U-Bahn-Bauabteilung wurde durch manche Festlegungen ohne Rücksicht auf die Kosten des öfteren strapaziert. Mit der stärkeren Einbindung des Landesdenkmalamtes konnte hierbei eine Verstetigung der Abstimmungsprozesse erreicht werden, ohne die Zuständigkeit der Unteren Denkmalbehörden in Frage zu stellen.

Im Gegenzug verpflichtet sich die BVG, die historischen Bahnhöfe als Gesamtheit zu betrachten. Hierbei wird angestrebt, die verschiedenen Nutzer eines Bahnhofs derart zu koordinieren, dass kein unkontrolliertes Stilgemenge entsteht. Ebenso wird dem Erhalt des Bestehenden Vorrang vor Grunderneuerungen eingeräumt. Und genau hier liegt das Problem, das für Außenstehende vielfach nicht nachvollziehbar ist.

U-Bahn-Anlagen stellen kein begehbares Museum dar, welches von allen schädlichen Einflüssen verschont bleibt. Im Gegenteil: Schadhafte Isolierungen, aggressive Oberflächenwasser, Erschütterungen aus dem Zugbetrieb und nicht zuletzt der allgegenwärtige Vandalismus wirken mit hoher Intensität auf die Bauwerke ein.

Da die BVG als Betreiber gesetzlich verpflichtet ist, die Verkehrssicherheit der Bauwerke sicherzustellen, muss bei Bekanntwerden von Schadstellen gehandelt werden. Alle Baudenkmäler, vom Brandenburger Tor bis zum Kölner Dom, unterliegen ständigen Renovierungsmaßnahmen. Es ist schon erstaunlich, dass dieser physikalische Prozess den hochbelasteten Bahn-Bauwerken nicht zugestanden wird.

Fakt ist:

Bei allen unvermeidbaren Grunderneuerungen wird eine Wiederherstellung der historischen Gestaltung angestrebt. Beispiele hierfür sind unter anderem die Bahnhöfe Märkisches Museum, Deutsche-Oper, Bernauer Straße.

Zur Wiederherstellung der stadtbildprägenden Wirkung werden die typischen Grenander-Bögen (zum Teil in vereinfachten Formen) - wo städtebaulich möglich aufgestellt.

Auf dem Kreuzberger Teil der Hochbahn werden innovative Verfahren zur dauerhaften Sicherung der historischen Hochbahnkonstruktion umgesetzt. Auch Bahnhöfe neuerer Epochen werden möglichst stilecht renoviert, wobei die „Handschrift" des Architekten erhalten bzw. weiterentwickelt wird (zum Beispiel Fehrbelliner Platz).

Die vom Autor hochgeschätzten Scheußlichkeiten der 70er Jahre, wie zerbeulte Blechpaneele, Sperrholzdekorationen und Schummerbeleuchtung werden jedoch auch weiterhin durch dauerhafte Materialien ersetzt.

Welcher Stellenwert dem historischen Erbe durch die BVG eingeräumt wird, mag der Betrachter selbst beurteilen, wenn demnächst die Kuppel auf dem U-Bahnhof Nollendorfplatz wieder errichtet wird und die Fenster zur Spree im U-Bahnhof Spittelmarkt geöffnet werden.

Da U-Bahnhöfe kein Museum darstellen, sondern auch Anforderungen moderner Verkehrsanlagen entsprechen müssen, unterliegen Mobiliar, Informationssysteme und Beleuchtungselemente einem ständigen Wandel. Auch wenn hier eine Vereinheitlichung angestrebt wird, bleiben Belegexemplare an ausgewählten Örtlichkeiten erhalten.

Auf der Grundlage der Fakten kann nur festgestellt werden, dass der besagte Artikel eine äußerst einseitige Sicht der Dinge wiedergibt und das Engagement der an der Erhaltung der Bausubstanz Beteiligten der Denkmalämter und der BVG leider nicht erkannt wird.

BVG, Abteilung U-Bahn-Anlagen

aus SIGNAL 1/2002 (Februar/März 2002), Seite 18

 

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