Mit fast beamtenmäßiger Akribie wird die
„Grundsatzvereinbarung zur Regelung
der Zusammenarbeit bei Umbauten und
Grundinstandsetzungsmaßnahmen in
denkmalgeschützten U-Bahnanlagen"
seziert. Nun stellt sich die Frage, ob man
dem Geist dieser Vereinbarung wirklich
nahe kommt, wenn man die einzelnen
Paragraphen derart uminterpretiert, dass
letztendlich die gewünschte eigene "Denke"
herauslesbar ist. Ebenso fragwürdig
ist die Herangehensweise, das umfangreiche
Anlagenwerk (109 Seiten) solange zu
durchforsten, bis endlich unwesentliche
Detailfehler gefunden werden.
Hier wird völlig die eigentliche Zielsetzung
dieser Vereinbarung verkannt, wie
sie am treffendsten in der Präambel definiert
ist:
„Die Unterzeichner der Vereinbarung
sehen sich der besonderen ästhetischen
Qualität des Verkehrsmittels U-Bahn, die
in der ganzheitlichen Gestaltung (Farb- und
Formgebung) des historischen Bestandes,
einschließlich der Informationssysteme,
gegeben ist und dem damit verbundenen
geschichtlichen Zeugniswert
verpflichtet. Dies schließt notwendige
Modernisierung und technische Anpassung
nicht aus.
Mit dieser Vereinbarung wird den am
Planungs- und Baugeschehen Beteiligten
eine Richtlinie für Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren
an die Hand gegeben,
um gemeinsame am jeweiligen Bauwerk
orientierte Zielstellungen zu definieren,
Entscheidungsprozesse zu vereinheitlichen
und Genehmigungsverfahren zu
beschleunigen."
Alle weiteren Paragraphen und Anlagen
regeln dann die Art der Zusammenarbeit
und geben einen Überblick über
das Schutzgut.
Tatsache ist, dass bereits seit Jahren die historischen
Bahnanlagen möglichst denkmalgerecht
instandgesetzt werden. Hierzu
hat entscheidend die Aufnahme von 79
Bahnhöfen und diverser Streckenbauwerke
in die Denkmalliste beigetragen.
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Rekonstruiertes Hochbahnviadukt am U-Bahnhof Warschauer Brücke. Foto: Alexander Frenzel |
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In der praktischen Umsetzung ergaben
sich jedoch häufig Probleme, da jeweils
mit 20 Unteren Denkmalbehörden gearbeitet
wurde, deren Entscheidungen
durch den jeweiligen Bearbeiter, zum Teil
untereinander widersprüchlich, subjektiv
bestimmt werden. Der durchaus vorhandene
gute Wille der U-Bahn-Bauabteilung
wurde durch manche Festlegungen ohne
Rücksicht auf die Kosten des öfteren strapaziert.
Mit der stärkeren Einbindung des
Landesdenkmalamtes konnte hierbei eine
Verstetigung der Abstimmungsprozesse
erreicht werden, ohne die Zuständigkeit
der Unteren Denkmalbehörden in Frage
zu stellen.
Im Gegenzug verpflichtet sich die BVG,
die historischen Bahnhöfe als Gesamtheit
zu betrachten. Hierbei wird angestrebt,
die verschiedenen Nutzer eines Bahnhofs
derart zu koordinieren, dass kein unkontrolliertes
Stilgemenge entsteht. Ebenso
wird dem Erhalt des Bestehenden Vorrang
vor Grunderneuerungen eingeräumt.
Und genau hier liegt das Problem,
das für Außenstehende vielfach nicht
nachvollziehbar ist.
U-Bahn-Anlagen stellen kein begehbares
Museum dar, welches von allen schädlichen
Einflüssen verschont bleibt. Im Gegenteil:
Schadhafte Isolierungen, aggressive
Oberflächenwasser, Erschütterungen
aus dem Zugbetrieb und nicht zuletzt der
allgegenwärtige Vandalismus wirken mit
hoher Intensität auf die Bauwerke ein.
Da die BVG als Betreiber gesetzlich verpflichtet
ist, die Verkehrssicherheit der
Bauwerke sicherzustellen, muss bei Bekanntwerden
von Schadstellen gehandelt
werden. Alle Baudenkmäler, vom Brandenburger
Tor bis zum Kölner Dom, unterliegen
ständigen Renovierungsmaßnahmen.
Es ist schon erstaunlich, dass
dieser physikalische Prozess den hochbelasteten
Bahn-Bauwerken nicht zugestanden
wird.
Fakt ist:
Bei allen unvermeidbaren Grunderneuerungen
wird eine Wiederherstellung der
historischen Gestaltung angestrebt. Beispiele
hierfür sind unter anderem die
Bahnhöfe Märkisches Museum, Deutsche-Oper, Bernauer Straße.
Zur Wiederherstellung der stadtbildprägenden
Wirkung werden die typischen
Grenander-Bögen (zum Teil in vereinfachten
Formen) - wo städtebaulich möglich aufgestellt.
Auf dem Kreuzberger Teil der Hochbahn
werden innovative Verfahren zur
dauerhaften Sicherung der historischen
Hochbahnkonstruktion umgesetzt.
Auch Bahnhöfe neuerer Epochen werden
möglichst stilecht renoviert, wobei
die „Handschrift" des Architekten erhalten
bzw. weiterentwickelt wird (zum Beispiel
Fehrbelliner Platz).
Die vom Autor hochgeschätzten
Scheußlichkeiten der 70er Jahre, wie zerbeulte
Blechpaneele, Sperrholzdekorationen
und Schummerbeleuchtung werden
jedoch auch weiterhin durch dauerhafte
Materialien ersetzt.
Welcher Stellenwert dem historischen
Erbe durch die BVG eingeräumt wird,
mag der Betrachter selbst beurteilen,
wenn demnächst die Kuppel auf dem U-Bahnhof
Nollendorfplatz wieder errichtet
wird und die Fenster zur Spree im U-Bahnhof
Spittelmarkt geöffnet werden.
Da U-Bahnhöfe kein Museum darstellen,
sondern auch Anforderungen moderner
Verkehrsanlagen entsprechen müssen,
unterliegen Mobiliar, Informationssysteme
und Beleuchtungselemente einem
ständigen Wandel. Auch wenn hier eine
Vereinheitlichung angestrebt wird, bleiben
Belegexemplare an ausgewählten
Örtlichkeiten erhalten.
Auf der Grundlage der Fakten kann nur
festgestellt werden, dass der besagte Artikel
eine äußerst einseitige Sicht der Dinge
wiedergibt und das Engagement der
an der Erhaltung der Bausubstanz Beteiligten
der Denkmalämter und der BVG
leider nicht erkannt wird. BVG,
Abteilung U-Bahn-Anlagen
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