Brandenburg

Viele Fragen bei der Ausschreibung des Ostnetzes

Am Freitag, dem 21. Dezember 2001 erhielten verschiedene Eisenbahnunternehmen in Brandenburg die Unterlagen zur Ausschreibung von Teilen des Netzes östlich von Berlin-Lichtenberg. Am nächsten Tag berichteten verschiedene Zeitungen über diese Ausschreibung und veröffentlichten zur besseren Übersicht sogar Karten.

Eigentlich ist dies beides sehr erfreulich, denn mit der Ausschreibung sollte endlich verstärkt der Wettbewerb auch auf Brandenburgs Gleise kommen. Dass dies nicht unbedingt zu Lasten der Fahrgäste gehen muss, zeigen Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern. Doch bei genauerem Studium der Veröffentlichungen zu dieser Ausschreibung bleibt ein fader Beigeschmack.

Die ausgeschriebenen Linien sind nur als Regionalbahnen bestellt und standen bisher schon mehrmals vor Reduzierungen und auf Teilen des anschließenden Netzes wurde der Verkehr eingestellt. Hatte die erste Ausschreibung im westlichen Netz noch Regionalexpresse (RE) beinhaltet, möglicherweise weil für DB Regio kaum Konkurrenz zu erwarten war, fallen diese RE jetzt vollständig aus der Ausschreibung. Zum Teil kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Aufgabe des Interregio-Verkehrs zusätzlich dazu dienen sollte, DB Regio die RE-Linien in den Ländern als „Ersatzverkehr" zu sichern. Deshalb sollten diese Linien baldigst ausgeschrieben werden! Vielleicht soll mit dem Fehlen der RE-Linien in den Ausschreibungen fairer Wettbewerb verhindert werden, denn der ausschliessliche Betrieb von Regionalbahnen ohne RE als aufkommensstarke Verkehre erscheint wirtschaftlich fragwürdig. Doch selbst eine Strecke, die nur mit Regionalbahnen befahren wird, aber aufkommensstark ist, fehlt in der Ausschreibung - die sogenannte „Ostbahn" von Berlin über Strausberg - Müncheberg nach Polen. Will das Ministerium DB Regio nicht das Geschäft wegnehmen?

Regionalzug auf Gleisen
Die Ostbahn ist nicht Bestandteil der Ausschreibung. Foto: Frank Lammers

Einen weiteren Nachteil hat diese Ausschreibung, doch dazu „Rot-Grün" im Bundestag endlich handeln: Es bedarf einer besseren Regelung zur Nutzung der Trassen. Großteile der Finanzen werden wieder bei der DB AG landen, denn alle Trassen gehören DB Netz. Diese ist nicht einmal gezwungen, Geld zum Erhalt der befahrenen Trassen einzusetzen. Was bei der Strecke Brandenburg - Beizig aus der ersten Ausschreibung zu einer zeitweiligen Einstellung und einem mehr schlechten als rechten Angebot führte. Liest man aber Gutachten zu dieser Strecke, so wird klar, dass eine Verbesserung der baulichen Situation der Trasse und somit ein verbessertes Angebot mit den gezahlten Preisen durchaus möglich wäre. Sollte nach dem Ende der Ausschreibung ein anderer Anbieter als die DB AG den Zuschlag für die Strecken erhalten haben, hat er möglicherweise damit einen versteckten „Schwarzen Peter" gezogen: Er und nicht DB Netz muß eine eventuelle Verkehrseinstellung begründen. Leider scheinen sowohl das Land Brandenburg als auch der Verbund nicht interessiert zu sein Druck zu machen, denn wie anders lassen sich trotz hoher Trassenentgelte die Verschlechterungen der Anlagen der DB Netz im Bereich der Prignitzer Eisenbahn erklären?

Die Trassenpreise werden zusätzlich auf diese Ausschreibung nicht gerade zum Vorteil der Fahrgäste wirken, denn durch die geringe „Gewinnspanne" wird es kaum möglich sein, Fahrgäste durch speziellen Service an „ihre Bahn" zu binden. Dass aber gerade bessere Fahrzeuge und Service zu Steigerungen der Auslastung führen ist bewiesen und läßt sich im Vergleich von DB Regio und der Ostmecklenburgischen Eisenbahn (OME) auf der gemeinsam betriebenen Strecke Pasewalk- Schwerin deutlich erkennen. Doch in Brandenburg werden vermutlich wieder nur die Finanzen und nicht der Dienst am Kunden den Ausschlag für den Zuschlag geben.

Gerade das Fehlen der „Ostbahn" ist in der Ausschreibung kritisch zu vermerken, denn die Nachfrage der Fahrgäste steigt, und dennoch wird die Strecke seit Jahren nach Meinung von DB Netz ständig „optimiert". Wie diese „Optimierung" aussieht? Es werden nicht etwa neue Punkte geschaffen, an denen sich Züge kreuzen können, vielmehr werden diese Möglichkeiten seit Jahren konsequent reduziert. Merkbar für den Fahrgast wird dies unter anderem durch einen recht interessanten Wartevorgang der Regionalbahnen im Bahnhof Rehfelde. Hier muß der Zug nach Berlin, nachdem am Bahnsteig der Fahrgastwechsel stattgefunden hat, den Bahnsteig verlassen und im Bahnhofsvorfeld auf den Gegenzug warten. Schwer möglich erscheint zudem ein wünschenswerter Halbstunden-Takt in den Spitzenzeiten, hat man doch den Bahnhof Müncheberg so „optimiert", dass er nur noch ein Durchgangsgleis hat.

Dass sich sowohl das Land als auch der Verbund von DB Netz über die Finanzen offensichtlich erpressen lassen, zeigt das Fallenlassen der Forderung nach Ausweitung der Betriebszeiten auf dieser Strecke im Interesse der Fahrgäste. Doch leider scheint die DB AG nicht zu begreifen, dass die Strecke ein hohes Potential zur Entlastung der Trasse Berlin - Frankfurt/Oder hätte - im Personen- und Güterverkehr! Übrigens: in einigen Jahren gehört auch Polen zur EU ...

Vom geforderten diskriminierungsfreien Zugang für dritte Anbieter kann in Brandenburg immer noch keine Rede sein. Doch nicht nur die DB AG scheint (was ja aus deren Sicht verständlich ist) den Wettbewerb zu verhindern, sondern auch bei der Politik scheint er kaum gewollt.

Was man von der vollmundigen Wahlversprechen, selbst von „Rot-Grün" halten kann, wird leider immer klarer.

Eine Anfrage beim Potsdamer Ministerium, warum die „Ostbahn" nicht in der Ausschreibung enthalten sei, ergab interessante Erkenntnisse: Weil der gegenwärtige Regionalverkehr auf der Ostbahn bis nach Küstrin (Polen) eingerichtet ist, kommt wegen der gegenwärtigen Natulausgleichs-Regelung zwischen DB Regio und PKP ein anderer Anbieter zur Erbringung von grenzüberschreitenden Verkehrsleistungen nicht infrage, so dass Potsdamer Verkehrsministerium. Gibt es nicht anderer Stelle bereits private Anbieter, die grenzüberschreitenden Schienenverkehr anbieten?

Deutscher Bahnkunden-Verband, Regionalverband Potsdam-Mittelmark

aus SIGNAL 1/2002 (Februar/März 2002), Seite 28-29

 

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