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Nach dem Willen des Europäischen Parlaments
solle es im Gegensatz zu den Empfehlungen
der Kommission unter anderem
neben reinem Ausschreibungswettbewerb
in größerem Umfang auch wettbewerbliche
Verfahren im Wege des Qualitätsvergleichs,
längere Vertragslaufzeiten
und flexiblere Übergangsfristen geben.
Damit habe das Europaparlament
wichtigen Anliegen des VDV entsprochen.
„In einem zentralen Punkt", so
Müller-Hellmann, „haben die europäischen
Parlamentarier - einer Forderung
der kommunalen Spitzenverbände und
auch des VDV entsprechend - dem Subsidiaritätsprinzip
des EG-Vertrages Rechnung
getragen und zugleich die kommunale
Selbstverwaltung in Europa gestärkt:
Sie haben nämlich beschlossen, dass der
für den Nahverkehr zuständigen Behörde
grundsätzlich ein Handlungsspielraum
zustehen soll, ob sie den öffentlichen Verkehr
in eigener Regie durchführen oder
ihn im Wege wettbewerblicher Vergabe
durch Dritte erbringen lassen will". Nun
komme es darauf an, meinte der VDV-Hauptgeschäftsführer,
dass sich auch der
Verkehrsministerrat die Beschlüsse des
Europäischen Parlaments zu Eigen mache.
Das Liberalisierungsgesetz für den
Nahverkehr komme nämlich nur zustande,
wenn beide Gesetzgebungsorgane -
Europäisches Parlament und Verkehrsministerrat
- übereinstimmende Regelungen
träfen.
Ausdrücklich betonte Müller-Hellmann,
dass die in seiner Organisation zusammengeschlossenen
Unternehmen wettbewerbliche
Strukturen im Öffentlichen
Personennahverkehr (ÖPNV) befürworten.
Auch nach Überzeugung des VDV
führe ein kontrollierter Wettbewerb um
den Markt zu besseren und kostengünstigeren
Verkehrsdienstleistungen, denn
Konkurrenz - sollte sie auch nur drohen -
fordere zu großen Anstrengungen heraus.
Ein reiner Ausschreibungswettbewerb,
wie ihn die Kommission vorgeschlagen
habe, berge jedoch erhebliche
Gefahren in sich, was ausländische Erfahrungen
belegen würden:
- Gigantischer Verdrängungswettbewerb
zugunsten weniger großer multinationaler
Unternehmen,
- Ausschlaggebendes Zuschlagskriterium
der geringste Preis, nicht die beste Qualität,
- Lohndumping auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer,
- Hohe Kosten für Ausschreibungsverfahren
bei den Behörden, die zusätzliches
qualifiziertes Personal benötigen, und
bei den Verkehrsunternehmen.
Unter dem Strich
Rechnet man den durch Wettbewerb erzielten
geringeren ÖPNV-Zuschussbedarf
gegen wirklich alle auch externen Zusatzkosten
ehrlich auf praktisch keine Einsparungen
öffentlicher Mittel mit dem Ergebnis
eines „Behörden-ÖPNV" anstelle
von umfassend unternehmerisch agierenden
Betreibern.
Das Europäische Parlament habe diese
Gefahren erkannt und deshalb insgesamt
96 Abänderungen zu dem Gesetzentwurf
der Kommission beschlossen, erläuterte
Müller-Hellmann. Dabei habe es auch die
bereits erwähnte Option für die so genannte
kommunale Eigenproduktion berücksichtigt.
Sie solle nur unter folgenden
engen Voraussetzungen, die kumulativ
gegeben sein müssen, möglich sein:
- Das zuständige, demokratisch legitimierte
Vertretungsorgan muss eine
entsprechende Entscheidung getroffen
haben.
- Die Verkehrsleistung muss sich ausschließlich
auf den Wirkungsbereich
der zuständigen Behörde erstrecken.
- Der Wert der Beihilfe (die dem vor
Wettbewerb geschützten Unternehmen
gewährt wird) darf den Wert der
Verkehrsleistung nicht übersteigen,
das heißt der Ausgleich muss sich an
wettbewerbsfähigen Unternehmensstrukturen
orientieren.
- Die Verkehrsleistung darf einen Einzugsbereich
vom maximal 50 Kilometer
nicht übersteigen.
- Es muss sich bei der Verkehrsleistung
um eine Betätigung ohne Gewinnerzielungsabsicht
der zuständigen Behörde
handeln.
- Es darf sich weder die zuständige Behörde
noch das eigene Verkehrsunternehmen
am Wettbewerb um gewerbliche
Verkehrsleistungen anderswo
beteiligen.
Müller-Hellmann betonte, dass eine solche
Option für die kommunale Eigenprotuktion
weder ein ungerechtfertigtes Privileg
für die Kommunen darstelle, noch
wettbewerbsfähige Strukturen bei den
kommunalen Nahverkehrsunternehmen
im Falle der Wahrnehmung der Option
verhindere: Es entspreche dem Grundsatz
der verfassungsrechtlich garantierten
kommunalen Selbstverwaltung und dem
in Europa geltenden Subsidiaritätsprinzip,
wenn der kommunale Aufgabenträger
selbst darüber entscheiden dürfe, ob die
Daseinsvorsorgeaufgabe Nahverkehr in
eigener oder fremder Regie erbracht werde.
In Zeiten dramatisch steigender kommunaler
Finanznot werde der kommunale
Aufgabenträger von der Option der eigenen
Leistungserbringung nur dann Gebrauch
machen, wenn sie bezahlbar und
rechtfertigbar sei.
Beides werde nur dann der Fall sein,
- wenn das eigene Unternehmen sich
hinsichtlich seiner Effizienz annähernd
auf Wettbewerbsniveau befinde, hinsichtlich
der Qualität und der Erfüllung
verkehrspolitischer Zielsetzungen eher
besser sei als potentielle Wettbewerber
und
- wenn das öffentliche Image des eigenen
Unternehmens und die Kundenzufriedenheit
positiv seien.
In der Option, so Müller-Hellmann, liege
auch ein Risiko für das Unternehmen,
nämlich die Gefahr, bei einer kurzfristigen
Änderung der politischen Entscheidung
nicht ausreichend auf den dann sofort
eintretenden Wettbewerb vorbereitet zu
sein. Dieses Risiko könne nur minimiert
werden, wenn das Unternehmen „latent
wettbewerbsfähig und -bereit" sei und
bleibe. Darüber hinaus enthalte auch die
mit der Eigenproduktion verbundene Reziprozitätsklausel
- das heißt: keine Betätigung
außerhalb des Eigenproduktionsbereichs
im Wettbewerb - die Gefahr,
dass die politische Diskussion um die Aufhebung
der Restriktionen der Gemeindeordnungen
unberechtigterweise wieder
zum Erliegen komme und eventuelle
Chancen zur Erzielung von Deckungsbeiträgen
in anderen Geschäftsfeldern nicht
nutzbar seien.
Müller-Hellmann zog aus allem folgendes
Fazit: „Der Beschluss des Europäischen
Parlaments zur Option der kommunalen
Eigenproduktion ist ein nicht zu
unterschätzender Etappensieg für die
kommunale Selbstverwaltung in Europa.
Es gilt, diesen Meilenstein auch im weiteren
Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen.
Gleichzeitig bedeutet aber der Parlamentsbeschluss
auch, dass alle kommunalen
Nahverkehrsunternehmen an ihrer
Strategie, so schnell wie möglich wettbewerbsfähig
zu werden, uneingeschränkt
festhalten müssen".
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen
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