Mit der Zielsetzung, die Vergabevorschriften
an die Erfordernisse des Eisenbahnpersonenverkehrs
anzupassen, legte die Bundesregierung unter
der Federführung des Bundeswirtschaftsministers
im Oktober den Entwurf
einer Änderungsverordnung vor.
Hierdurch verspricht sich der Wirtschaftsminister,
dass die neuen Bedingungen
den stufenweisen Übergang in den Wettbewerb
scharfen würden. „Um dies zu erreichen,
erhalten die öffentlichen Auftraggeber
durch die neue Verordnung bei
der Vergabe von Personennahverkehrsleistungen
per Eisenbahn die Möglichkeit
der freihändigen Vergabe für bestimmte
Vertragskonstellationen und unter bestimmten
Bedingungen", heißt es in der
der Rechtfertigung des Bundeswirtschaftsministeriums
zum Verordnungsentwurf.
Auch bei mehrmaligem Lesen dieser
Gründe dürfte sich eine Logik aus dieser
Begründung nicht herleiten lassen. Wie
soll ein Monopolverfahren den Wettbewerb
fördern? In Wirklichkeit lässt diese,
am 18. Oktober 2002 auch durch den
Bundesrat gebilligte Verordnung eher erkennen,
dass die in vielen Ländern praktizierte,
und zum Teil auch fragwürdige
Vergabepraxis, nunmehr eine rechtliche
Grundlage erhält. Aus den bisherigen Geschäftspartnern
oder gar Kontrahenten
„Besteller" (Länder) und „Ersteller" (Bahnen
des SPNV) werden nunmehr „Vettern".
Die Bundesregierung sieht keine Alternative
zur vorgelegten Änderungsverordnung
und stellt zu dem fest, dass durch
die Verordnung dem Bund, den Ländern
und den Gemeinden keine Kosten entstehen.
„Das bestehende System der Auftragsvergabe
wird in sehr geringem Umfang
und in einem begrenzten Bereich
verändert", lässt die Bundesregierung
verlauten. Auch der Wirtschaft sollen keinerlei
Kosten durch die neue Verordnung
erwachsen; „Auswirkungen auf Einzelpreise
und das Preisniveau" sollen „nicht
zu erwarten" sein, „da die Wirtschaft
nicht mit Kosten belastet wird, die an die
Verbraucher weiter gegeben werden
könnten."
Würde es vielleicht noch Sinn machen,
bei kurzfristigen Bestellaufträgen die Freivergabe
zuzulassen, so sieht die Verordnung
ausgerechnet für langfristige Bestellungen
die Freivergabe vor. Die verheerenden
Auswirkungen der neuen Verordnung
sind vorprogrammiert. Bei der
Freivergabe wird eine Vetternwirtschaft
ermöglicht, die zu Bevorzugungen zum
Beispiel nach dem vor allem in Bayern
praktizierten „Landeskinderprinzip" führen.
Auch die Deutsche Bahn kann weiterhin
die Aufgabenträger nötigen, wie
zum Beispiel durch die umstrittenen Regionalfaktoren.
Und, ein fast als Naturgesetz
zu wertendes Grundprinzip wird außer
Acht gelassen, nämlich dass der
Markt die Preise bestimmt. Mit dieser
Verordnung, die noch 2002 in Kraft treten
wird, bestimmen die Verkehrsunternehmen
die Preise. Dies wird zu einer erneuten
Verknappung der Regionalisierungsmittel
führen und zu weiteren Abbestellungen
im Nebennetz führen.
Die ohnehin im Bröckeln begriffene
Bahnreform ist somit in einem weiteren
Segment gescheitert.
Begründung des Bundesministeriums
für Wirtschaft zur Ersten Verordnung
zur Änderung der Vergabeverordnung
A Allgemein
Die Änderung dient der Anpassung des
Vergaberechtes an die verkehrspolitischen
Erfordernisse des Schienenpersonennahverkehrs.
Der Schienenpersonennahverkehr
ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge,
die den Bundesländern obliegt.
Die Länder erhalten den notwendigen Ermessensspielraum,
zu entscheiden, wann
welches regionale Streckennetz im Wettbewerb
vergeben werden soll. Gleichzeitig
wird der Übergang in den Wettbewerb
festgeschrieben. Die Änderung ermöglicht
es damit sowohl den Auftraggebern
als auch der betroffenen Wirtschaft,
verkehrlich und betrieblich sinnvolle
Teilnetze zu bilden, deren schrittweise
Ausschreibung sowohl zu Marktpreisen als
auch zu reellen Chancen für
mittelständische Unternehmen oder Bietergemeinschaften
führt. Die Auftraggeber
haben es so in der Hand, langfristig
ihre Verkehrs- und wirtschaftspolitischen
Ziele durch Entwicklung einer geeigneten
Wettbewerbsstrategie zu erreichen.
B Im Einzelnen
Zu Artikel I
Artikel I ändert die Verordnung über die
Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung).
Dem § 4 der Vergabeverordnung
wird ein neuer Absatz 3 angefügt.
Zu § 4 Absatz 3
Die Änderung gestaltet die im § 4 Absatz
I VgV vorgesehene Anwendungsverpflichtung
des zweiten Abschnittes der
VOL/A für den eng begrenzten Bereich
der Personennahverkehrsleistungen per
Eisenbahn näher aus. Entgegen dessen
Vorschriften erhalten die öffentlichen
Auftraggeber die Möglichkeit, vom
Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung
abzuweichen. Sie können ohne
Vorliegen der sonst nach § 4 Absatz I
VgV geltenden Voraussetzungen die freihändige
Vergabe für bestimmte Vertragskonstellationen
wählen. Gleichwohl steht
ihnen die Wahl einer öffentlichen oder
beschränkten Ausschreibung oder die
Durchführung eines Teilnahme-Wettbewerbs
daneben offen. Es werden Regelungen
für zwei Vertragskonstellationen
geschaffen, die nebeneinander oder
wahlweise in Anspruch genommen werden
können ist beabsichtigt, Verträge
über einzelne Linien mit einer Laufzeit
von bis zu drei Jahren zu schließen, kann
dies ab Inkrafttreten der Verordnung einmalig
freihändig geschehen. Die Auftraggeber
können so auf verkehrliche Lücken
oder Notfälle reagieren und eine anschließende
wettbewerbliche Vergabe dem
Leistungsgegenstand angemessen vorbereiten.
Ist beabsichtigt, einen längerfristigen
Vertrag als über einen Zeitraum von
drei Jahren zu schließen, darf entsprechend
§ 15 Absatz 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
eine freihändige Vergabe
ohne Vorliegen sonstiger Voraussetzungen
nur dann erfolgen, wenn der Vertrag
vorsieht, dass der wesentliche Teil
der Leistungen während der Vertragslaufzeit
ausläuft und anschließend im Wettbewerb
vergeben wird (Stufenvertrag).
Das Auslaufen des wesentlichen Teils der
Leistungen orientiert sich am Gesamtvolumen
des Vertrages und der Entscheidung
über verkehrlich und wirtschaftlich
sinnvolle Teilnetze. Die Auftraggeber
können zum Beispiel eine zeitliche Staffelung
oder prozentuale Angaben für das
Auslaufen der wesentlichen Leistungen
vorsehen. Das Auslaufen könnte jährlich,
zweijährlich oder entsprechend üblicher
Fahrplanperioden vorgenommen werden.
Möglich ist auch eine einzelne Stufe.
Im Umfang der auslaufenden Leistungsteile
ist noch während der Vertragslaufzeit
eine Zuführung in den Wettbewerb
über Ausschreibungen zu gewährleisten.
Damit erfolgt insgesamt ein stufenweiser
Übergang eines zunehmenden Umfangs
von Eisen bahn personen nah Verkehrsleistungen
in ein wettbewerbliches Vergabeverfahren.
Die Vertragslaufzeit eines
freihändig vergebenen längerfristigen
Vertrages soll höchstens 12 Jahre betragen.
Damit sich sowohl der Auftragnehmer
des freihändig vergebenen längerfristigen
Auftrages als auch dessen Wettbewerber
auf den Übergang in ein wettbewerbliches
Verfahren einstellen und entsprechende
Vorkehrungen zur Teilnahme
am Wettbewerb treffen können, sind der
Umfang des Vertrages und das vorgesehene
Auslaufen der wesentlichen Leistungen
nach Vertragsschluss bekanntzumachen.
Diese Bekanntmachung
könnte in den Nahverkehrsplänen erfolgen
oder in anderer der betroffenen Wirtschaft
zugänglicher Weise.
Zu Artikel 2
Artikel 2 regelt das In- und Außerkrafttreten
der Verordnung. Es wird davon ausgegangen,
dass als Übergang in einen
stufen weisen Wettbewerb ein zwölfjähriger
Geltungszeitraum für die Verordnung
ausreichend ist.
DBV Bundesverband
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