Vermehrt werden Städte und ihr Umland
mit leistungsfähigen Systemen des Schienen-Nahverkehrs
verbunden. Um die Vorteile
des innenstädtischen Schienenverkehrs,
wie hohe Angebotsdichte, komfortable
Fahrzeuge, hohe Beschleunigungswerte,
zu nutzen sowie möglichst viele
Direktverbindungen anzubieten, wurde
das „Karlsruher Modell" (Straßenbahn
fährt auf DB-Gleisen) eingeführt.
Befördert durch diese Erfolgsgeschichte
entstanden bzw. sollen verschiedene
weitere Zweisystem-Stadtbahn-Netze in
Deutschland entstehen. Den Vorteilen,
wie kürzere Reisezeiten, mehr Direktverbindungen,
steht der hohe Investitionsbedarf
für die Fahrzeuge und gegebenenfalls
die Elektrifizierung der benutzten Eisenbahnstrecken
gegenüber. Eine kostengünstige
Lösung und damit auch für kleinere
Ballungsräume praktikabel, ist der
Übergang von Verbrennungstriebwagen
auf das Liniennetz städtischer Straßenbahnen.
Diese Variante wird derzeit in
und um Zwickau angewendet.
Nachteilig wirken sich die großen und
lauten Fahrzeuge aus, die, da Eisenbahnfahrzeuge,
den strengen Normen der Eisenbahn-
Bau- und Betriebsordnung
(EBO) genügen müssen. Aufgrund vergleichsweise
großer Einstiegshöhen ist
auch ein niveaugleicher Einstieg nur
durch bauliche Veränderungen an Straßenbahn-Haltestellen
zu realisieren.
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Der erste Hybrid-Versuchszug in Nordhausen (großes Foto). Innenansicht des UKA im kleinen Bild. Beide Foto: Lutz Wagner |
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Einen neuen Weg wollen die Stadtwerke
Nordhausen in Kooperation mit den
Harzer Schmalspurbahnen (HSB) beschreiten.
Da sowohl die Harzer Schmalspurbahnen
als auch die Straßenbahn
Nordhausen eine Spurweite von
1000 Millimeter aufweisen, sollen weitere
Kundenpotenziale durch eine Verdichtung
des Taktes zwischen Nordhausen
und Ilfeld sowie durch Direktverbindungen
vom Straßenbahn-Netz auf die
Schmalspurstrecke erschlossen werden.
Neue Fahrgäste ist für beide Unternehmen
ein wichtiger Schritt, um in Zukunft
wirtschaftlich zu bestehen.
Eine Elektrifizierung der HSB-Strecke
bis Ilfeld wurde aus Kostengründen verworfen.
Auch der Einsatz der HSB-Dieseltriebwagen
stellte wegen der fahrdynamischen
Eigenschaften, der hohen Geräuschentwicklung
und der hochflurigen
Ausführung der Triebwagen keine befriedigende
Lösung da. Das von der Nordhäuser
IMG GmbH entwickelte Konzept
eines Hybridantriebes für Straßenbahn-Fahrzeuge
wird jetzt favorisiert.
Der Grundgedanke ist, dass der Strom
für die Fahrmotoren wahlweise aus der
Oberleitung entnommen bzw. von einem
Verbrennungsmotor mit Generator zur
Verfügung gestellt wir. Zuerst wollte man
eine Stromerzeugungseinheit aus handelsüblichen
Komponenten generieren.
Man erkannte aber schnell die technischen
Grenzen der derzeit angebotenen
Komponenten hinsichtlich Einbaugröße,
Lärmemission und des Gewichtes - so
wogen die angebotenen Einheiten komplett
ca. sechs Tonnen. Also blieb den engagierten
Ingenieuren nur die Neuentwicklung
geeigneter Komponenten.
Das Ergebnis ist eine leichte und kompakte
Stromerzeugungseinheit -
das „Ultra-Kompakte-Antriebsaggregat (UKA)".
Es setzt sich aus einem handelsüblichen
TDI-Motor mit Kühlkreislauf, den Starterbatterien,
dem neuentwickelten Generator
und der neuentwickelten Hochleistungselektronik
zusammen. Das Gewicht
konnte auf 400 kg gesenkt werden
und kann somit in einen Antriebscontainer
integriert auf das Fahrzeugdach neuer
Straßenbahn-Wagen montiert werden.
Wie sich Mitglieder des DBV vor Ort
überzeugen konnten, funktioniert das
Umschalten von Oberleitung auf Verbrennungsmotor
ohne Probleme und
auch unter Last - es wurde zum Beispiel
eine 9 %ige Steigung ohne Probleme befahren.
Außerdem sind die Aggregate
selbst im Innenraum akustisch kaum
wahrzunehmen. In Zukunft sollen je zwei
UKA-Container auf insgesamt drei Combinos
in Nordhausen montiert werden. Diese
sollen ab 2003 dann bis Ilfeld fahren.
Im Zuge des kürzlich erfolgten Umbaus
des Bahnhofsvorplatzes in Nordhausen
wurde bereits eine Verbindungsweiche
vom Straßenbahn-Netz zur HSB installiert.
Weiterhin werden derzeit die Haltepunkte
an der Strecke modernisiert bzw.
zusätzliche Halte aus Fertigteilen angelegt,
um einen niveaugleichen Einstieg in
die Hybrid-Combinos zu gewährleisten.
Somit wird hier zukünftig ein moderner
Nahverkehr mit Straßenbahn-Fahrzeugen
möglich sein, der neue Kunden für den
ÖPNV gewinnt.
Bleibt zu hoffen, dass das Modell Schule
macht und bundesweit auch darüber
nachgedacht wird, stilllegungsbedrohte
Strecken mit solchen Fahrzeugen nach
Betriebsordnung für Straßenbahnen statt
nach der EBO zu bedienen ...
DBV Potsdam-Mittelmark
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