Berlin

Mit Bus und Bahn von Nikolskoe nach Tempelhof

Es ist Donnerstag, der 26. Dezember 2002, und Weihnachtsfeiertag. Ein kalter Wintertag in Berlin. Bedeckt, aber immerhin trocken. Das Mittagessen ist eingenommen, bis zur nächsten Abfahrt der stündlich zum Bahnhof Wannsee fahrenden Buslinie 216 noch reichlich Zeit. Also noch ein kurzer Weg zum Wildschweingehege, aber keine Sau lässt sich blicken.

Um 16.09 Uhr soll die Fahrt beginnen. Der 216er kommt pünktlich, ist mit Fahrgästen recht gut gefüllt, aber nicht voll, und erreicht über die der BVG vorbehaltene Pfaueninselchaussee und die Königstraße den Bahnhof Wannsee. Hier steigen wir um in die S-Bahn-Linie 1 - pardon in den für die S 1 ersatzweise fahrenden „Expressbus A" bis zum Bahnhof Zehlendorf. Die S-Bahn-Linie 1 fährt nicht, daran haben wir uns in den letzten Jahren schon gewöhnen können.

Der Ersatzbus erreicht die Haltestelle am Bahnhof Zehlendorf nach 13 Minuten Fahrt pünktlich um 16.38 Uhr, bis zur Abfahrt der S-Bahn bleiben uns vier Minuten. Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis die Ampel, die wir benutzen müssen, um den einzigen hier vorhandenen S-Bahn-Zugang zu erreichen, endlich das kleine grüne Männchen zeigt. Jetzt aber rasch auf die Westseite des Teltower Damms, dann rechts, dann wieder rechts - aber diesmal nach oben, zum S-Bahnsteig. Wieder überqueren wir den Teltower Damm, diesmal jedoch in der „ + 1 -Ebene" in östlicher Richtung und schon ist die S-Bahn erreicht. Abfahrt um 16.42 Uhr, die Bahn trifft pünktlich um 16.50 Uhr im S-Bahnhof Rathaus Steglitz ein. Prima, der nächste 170er, der uns bis zum Fahrtziel Attilaplatz befördern soll, kommt um 16.58 Uhr. Jedenfalls steht es so im Fahrplan. Die Realität sieht jedoch anders aus, einige Minuten nach fünf Uhr werden wir langsam nervös. Noch etwas später kippt unsere Stimmung - wir sind sicher, das unser Bus nicht mehr kommen wird. War da nicht mal die Rede von einer Pünktlichkeitsgarantie der BVG? Also wird mit dem Handy unverzüglich 256-1 angewählt und die Frage konkret gestellt: Wenn wir jetzt ein Taxi nehmen, könnten wir dann auf Erstattung durch die BVG hoffen? „Moment, ich verbinde!", sagt die Stimme am anderen Telefon.

Es folgt Mozart mit seiner Kleinen Nachtmusik. Die Kundin mag Mozart nicht; aber da kann die BVG ja nun wirklich nichts dafür. Anderthalb Minuten später bekommen wir die Antwort. Selbstverständlich könnten wir mit dem Taxi fahren, auf eigene Kosten, versteht sich. Ach so.

Busheck mit Liniennummer 170
Auf diesen Zielschild mussten die Fahrgäste der Linie 170 am zweiten Weihnachtsfeiertag lange warten. Ein Bus fiel aus, der nachfolgende Bus liegt mit Türschaden auf der Strecke. Foto: Alexander Frenzel

Immerhin trifft der nächste 170er pünktlich um 17.15 Uhr in Steglitz ein - also können wir jetzt wenigstens damit rechnen, dass die nächste Fahrt um 17.18 Uhr erfolgen wird. So ist es auch - der Bus des Typs „Daimler Benz E2H" (gut, das wir keinen Kinderwagen mehr brauchen) fährt tatsächlich, mit Fahrgästen voll besetzt und pünktlich. Schnell stellt sich jedoch heraus, das irgendetwas nicht stimmt mit diesem Bus: Die mittlere Tür ist nämlich defekt.

An der Haltestelle „Am Insulaner" nimmt der Busfahrer den Kampf mit der Tür entschlossen auf - und verliert. Die Fahrt ist beendet, der Bus bewegungsunfähig. Der einschlägig geschulte Fahrgast freut sich, immerhin bis zur Haltestelle Insulaner gekommen zu sein, und glaubt sich erinnern zu können, dass in wenigen Minuten ein Bus der Linie 174 kommen müsste. Also rasch über zwei Ampeln Berg- und Thorwaldsenstraße überquert - schon ist die Haltestelle der Linie 174 erreicht. Der 174er kommt pünktlich um 17.40 Uhr und um 17.46 Uhr verlassen wir den Bus an der Haltestelle Wittekindstraße.

Wäre die Buslinie 170 fahrplanmäßig gefahren, hätten wir diese Station 33 Minuten früher, nämlich um 17.13 Uhr, erreicht.

Schade, dass wir nur Stammkunden mit Premiumkarte sind und keine Gelegenheitsfahrgäste. Dann würden wir uns an die BVG wenden und unter Hinweis auf die Pünktlichkeitsgarantie um Einzelfahrscheine bitten - aber was sollen wir mit Fahrscheinen? An Freunde und Bekannte verschenken?

Wir können de Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nur empfehlen. Etwas Zeit vorausgesetzt und im Winter nicht zu kälteempfindlich, erlebt man dabei ebenso viele schöne Abenteuer wie unsere Freunde hinter den Windschutzscheiben.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 1/2003 (Februar/März 2003), Seite 15

 

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