Die Idee der S-Bahn-Initiative besteht darin,
die Kosten so gering wie möglich zu
halten, indem weitgehend auf bestehende
Gleise zurückgegriffen wird. Haltestellen
müssen da eingerichtet werden, wo
die Menschen sind. Das Ergebnis der Studie:
Wir haben die Möglichkeit, ein
S-Bahn-Netz im Norden von Rheinland-Pfalz
anzubieten - zu den niedrigsten Kosten
in Deutschland!
Themen und Thesen
Der Ballungsraum Koblenz/Neuwied in
der Region Rheinland-Pfalz Nord mit rund
300.000 Einwohnern umfasst Koblenz,
das mit über 100.000 Einwohnern den
Rang eines Oberzentrums hat, die Städte
Neuwied und Andernach, die Verbandsgemeinde
Weißenthurm mit Urmitz und
Mülheim-Kärlich, die Städte Lahnstein,
Montabaur, Puderbach, Altenkirchen,
Bendorf und Vallendar. Berücksichtigt
wurde auch die Stadt Höhr-Grenzhausen
und einige kleinere Orte.
Mit Reiseweiten von durchaus zehn bis
zwanzig Kilometern und einem erheblichen
Verkehrsaufkommen bietet sich die
Region geradezu für ein S-Bahn-ähnliches
Schienenverkehrsnetz als Rückgrat des
Verkehrs an. Die herkömmliche Verkehrspolitik
setzt allerdings meist auf teure
Großprojekte, die oft bei Inbetriebnahme
schon von der Entwicklung überholt sind.
Zudem ist leider häufig schon der Ansatz
solcher Projekte falsch, wie die aktuelle
Diskussion um das Projekt „S 13" im Köln-Bonner
Raum, von der auch der Kreis
Neuwied betroffen ist, zeigt.
Der in dieser Studie verfolgte Ansatz
hingegen will auf vorhandenen Strukturen
aufbauen und mit geringen Mitteln
kurzfristig Verbesserungen für geplagte
Verkehrsteilnehmer schaffen und so eine
Trendwende zugunsten ökologischen
Verkehrs einleiten. Die Diskussion um die
jeweiligen Maßnahmen muss bürgernäher
und offener geführt werden.
Der Verkehrsexperte Prof. Dr. Heiner
Monheim (Universität Trier) schätzt einen
Bedarf von fünf- bis zehnmal mehr Haltepunkten
als vorhanden, um einen optimalen
öffentlichen Verkehr zwischen Koblenz
und Köln zu realisieren.
S-Bahn in der Stadt Neuwied
Herzstück einer Neuwieder S-Bahn und
erstes Untersuchungsobjekt ist das Anschlussgleis
vom Neuwieder Hauptbahnhof
das Wiedtal aufwärts entlang den
Rasselstein-Werken (heute: Thyssen AG)
bis hin nach Niederbieber zu den Boesner-Werken.
Das bestehende Gleis berührt
große Teile von Niederbieber, Segendorf
und Rodenbach, wenn man von einem
300-Meter-Radius ausgeht; erst recht jedoch
bei den weiteren Radien der konventionellen
Verkehrsplanung. Eine nahezu
betriebsbereite Strecke in einigermaßen
günstiger Lage!
Auch wenn es sich im Wesentlichen um
ein Privatgleis handelt, ist es für den Personenverkehr
bestens geeignet. Dadurch
besteht hier die Möglichkeit, dass die
Stadt Neuwied tätig wird und diese Strecke
als Stadtbahn nutzt. Also kann die
Stadt Neuwied unabhängig von der
Deutschen Bahn AG handeln und beim
Aufbau einer „flächigen" S-Bahn in der
Region Rheinland-Pfalz eine Vorreiter-Rolle
spielen.
Von Neuwied nach
Koblenz linksrheinisch
Von den zwei Schienensträngen zwischen
Neuwied und Koblenz führt der kürzere
hinter Neuwied-Engers über den Rhein
und dann am Ort Urmitz vorbei. Dort existierte
früher der Haltepunkt Urmitz-
Rheinbrücke. Diese Station lag zum eigentlichen
Ort Urmitz wesentlich günstiger
als der heute noch betriebene Bahnhof
an der linken Rheinstrecke Koblenz -
Andernach. Trotzdem wurde die Station
geschlossen.
Die DB AG demonstriert
Schwerfälligkeit
Derzeit setzt die DB zur Schließung einiger
Fahrplanlücken eine 628er-Garnitur
für den Pendelzug Neuwied - Lützel - Koblenz
ein. Damit ist zwar (zusammen mit
den Zügen über Ehrenbreitstein) eine
halbstündige Verbindung Neuwied - Koblenz
gegeben, aber die Züge stehen die
meiste Zeit nutzlos herum. Die Wartezeit
von fast vierzig Minuten würde bequem
reichen, schon heute nach Niederbieber
und zurück zu fahren! Mehrkosten - ein
paar Tropfen Diesel.
In Koblenz beträgt die Standzeit 51 Minuten.
Diese Zeit reicht für eine komplette
Tour über Ehrenbreitstein nach Neuwied
und zurück oder für eine Fahrt bis
Boppard Süd und zurück oder fast bis
Bad Ems und zurück. Der Zug wird außerdem
im Moment nur zu wenigen Fahrten
auf der Strecke eingesetzt. Er könnte, anstatt
den Rest des Tages ungenutzt herumzustehen,
eingesetzt werden, um im
Halbstundentakt nach Niederbieber zu
fahren. Mehrkosten: Treibstoffkosten,
geringer zusätzlicher Personalaufwand.
Das Gleispaar mündet vor dem Bahnhof
Koblenz-Lützel in die linksrheinische
Hauptstrecke. Auch diese Station, in dicht
bebautem Gebiet gelegen, nutzt nicht im
entferntesten ihr Potential. Dringend nötig
ist ein zusätzlicher Westausgang in
Lützel zur Antoniusstraße. Dafür muß lediglich
der vorhandene Fußgängertunnel
um ein paar Meter verlängert werden.
Durch die spezielle topographische Situation
kann der Zugang gleich auf die Westseite
der Mayener Straße gelegt werden.
Vorteil: Den Fußweg zum Bahnhof um bis
zu 200 Meter verkürzen und Zugang zur
Bushaltestelle „An der Ringmauer".
In und um Koblenz
Im Eisenbahnverkehr der Stadt Koblenz
bestehen erhebliche Erschließungsmängel. Im
linksrheinischen Stadtgebiet ist,
abgesehen vom Bahnhof Lützel und den
westlich gelegenen Vorortstationen Moselweiß
und Güls, derzeit der weit südlich
gelegene Hauptbahnhof der einzige Verkehrshalt.
Ein zusätzlicher Haltepunkt
Koblenz-Mitte (Löhr-Center) wird zwar
schon seit einiger Zeit lebhaft diskutiert -
allein es fehlen Taten. Die derzeitige
Stadtratsmehrheit scheint nicht gewillt,
eine Verbesserung des Schienennahverkehrs
zuzulassen.
Ein ähnliches Bild bietet sich auch in der
Weststadt entlang der Moselstrecke. Diese
führt zwar dicht am Verwaltungszentrum
mit Tausenden von Berufspendlern
vorbei, hat ihren nächsten Halt jedoch
erst nach drei Kilometern in Moselweiß.
Ein zusätzlicher Haltepunkt bietet trotz
einiger kostentreibender technischer
Schwierigkeiten (breites Bahngelände,
Durchbruch mit Unterführung zur Straße)
erhebliche Vorteile für das Verwaltungszentrum,
die Krankenhäuser und Wohngebiete.
Die technisch günstigste Lage
(intensiv diskutiert) wäre in Höhe
Behringstraße/Eduard-Müller-Straße, wo Zugänge
von beiden Seiten möglich sind. Zudem
würde ein Fußgängertunnel hier
auch die Verbindung zwischen den Stadtteilen
verbessern, die durch die Bahnanlagen
behindert wird. Zusätzliches Interesse
gewinnt der Standort bei einer Neunutzung
der bisherigen Boelcke-Kaseme,
zum Beispiel als Universitätsstandort.
Stadtverkehr ohne Schienen
Über den Stand des städtischen Nahverkehrs
gibt ein Blick in die Partnerstadt
Potsdam Auskunft. Diese ist nur wenig
größer als Koblenz. Im Gegensatz zu Koblenz
hat die Brandenburger Landeshauptstadt
hingegen ihr Straßenbahn-Netz bewahrt und baut es heute weiter
aus, trotz der schwierigen finanziellen
und wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland.
Koblenz hingegen leistet sich seit
1967 einen völligen Verzicht auf dieses
Verkehrsmittel.
Besonders pikant ist dies im Hinblick
auf die Bundesgartenschau, um die sich
Koblenz für das Jahr 2015 bewirbt. Potsdam
hat eigens zum Anlass der Bundesgartenschau
Potsdam 2001 neue Schienenstrecken
in Betrieb genommen und
besondere Linien eingerichtet. Wenn eine
Gartenschau Gelegenheit bietet, dauerhafte
Zukunftschancen in eine Stadt zu
holen, dann wäre die Neubelebung der
Schiene in Koblenz eine der zentralen
Schlüssel, um die Stadt auf den Weg von
der Beamten-und-Soldaten-Stadt zur
Wissenschafts-und-Touristik-Stadt zu bringen!
Von Koblenz auf die Eifelhöhen
Wie lückenhaft das Schienennetz ist, zeigt
sich auch daran, dass es keine direkte
Schienenverbindung von Koblenz nach
Mayen gibt. Diese erst 1904 eröffnete
Bahnstrecke wurde 1983 stillgelegt. Bis
zuletzt gab es hier sogar eine durchgehende
Zugverbindung von Gerolstein
nach Koblenz. Erhalten ist noch das Anfangsstück
von Koblenz-Lützel bis Ochtendung,
das auf Koblenzer Stadtgebiet
die Orte Metternich und Rübenach berührt.
Wichtig ist auch hier eine gute Lage der
einzurichtenden Stationen. Neben dem
klassischen Halt in Rübenach an der oder
nahe der Lambertstraße könnte ein Halt
Rübenach-Ost an der Kreuzung mit der
Bundesstraße die dortige Wohnbebauung
ebenso wie das nahe Bundeswehrkrankenhaus
erschließen. Ansonsten hat
die Strecke wegen ihrer weit nördlichen
Lage für Metternich, auch für die dortigen
Uni-Institute, bei heutiger, unveränderter
Streckenführung nur eine Teil-Wirkung.
Holzbachtal-Strecke
(Westerwald-Bahn)
„Schwesterstrecke" der Brexbachtal-Bahn
ist die Holzbachtalbahn von Siershahn
über die Wasserscheide bei Marienrachdorf
ins Holzbachtal und nach Altenkirchen
(39 Kilometer), die zugleich mit der
vorigen Strecke eröffnet wurde, allerdings
schon 1984 den Personenverkehr einen
Tag nach ihrem 100. „Geburtstag" verlor.
Diese Strecke schloss nicht nur Unterzentren
wie Puderbach an das Schienennetz
an, sondern verschaffte auch Marienrachdorf
und Brückrachdorf einen Haltepunkt.
Da das Verkehrsaufkommen freilich
geringer war, gab es hier Bedarfshalte.
Bis Ende der siebziger Jahre waren
zudem Puderbach und Dierdorf mit einem
Eilzug Siegen - Koblenz.an die weite
Welt angeschlossen. Heute hat die
Strecke eine geteilte Perspektive. Der
nördliche Teil bis Raubach wurde jüngst
von der Westerwald-Bahn übernommen,
die dort den noch relativ starken Güterverkehr
betreibt. Insoweit ist zumindest
der Bestand der Strecke gesichert.
Neue Schienen
durch den Westerwald
Speziell in der betrachteten Region ist die
inzwischen unterbrochene Querverbindung
von Montabaur über Wallmerod
nach Westerburg und weiter in Richtung
Rennerod zu nennen. Zu begrüßen sind
hier die Vorschläge zu einem Westerwald-Kreisel,
mit denen jüngst Klaus Paas an die
Öffentlichkeit trat: „Wir müssen unseren
Öffentlichen Personennahverkehr so organisieren,
dass zum Beispiel alle Hauptorte
der zehn Verbandsgemeinden des Westerwaldkreises
über die Schiene mit dem ICE-Bahnhof
Montabaur verbunden werden".
Eine Diskussion um Ausbaustandards
wird in Fachkreisen bereits seit einiger Zeit
geführt. Die PDS-Fraktion im Bundestag
hatte in diesem Zusammenhang einen
Antrag eingebracht für eine Bau- und Betriebsordnung
für Regionale Eisenbahnstrecken
(BOR). Dieser Diskussionsbeitrag
für an die örtlichen Verhältnisse angepasste
Standards stieß bei Umwelt- und Verkehrsverbänden
auf Zustimmung, amtlicherseits
bisher aber leider auf heftige
Ablehnung.
Letztlich hängt die Qualität des Verkehrs
vom Gesamtsystem ab, und auch
das Schienennetz kann erst als Gesamtsystem
seine volle Wirkung entfalten. Es
kommt also auch auf die gute Verbindung
von Bahn, S-Bahn, Bus, Fahrrad,
Fußgängern und Park-and-Ride-Möglichkeiten
an. Der Vorteil des hier dargestellten
Ansatzes besteht darin, in flexiblen
Einzelschritten vorgehen zu können. Eine
neue Station hier, eine reaktivierte Strecke
dort können das System in ihrer Summe
schließlich entscheidend voranbringen.
Die S-Bahn-Firma würde sich weitgehend
aus ihrem Umsatz und gezielten
Investitionszuschüssen refinanzieren, was
die Belastung der Gemeinden und das
Risiko von Fehlinvestitionen deutlich
senkt. In diesem Sinne sei zuletzt noch ein
möglicher Stufenplan angedeutet, der einige
der oben genannten Maßnahmen in
eine sinnvolle Reihenfolge bringt.
- Schritt: „Sofortmaßnahmen": Zugverkehr
nach Niederbieber im Halbstundentakt.
Einführung eines City-Busses als
Ergänzung.
- Schritt: kurzfristig umsetzbare Maßnahmen:
Reaktivierung von Brexbachtal-Bahn
und Holzbachtal-Bahn. An verschiedenen
Strecken Reaktivierung vorhandener
Stationen, Ergänzung von Stationen
mit geringem Aufwand.
- Schritt: mittelfristige Maßnahmen:
Ausweitung der Neuwieder S-Bahn durch
die Engerser Straße als Kreis zum Hauptbahnhof
zurück. Einführung eines gänzlich
überarbeiteten Busnetzes. An verschiedenen
Strecken Neubau und Verschiebung
von Stationen.
- Schritt: längerfristige Maßnahmen:
Elektrifizierung der Strecken nach Niederbieber,
Engerser Straße und anderer Abschnitte
wie etwa der Lahntalbahn. Weitere
Netzergänzungen.
Prof. Monheim schätzt, dass die Gesamtheit
der Maßnahmen dazu führt, dass der
heutige Anteil des öffentlichen Verkehrs
im ländlich-mittelständischen Raum von
dürftigen eins bis fünf Prozent am Gesamtverkehr
auf etwa 25 bis 30 Prozent
wie in Großstädten ansteigt.
Es ist ein Märchen, dass S-Bahnen oder
ähnlich organisierter Schienenverkehr nur
in Großstädten funktionieren! Die Beispiele
von Lemgo, der Bodenseeregion
mit Konstanz und Lindau, aus Düren und
anderen Städten in Deutschland, Österreich
und der Schweiz belegen, dass ein
aufeinander abgestimmter und attraktiver
Verkehr auf Schiene und Straße abseits
der Großstädte möglich ist und zeigen,
dass der in dieser Studie, diesem S-Bahn-Konzept
enthaltene Weg machbar
und Erfolg versprechend ist.
S-Bahn-Initiative Rheinland-Pfalz Nord
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