Der ÖPNV bietet eine Beförderungsleistung
an. Die Qualität einer Beförderungsleistung
hängt auch von den notwendigen
Vorbereitungs- und Abschlußzeiten
bzw. Maßnahmen ab, zusammengefaßt
als „Service" bezeichnet.
Reisezeit
Er ist nach unserer Meinung einer der
wichtigsten Begriffe zur Messung der
Qualität im Vergleich zu Alternativangeboten.
Dabei ist der motorisierte Individualverkehr
für den ÖPNV ein vergleichbares
Angebot in vielerlei Hinsicht.
Eine statistische (aber nicht repräsentative)
Untersuchung von 98 Fahrten (gerechnet
auf 100 Kilometer) in Thüringen,
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg
ergab, eine durchschnittlich längere
Reisezeit mit dem ÖPNV um etwa 53 Minuten
gegenüber dem MIV.
Abfahrtzeiten richteten sich nach dem
MIV, wodurch die Bedienungshäufigkeit
des ÖPNV voll zum Tragen kam. Eine Verkürzung
und annähernde Angleichung
der Reisezeit ist somit über zwei Wege
möglich:
- Verdopplung der Reisegeschwindigkeit
- Verdopplung der Bedienungshäufigkeit.
Die Reisegeschwindigkeit kann über folgende
Wege erhöht werden:
- Verkürzung der Übergangszeiten von
einem ÖPNV-Verkehrsmittel zu einem
anderen Verkehrsmittel,
- Verkürzung bzw. Wegfall der Umsteigezeiten
bei Benutzung eines Verkehrmittels
(i. d. R. Eisenbahn),
- Erhöhung der Geschwindigkeit, wobei
die Erhöhung bei dem am längsten
genutzten Verkehrsmittels am effektivsten
ist (i. d. R. Eisenbahn),
- Verkürzung der Zugangszeiten zu den
Verkehrsmitteln (Flächenerschließung),
- Verfügbarkeit des Verkehrsmittels im
Laufe eines Tages.
Die Vorbereitungszeit umfaßt die Einholung
von Auskünften. Einerseits muß
auch derjenige, der mit dem Auto fährt,
Auskünfte einholen, wenn er in unbekannte
Gegenden fährt, andererseits muß
der Nutzer des ÖPNV öfters Auskünfte
einholen, da sich Zeiten schlechter merken
lassen. Die Nachbereitungszeiten sind
für MIV und ÖPNV meist gleich (Auspacken
des Reisegepäcks, usw.).
Sicherheit
Sie umfaßt die technische Sicherheit des
Verkehrsmittels und die individuelle Sicherheit
und die Planungssicherheit für
den Reisenden.
Die technische Sicherheit wird vorausgesetzt.
Die Erwartungen an die individuelle
Sicherheit sind unterschiedlich.
Die Planungssicherheit ist für den Reisenden
wichtig. Meist stützt sich der Tagesablauf
auf die vom Verkehrsunternehmen
angekündigten Beförderungszeiten.
Damit eng verbunden ist die Sicherheit,
einen Anschluß zu erreichen, wenn eine
teilweise unterbrochene Beförderungskette vorliegt.
Kaum toleriert wird eine Erhöhung der
Reisezeit um ein bis zwei Stunden. Leider
hat der ÖPNV durch den „Mißstand der
verpaßten Anschlüsse" in den 80er und
90er Jahren einen Vertrauensverlust erlitten,
der schwer zu kompensieren ist.
Die Verlagerung der ÖPNV-Verantwortlichkeit
auf die Länder hat ein Problem
heraufbeschworen. Die Unsicherheit, ob
der zur Drucklegung bekannte Fahrplan
gültig ist. Strecken-Abbestellungen nach
Drucklegung und in der Fahrplanperiode
müssen der Vergangenheit angehören.
Pünktlichkeit
Pünktlichkeit wird individuell interpretiert,
es kann aber ein Durchschnittswert ermittelt
werden. Unser Landesverband hat
dazu eine Umfrage durchgeführt. 76 Prozent
aller Befragten hielten Pünktlichkeit
ein wichtiges Qualitätsmerkmal.
Komfort
Unter Komfort ist eine Vielzahl von Bedürfnissen
der Reisenden zu verstehen.
Die Sauberkeit konnte nur schwer
quantifiziert werden. Volle Abfallbehälter
und Aschenbecher werden als negativ
empfunden. Als Einschränkung des Komforts
gelten verschmutzte Toiletten. Einige
Reisenden bemängelten die Sauberkeit
der Sitzbezüge, hier herrschte eine geteilte
Meinung vor.
Die Bequemlichkeit wird mit ausreichender
Bein- und Ellenbogenfreiheit in
Verbindung gebracht. Hier wurden ICE
und Einzelsitze in den Nahverkehrswagen
(„Halberstädter"), sowie Doppelstockwagen
kritisiert (außerdem Sitze zu hart). Die
nicht modernisierten Abteilwagen im IC-Verkehr
wurden ebenfalls kritisiert, hier
erwartet man für den Zuschlag Klimaanlage
und modernes Wagenmaterial.
Positiv werden die IR-Wagen aufgenommen.
Die Alternative von Großraum
und Abteil wurde von über 90 Prozent als
gut eingestuft. Positiv ist auch das Vorhandensein
von mehreren Toiletten.
Ein erheblicher Prozentsatz favorisierte
modernisierte Abteilwagen in Nahverkehrszügen,
so dass über eine gemischte
Bestückung bei der Zugbildung nachgedacht
werden sollte.
Auf Nebenbahnen wurde häufiger der
Wunsch nach neuen Fahrzeugen geäußert,
wobei gerade Beispiele wie die
Strecke Weimar - Kranichfeld, die Usedomer
Bäderbahn und die Strecke Chemnitz
- Stollberg eine Akzeptanz für den Einsatz
alter Triebwagen erkennen lassen, wenn
andere Qualitätsmerkmale stimmen (Bedienhäufigkeit,
Zugangsstellen schnell
erreichbar, Anschlüsse gewährleistet).
Doppelstockwagen wurden durchweg
nur für Kurzstrecken als geeignet empfunden.
Kritik gab es in Hinsicht auf die
Trennung von Sitz- und Eingangsbereich
(Kälte), unzumutbare Hitze im Sommer
(Fenster sind kaum zu öffnen) und unzureichende
Trennung von Nichtraucher
und Raucherbereich.
Das Platzangebot wird hauptsächlich
am Wochenende in den Nahverkehrszügen
stark nachgefragter Relationen als
nicht ausreichend betrachtet (beispielsweise
Schweinfurt - Gera, Erfurt - Großkorbetha,
Halle - Berlin). Durchweg
schlecht schnitten Doppelstockwagen bei
der Gepäck-Abstellmöglichkeit ab.
Das preiswerte Imbissangebot (Ostmecklenburgische
Eisenbahn, Strecke Koblenz
- Trier) wurde, sofern es bekannt
war, als Qualitätssteigerung bewertet.
Das Angebot der Mitropa sties auf Kritik.
Reisende kritisierten die hohen Getränkepreise
(durchschnittlich 1/3 teurer).
Familien mit Kleinkindern erwarten in
den Nahverkehrszügen ein Abteil mit der
Möglichkeit auch Kinderwagen abstellen
zu können und ungestört zu sein.
Service
Zu nennen wären hier
- Auskunftserteilung,
- Sauberkeit und Bequemlichkeit
auf den Zugangsstellen,
- Informationen auf dem Bahnhof.
Die telefonische Auskunft wird nur von
12 bis 15 Prozent genutzt. Kritisiert wurden
ungenaue Auskünfte und der Preis
(dadurch entsteht ein Druck, nicht nach
Alternativen zu fragen). Elektronische Medien
werden hauptsächlich von jungen
Leuten genutzt. Der Umgang mit diesem
Medium muss erlernt sein, Fehleinstellungen
führen zu absurden Resultaten. Diese
Medien werden oft von Gelegenheitsfahrern
genutzt und führen zu einer negativen
Werbung, da keine Netzkenntnisse
und Kenntnisse der Angebote vorausgesetzt
werden können. Die Schalterauskunft
wurde am häufigsten genutzt. Die
Qualität der Auskünfte wurden ist gut bis
ausreichend.
Viele Fahrgäste nutzen noch den Fahrplan
in Druckform, meistens regionale
Kursbücher und die Städteverbindungen.
Diese Informationsquelle ist wichtig, da
hier kaum Zeitdruck entsteht und keine
Wege bzw. Entgelte anfallen.
Zugangsstellen müssen ausreichend
gekennzeichnet sein. Ausreichender Wetterschutz
soll Selbstverständlich sein. Es
ist ärgerlich, in eisiger Kälte auf einen verspäteten
Zug warten zu müssen.
Die Bahnhöfe sind die Visitenkarten des
Verkehrunternehmens. Sie dürfen deshalb
nicht zu einer Kloake verkommen;
ein verschlossener Bahnhof hilft auch keinem
Reisenden. Unangenehm ist das
Warten während der Nachtstunden.
Informationen auf dem Bahnhof sollten
bei besonderen Betriebssituationen richtig
und rechtzeitig erfolgen. Die Information
über den Standort eines Kinderwagenabteils
bzw. Behindertenabteils wäre
von Vorteil, auch bei Nahverkehrszügen.
Der Preis
Er ist kein Merkmal der Qualität, entscheidet
aber über die Akzeptanz des Angebotes
bei gegebener Qualität. Abstriche
werden bei günstigen Preisen in Kauf genommen
(„Wochenend-Ticket").
Die Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit
der Preisbildung kann allerdings
ein Qualitätsmerkmal sein.
Der Fahrausweis-Erwerb muß zu jedem
Zeitpunkt in einer vernünftigen Zeit (bis
zu 15 Minuten) ohne Zuschlag möglich
sein. Da der Kunde häufig auf Zubringer
angewiesen ist und eine Abstimmung
häufig eine Utopie ist, ist man häufig
nicht in der Lage, rechtzeitig Fahrausweise
zu erwerben. Generell sollte die Nachlösegebühr
abgeschafft werden, wenn
sich der Reisende rechtzeitig beim Zugbegleitpersonal
meldet.
Schlußfolgerungen
Die Reisezeiten im öffentlichen Verkehr
müssen denen im MIV angeglichen werden
oder eine niedrige Qualität (längere
Reisezeit) drückt sich im Preis aus.
Der Systemgedanke zwischen den Verkehrsträgern
und Aufgabenträgern muß
greifen (einheitlicher Fahrplanwechsel).
Passende Anschlüsse sollen länger als
eine Fahrplanperiode bestehen.
Die Nahverkehrspläne der Länder dürfen
nicht Makulatur sein.
Es muss eine Sicherheit bei der Bedienung
für viele Menschen aufrecht erhalten
werden.
Vorankündigung und tatsächliches Angebot
müssen in Übereinstimmung sein.
DBV Thüringen
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