Sehr häufig ist die Sperrung eines Streckengleises
nötig. Das führt auf eingleisigen Strecken
zu Totalausfällen, bei zweigleisigen Linien
kommt es zu Wartezeiten auf den jeweiligen
Gegenzug. Bereits ein fünf Kilometer langer
eingleisiger Abschnitt sorgt dafür, dass ein
entgegen kommender Zug bei den im Baustellenbereich
üblichen Geschwindigkeiten im
ungünstigen Fall sieben bis acht Minuten auf
eine freie Fahrplantrasse warten muss.
Die Akzeptanz der Fahrgäste für baustellenbedingte
Verspätungen oder Zugausfälle ist
durchaus vorhanden. Schließlich ist der Sanierungsbedarf
am Schienennetz allgemein bekannt
und die Qualitätsverbesserung durch
Ausbauten wird gewünscht. Voraussetzung ist
allerdings eine frühzeitige Information der
Fahrgäste sowie die Bereitstellung geeigneter
Alternativen. Grundsätzlich kommen folgende
Maßnahmen in Betracht, um die anfallenden
Verspätungen für Fahrgäste transparent zu
machen: Ersatzzüge anzubieten und die Fahrzeiten
trotz Bauarbeiten im erträglichen Rahmen
zu belassen.
Baustellen-Fahrpläne
Jede Fahrplanabweichung durch Bauarbeiten
ist im Gegensatz zu Unfällen, Signalstörungen,
Unwettern etc. vorhersehbar. Die Informationen
darüber können im günstigsten Fall schon
Monate im voraus an die Fahrgäste weiter
gegeben werden. Zum Beispiel rechtfertigen
längere Baumaßnahmen die Publikation eines
„Baustellenfahrplanes" in den Kursbüchern
und elektronischen Fahrplanmedien eines
ganzen Fahrplanjahres. Die DB hat davon
in den vergangenen Jahren vermehrt Gebrauch
gemacht, geht jedoch aus unverständlichen
Gründen immer wieder davon ab.
Infobroschüren und Aushänge
Die Information über vorhersehbare Verspätungen
darf den Fahrgast nicht erst beim Betreten
des Bahnhofs erreichen. „Üblich" bei
kleineren bis mittleren Baumaßnahmen ist
derzeit ein Aushang etwa eine Woche vor
Beginn der regelmäßigen Verspätungen. Das
führt dazu, dass nur häufige Bahnkunden die
Information wahrnehmen können, nicht jedoch
Gelegenheitskunden. Absehbare Verspätungen
sollten bereits ca. vier Wochen vor
Beginn am Bahnhof publiziert werden. Und
zwar an stets derselben, zentral gelegenen
Stelle, damit sich regelmäßige Nutzer „gewohnheitsmäßig"
Informieren können.
Infobroschüren über Fahrplanabweichungen
sind in Hessen nahezu unbekannt. In
anderen Regionen, beispielsweise Berlin, haben
sie sich zum hauptsächlichen Medium entwickelt
und fanden durch eine sympathische Gestaltung
zumindest in der Anfangsphase sogar
überregionale Beachtung („Max der Maulwurf").
Nutzung des Verkehrsfunkes
Völlig unverständlich ist, warum im Verkehrsfunk
kaum über Bahnverspätungen informiert
wird. Gerade die vorhersehbaren baustellenbedingten
Verspätungen eignen sich für eine
Publikation per Verkehrsfunk, weil sie den
Fahrgast rechtzeitig zu Hause und nicht erst
am Bahnhof erreichen. Dabei würde es genügen,
einmal stündlich über die Lage im Schienennetz
zu berichten.
Zusätzliche Pendelzüge
Wenn viele Fahrgäste außerhalb des eigentlichen
Baustellenbereiches betroffen sind
lohnt sich der Einsatz von zusätzlichen Pendelzügen
auf den nicht von Bauarbeiten tangierten
Streckenteilen. So ließe sich beispielsweise
bei einer Baustelle auf der Main-Weser-Bahn
in Nordhessen der starke Pendlerverkehr
zwischen Mittelhessen und Frankfurt von
den verspäteten Regelzügen „abkoppeln".
Die Zahl der betroffenen Fahrgäste würde
stark sinken.
Bauweichen
Eine Ursache für Verspätungen liegt in der
Gleisinfrastruktur. Bis vor ca. zehn Jahren verfügten
fast alle Landbahnhöfe noch über Weichenverbindungen
oder Ausweichen für den
lokalen Güterverkehr. Diese Verbindungen
konnten problemlos bei Bauarbeiten genutzt
werden. Durch den drastischen Umbruch im
Schienengüterverkehr sind diese Verbindungen
vielfach entfallen. Heute sind „weichenlose"
Abschnitte von 10 bis 15 Kilometern
auch auf Hauptstrecken keine Seltenheit. Bei
längerfristigen Baumaßnahmen müssten daher
spezielle „Bauweichen" wieder eingebaut
werden. Der Aufwand dafür ist hoch, da
auch die Signaltechnik mit einzubeziehen ist.
Beispiel Main-Weser-Bahn
Im Laufe des Jahres 2001 führte die Deutsche
Bahn auf der quer durch Hessen verlaufenden
Main-Weser-Bahn umfangreiche Erneuerungsarbeiten
durch. Die Baustellenfahrpläne
erstreckten sich über ein halbes Jahr und waren
in allen Fahrplanmedien publiziert. Das
leicht reduzierte Zugangebot wurde mit planmäßigen
Fahrzeitverlängerungen überwiegend
fahrplangetreu gefahren. Nach einer
Umgewöhnungsphase gab es kaum noch Akzeptanzprobleme
bei den Fahrgästen.
Ganz anders die Situation bei der „Sommerbaustelle"
des Jahres 2003. Durch Erneuerungsarbeiten
auf einem sieben Kilometer
langen Abschnitt bei Stadtallendorf kam es
zu regelmäßigen Verspätungen von 10 bis 20
Minuten über einige Wochen hinweg. Die Informationen
darüber waren dürftig und beschränkten
sich in der Regel auf Lautsprecherdurchsagen.
Die Wirkung einer zwanzigminütigen Verspätung
auf der Main-Weser-Bahn ist
groß: Sie tangiert auf der knapp 200 Kilometer
langen Linie den RE- und IC-Verkehr auf
der Gesamtstrecke sowie den Regionalbahnverkehr
in Nord- und Mittelhessen und im
Lahn-Dill-Kreis. Durch Anschlussverluste sind
auch Teile der S-Bahn Rhein-Main sowie Nebenlinien
im Raum Marburg direkt betroffen.
Folgende Maßnahmen wären nötig
gewesen:
-
Längerfristige Fahrgastinformationen, damit
Fahrgäste auf dem Abschnitt zwischen
Marburg und Frankfurt aus dem
durchaus dichten Zugangebot eine frühere
Verbindung hätten auswählen können.
Auflage einer Broschüre und Informationen
per Verkehrsfunk.
-
Durch Bauweichen hätte sich der eingleisige
Abschnitt in etwa halbieren lassen.
Der zweifellos hohe finanzielle Aufwand
für Bauweichen wäre für zusätzliche
Pendelzügen zwischen Marburg und
Frankfurt sicher sinnvoller einsetzbar gewesen.
Fazit
Die Möglichkeiten, Verärgerungen bei den
Fahrgästen durch baustellenbedingte Verspätungen
in Grenzen zu halten, werden in Hessen
derzeit nur unzureichend genutzt. Gerade
diese vorhersehbaren Verspätungen eignen
sich aber für eine frühzeitige umfassende Information
sowie für ein Gegensteuern in Form
von angepassten Baustellenfahrplänen und
zusätzlichen Pendelzüge. Und sie eignen sich
für klare Qualitätsvorgaben seitens der für
den Regionalverkehr verantwortlichen Verkehrsverbünde.
Hier scheint es auch Abstimmungsprobleme
zwischen DB-Netz und den
Verbünden zu geben, wie das Beispiel einer
zunächst vom RMV „unbemerkten" Baustellenserie
des Sommers 2003 im Frankfurter
S-Bahn-Netz zeigt.
Pro Bahn und Bus Hessen
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