Am 3. Februar 2005 faßten die Stadtverordneten
von Frankfurt (Oder) zwei
wegweisende Beschlüsse: Erstens soll
die Straßenbahn auch künftig das
Rückgrat im öffentlichen Nahverkehr
der Stadt bleiben, zweitens soll eine
Strecke über die Oder ins polnische
Stubice gebaut werden. Dieses wäre die
erste grenzüberschreitende
Straßenbahnverbindung zwischen Deutschland
und Polen.
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Durch die Fußgängerzone in Slubice soll schon bald eine Straßenbahn fahren. Hier ist die Anlage einer Haltestelle geplant. Foto: Florian Müller |
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Schon der erste Beschluß ist wichtig, denn
damit wird eine Grundlage für die Erarbeitung
des zunächst bis 2010 gültigen Nahverkehrsplans
gelegt. Der zweite Beschluß
beinhaltet den Bau einer Straßenbahnstrecke
nach Stubice in Polen (dem ehemaligen
Frankfurter Stadtteil Dammvorstadt östlich
der Oder), die ab 2008 befahren werden soll.
Zuvor hatte die Stadtverordnetenversammlung
mit großer Mehrheit einen Antrag der
CDU-Fraktion abgelehnt, der vorsah, „die
Straßenbahn auf die hochfrequenten Strecken
und Zeiten zu begrenzen sowie keine
Netzerweiterungen vorzunehmen"
Beschlossen: Strecke nach Stubice
Mit dem Anschluß von Slubice an die
Straßenbahn von Frankfurt (Oder) könnte
mit demselben Aufwand, den zur Zeit
das schlecht ausgelastete Streckenende
der Linie 3 zum Stadion verursacht, bis zur
Oderbrücke gefahren werden - bei größerer
Auslastung. Für die Bedienung der auf
polnischer Seite geplanten Schleifenstrecke
ist ein weiterer Zug nötig. Wagen dafür sind
vorhanden, da nach dem derzeit gültigen
Fahrplan nur 13 der 30 KT4D-Wagen benötigt
werden. Die Betriebskosten fallen größtenteils
auf der polnischen Seite an. Eine
eventuelle Differenz wird durch die bessere
Wirtschaftlichkeit kompensiert. Der Investitionsaufwand
für die gesamte Strecke ist
mit 7,6 Millionen Euro angegeben. Auf die
Stadt Frankfurt entfallen davon 2,7 Millionen
Euro, wenn sie auch für den Gleisbau
auf der Oderbrücke zahlen muß, was noch
nicht feststeht. Ansonsten würde sich die
deutsche Seite mit 1,1 Millionen Euro beteiligen,
die weitgehend aus Fördermitteln
der EU, des Bundes und des Landes bereitgestellt
werden.
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Die Stadtbrücke über die Oder verbindet Frankfurt mit dem polnischen Slubice. Über diese 400 Meter lange Brücke soll 2008 die grenzüberschreitende Straßenbahn fahren. Foto: Florian Müller |
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Die Strecke in Slubice besteht aus einer
etwa 3000 Meter langen eingleisigen
Schleife durch die Innenstadtstraßen. Hinzu
kommen cirka 400 Meter Strecke auf der
Brücke und den Zufahrten. Damit wäre
auch das Zentrum von Stubice erstmals direkt
angeschlossen. Die bis 1945 bestehende
Strecke über die Oder tangierte die damalige
Dammvorstadt nur und führte zum
Stadion an den Kleisthöhen. Für die innere
Erschließung gab es damals eine Buslinie B,
die ihren Startpunkt auf der östlichen Seite
der Oderbrücke hatte. Die Prognosen für
die Neubaustrecke nach Stubice liegen zwischen
2400 und 4800 Fahrgästen pro Tag.
Selbst wenn nur der untere Wert erreicht
würde, wäre der Bau schon von Vorteil für
die Verkehrsgesellschaft Frankfurt, aber
auch für die Bewohner beider Städte, die
heute noch unter dem Grenzverkehr mit
Autos in den Innenstädten leiden oder
weite Fußwege über die Brücke haben.
Auch im Hinblick auf die sinkende Einwohnerzahl
Frankfurts (vor 1990 fast 90.000
Einwohner, heute 66.000, im Jahre 2010
voraussichtlich nur noch 55.000) ist der
Anschluß der 17.000 Einwohner Stubices
an das Streckennetz der leistungsfähigen
Straßenbahn von Bedeutung. Die Attraktivität
der Tram kann gegenüber dem Bus
so viele neue Kunden gewinnen, daß damit
auch das Bestandsnetz langfristig gesichert
ist. Wahrscheinlich werden einzeln fahrende
KT4D für die Nachfrage auf der neuen
Strecke nicht ausreichen.
Vollständigkeitshalber sei erwähnt, daß
im Vorfeld der Entscheidung von einigen
Stadtverordneten eine (vorläufige?) Buslinie
nach Slubice vorgeschlagen wurde. Diese
müßte aber in Frankfurt mindestens bis zum
Bahnhof fahren und damit weitgehend parallel
zur Straßenbahn, ohne daß dafür andere
Leistungen eingespart werden könnten. Dagegen
wird bei einer Straßenbahnanbindung
zugleich das Liniennetz optimiert.
Die Situation heute
Die seit langem heftig diskutierten und
nun endlich gefaßten zukunftsweisenden
Beschlüsse geben Anlaß, das derzeitige
Frankfurter Strecken- und Liniennetz näher
zu betrachten.
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Streckennetz Straßenbahn Frankfurt (Oder) und Slubice, Stand 2005 Grafik: Straßenbahn Frankfurt (Oder), Ergänzungen: Wolfgang Höfer |
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Im Stadtliniennetz mit seinen acht Bus- und
sechs Bahnlinien werden jährlich etwa
12 Millionen Fahrgäste befördert, davon
rund 9 Millionen mit der Straßenbahn - das
sind beachtliche 75 Prozent! Das derzeitige
Streckennetz ist 25,1 Kilometer lang, jede der
sechs Linien fährt werktags alle 20 Minuten.
Da fast alle Strecken mit zwei Linien belegt
sind, besteht auf dem größten Teil des Netzes
ein Zehn-Minuten-Takt. Neuberesinchen
wird mit drei Linien sogar alle sechs bis sieben
Minuten bedient. Lediglich zur Lebuser
Vorstadt und außerhalb des Berufsverkehrs
zwischen Kopernikusstraße und Markendorf
wird nur alle 20 Minuten gefahren. Montags
bis freitags in der Hauptverkehrszeit (HVZ)
verkehrt die Linie 4 alle zehn Minuten, die
Linie 3 verkehrt dann nicht. Von den Haltestellen
Bahnhof und Zentrum bestehen
Direktverbindungen in alle von der Straßenbahn
bedienten Stadtteile. Das Glanzstück
im Streckennetz ist die Stadtbahntrasse nach
Markendorf mit fünf niveaufreien Über- bzw.
Unterführungen, darunter eine Straßenbahnbrücke
über die Autobahn A12 und der
viergleisigen Endstelle Markendorf vor dem
ehemaligen Halbleiterwerk.
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Derzeit beherrschen tschechische Tatrawagen den Betrieb. Einige Niederflurfahrzeuge sind ebenfalls anzutreffen. Für die neue Schleife in Slubice wäre nur ein zusätzlicher Umlauf nötig. Foto: Florian Müller |
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Der Fahrzeugpark besteht aus acht
Niederflurgelenktriebwagen GT6M mit je
27 Meter Länge und 30 Kurzgelenktriebwagen
Tatra KT4D mit je 18 Meter Länge.
Erstere sind Verwandte des in Berlin
fahrenden Typs, letztere sind zum Teil
bereits abgestellt. Die Leistungsfähigkeit
der Frankfurter Straßenbahn kann erst seit
1987 mit dem Einsatz der KT4D in 36-Meter-Doppeltraktionen
voll genutzt werden. Die
bis dahin eingesetzten Gothazüge durften
wegen einiger starker Steigungen im Streckenetz
nur als Triebwagen-Beiwagen-Kombination
mit 22 Metern Länge eingesetzt
werden. Aufgrund des Verkehrsrückganges
ab 1990 sind die meisten der maximal 17
benötigten Züge heutzutage KT4D Solowagen.
Auf der Linie 2, in deren Einzugsbereich
sich zahlreiche Einrichtungen der
Europauniversität Viadrina befinden, wird
tagsüber mit Doppeltraktionen gefahren.
Die GT6M sind so im Netz verteilt, daß auf
allen Strecken Niederflurwagen angeboten
werden. Am Tage ist das Angebot meist
gut ausgelastet, lediglich die Streckenenden
zum Stadion und zur Lebuser Vorstadt
werden nicht so gut nachgefragt. Auf der
Strecke der Linien 3 und 4 zwischen Zentrum
und Südring sind die Bahnen zur HVZ
oft überfüllt, so daß auch dort Doppeltraktionen
gerechtfertigt wären.
Zukunft für die Straßenbahn
Auch an anderen Stellen ist das Frankfurter
Straßenbahnnetz entwicklungsfähig. Eine
Strecke aus Neuberesinchen zum Stadion
und damit auf alternativer Route ins Zentrum
würde aus der wenig genutzten Stichstrecke
dort eine gefragte Durchgangsverbindung
werden lassen. Langfristig sollte auch die
Anbindung der Nordstadt, ausgehend von
der Strecke zur Lebuser Vorstadt, als Option
offengehalten werden. Wolfgang Höfer und IGEB Stadtverkehr
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