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Die S-Bahn Berlin hatte eingeladen, und
viele, viele kamen, um das große Fest zu
feiern. Am 24. Februar 2005 fuhr die erste
S-Bahn seit dem Mauerbau wieder nach
Teltow, oder genauer, sie fuhr das erste Mal
überhaupt nach Teltow Stadt, denn bis zum
12. August 1961 befand sich der Teltower
S-Bahnhof weiter draußen, dort wo jetzt der
Regionalbahnhof liegt. Der neue S-Bahnhof
an der Mahlower Straße ist nur wenige Minuten
vom historischen Teltower Stadtzentrum
entfernt. Lediglich 25 Minuten soll die
Fahrt in die Berliner Innenstadt dauern, also
bis zum Potsdamer Platz, jubelte die S-Bahnzeitung
„punkt 3" Großartig! Daß sich diese
Angabe auf die Tage von Montag bis Freitag
bezieht, steht nicht in den Jubelartikeln, sondern
im hinteren Teil der Zeitung unter der
Rubrik „fahren & bauen" Dort kann man
sich unter Gewinn bringendem Einsatz der
kleinen grauen Zellen zusammenreimen, daß
Bauarbeiten die Fahrt nach Teltow am Wochenende
verlängern und sie gar zu einem
kleinen Abenteuer werden lassen. Wenn
man es recht betrachtet, ist das natürlich
kein Mangel, sondern im Gegenteil genau
das Richtige für einen S-Bahn-Fan.
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Pendelverkehr und Schienenersatzverkehr verärgerten die S-Bahn-Fahrgäste am Teltower Eröffnungswochenende. Foto: Florian Müller |
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Als ich am Sonnabend, dem 26. Februar,
um 11.29 Uhr, von Frohnau nach Teltow aufbrach,
war auf den Anzeigern des Bahnhofs
kein Fahrziel angegeben; stattdessen leuchtete
auf den beiden Bahnsteigseiten das rote
Schild „Ansage beachten" Da man seit einiger
Zeit die Zugabfertiger vom Frohnauer
Bahnhof abgezogen hat, erwartete ich die
Ansage natürlich von den Zugführern, aber
der eine, der seinen Zug in Frohnau wendete,
blieb stumm, während der andere, der
aus Oranienburg kam und uns in die Stadt
bringen sollte, den Fahrgästen etwas wortkarg
erklärte, warum vorn an seiner Bahn als
Fahrziel „Bornholmer Straße" angegeben
war. Da war irgendwie von Pendelverkehr
die Rede, aber seine Angaben ließen keine
genauen Vorstellungen zu. Die Spannung
sollte ja gewahrt bleiben.
Eröffnung mit Pendelverkehr...
Ich hatte wegen der schon seit einiger Zeit
angekündigten Bauarbeiten am Signalsystem
des Nord-Süd-Tunnels mit Pendelverkehr gerechnet,
aber das, was mir bevorstand, übertraf
meine kühnsten Hoffnungen. In der Vergangenheit
hatte es an den Wochenenden
immer wieder einmal Pendelverkehr zwischen
Nordbahnhof und Potsdamer Platz mit
Umsteigen in Friedrichstraße gegeben. Doch
anstelle eines dreimaligen Zugwechsels hatte
die S-Bahn Berlin GmbH am dritten der
Teltower S-Bahntage für ihre Fahrgäste aus
dem Norden ein siebenmaliges Umsteigen
in ihrem Festprogramm, zumindest dann,
wenn sie durch die Innenstadt fuhren und
nicht ganz banal in Gesundbrunnen in die
Ringbahn wechselten. Das hatte der Fahrer
der S 2 zwischen Bornholmer Straße und Gesundbrunnen
über Lautsprecher denjenigen
Fahrgästen ans Herz gelegt, die nicht vorhatten,
das Programm voll auszukosten. Diese
Fahrgäste - natürlich keine echten Fans
- durften auf ihrer Fahrt vom Norden nach
Teltow nur viermal den Zug wechseln.
In Bornholmer Straße hieß es zunächst
einmal, von einem zum anderen Bahnsteig
zu hüpfen und in die S 2 zu steigen, die immerhin
bis Nordbahnhof fuhr. Als echter Fan
wechselte ich in Gesundbrunnen nicht zur
Ringbahn, sondern blieb bis Nordbahnhof
sitzen, denn erstens meinte ich, Anspruch
auf das volle Programm zu haben, und zweitens
wollte ich in der Friedrichstraße, wo ohnehin
wieder umgestiegen werden mußte,
noch schnell bei der „Distel" im Vorverkauf
Eintrittskarten besorgen. Am Nordbahnhof
mußte man wieder - treppauf-treppab - den
Bahnsteig wechseln und in den Pendelzug
zur Friedrichstraße steigen.
... und Schienenersatzverkehr
Meine Rechnung mit dem Kartenkauf ging
allerdings nicht auf, denn am Sonnabend
bleibt die Distelkasse tagsüber geschlossen.
Also eilte ich zur S-Bahn zurück und harrte
des Pendelzugs zum Potsdamer Platz, der
auch nicht allzu lange auf sich warten ließ.
Am Potsdamer Platz war das S-Bahnvergnügen
erst einmal zu Ende. „Weiterfahrt mit
dem Schienenersatzverkehr" verkündete der
Bahnhofslautsprecher. Dummerweise wußte
ich, daß die Haltestelle für die Busse über
den Ausgang in Fahrtrichtung zu erreichen
war. Auch ein paar Aufklebeschilder verrieten
den Weg zum SEV. Der Lautsprecher verkniff
sich in dieser Angelegenheit allerdings
entsprechende Hinweise. Nur nicht zu viel
verraten!
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Mit viel Prominenz und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der Medien wurde die S-Bahn nach Teltow Stadt am 24. Februar mittags in Betrieb genommen. Foto: Winfried Oehmichen |
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Im Sturmschritt ging es zur Bushaltestelle.
Der Fahrer wartete mit dem Abfahren immerhin
so lange, bis ich kurz vor der Eingangstür
war. Aber nur keine Panik, es gab ja
eine „dichte Taktfolge" Und so gelangte ich
- mir nichts, dir nichts - zu dem S-Bahnhof
Yorkstraße, an dem an normalen Tagen die
Züge der S 2 und der S 26 verkehren. Doch es
war ja kein normaler Tag. Nach kurzer Wartezeit
erschien aus Richtung Süden ein Zug,
der am Bahnhof wendete und die Fahrgäste
und Fans zum Bahnhof Papestraße brachte,
bis zu dem der südliche Teil der S 2 verkehrte.
Von der S 26 keine Spur. Die hatte an ihrem
dritten Feiertag am Bahnhof Priesterweg
ihre Endstation. Und so wurde mir das unverhoffte
Glück zuteil, noch ein siebentes
Mal umsteigen zu dürfen.
Doch ehe der Zug nach Teltow abfuhr,
vergingen erst einmal ungefähr fünfzehn
Minuten, denn zunächst war der Zug nach
Lichterfelde Süd dran. Die Wartezeit hatte
ich mir natürlich selbst zu verdanken, denn
wäre ich in Friedrichstraße direkt umgestiegen,
so hätte ich in Priesterweg Anschluß
nach Teltow Stadt gehabt. Aber glücklicherweise
war das ja nicht der Fall. Als unser Zug
um 13.13 Uhrschließlich den neuen Bahnhof
erreichte, hatte ich genügend Vorfreude angesammelt,
um den letzten der drei Teltower
Bahnhofstage in vollen Zügen zu genießen.
In vollen Zügen
Apropos in vollen Zügen. Die S-Bahn Berlin
GmbH tat ihr Bestes, um uns das unter
Fans so beliebte Drängeln zu ermöglichen.
In ihrer fürsorglichen Art setzte sie auf
den meisten der sieben Bahn-Teilstrecken
von Frohnau nach Teltow Stadt Halbzüge
ein. Vielen Dank. Um die Güte der GmbH
nicht überzustrapazieren, begnügte ich
mich auf dem Heimweg mit viermaligem
Umsteigen, indem ich in Papestraße nach
einem wunderbar langen Fußweg in die
Ringbahn über Ostkreuz stieg und so leider
schon nach einer Stunde und einundvierzig
Minuten wieder am S-Bahnhof Frohnau
ankam. Klaus Pegler, Berlin
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