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Markterkenntnisse messen den Kriterien
Schnelligkeit neben Preis, Zuverlässigkeit
und Flexibilität sowohl im Personen- als
auch im Güterverkehr eine dominierende
Rolle zu. Mit der Inbetriebnahme längerer
Neubaustreckenabschnitte, schwerpunktmäßig
seit Mai 1988 (Edesheim—Nörten-Hardenberg und Fulda—Würzburg),
konnten seitdem in vielen Relationen auf
der Schiene deutliche Reisezeitreduzierungen
erzielt werden. Fraglich bleibt derzeit
jedoch die Realisierung weiterer wichtiger
Infrastrukturprojekte und damit die weitere
Attraktivitätssteigerung der Bahn sowohl
im Schienenpersonenfern- als auch im Güterverkehr.
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Eine deutliche Fahrzeitverkürzung ist in den Mittelgebirgen in der Regel nur mit einer Neutrassierung möglich. Neubaustrecke Hannover—Würzburg bei Fulda. Foto: Christian Schultz |
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Die Realisierung der bisherigen Neu- und
Ausbaumaßnahmen mit zum Teil erheblichen
Fahrzeiteinsparungen - bis hin zur
Halbierung - war ein bedeutender Schritt
zur Erhöhung der Marktfähigkeit und zur
Verbesserung der Wettbewerbssituation der
Bahn gegenüber Pkw und Flugzeug.
Seit 1988 wurden mehrere wichtige
Neubaustrecken (NBS), die Geschwindigkeiten
von 250 km/h bzw. mehr zulassen,
in Betrieb genommen. Daneben konnte
auf mehreren Ausbaustrecken (ABS) die
Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h angehoben
werden.
Derzeit stehen folgende Neubaustrecken
zur Verfügung:
- Hannover Hbf—Würzburg Hbf: Länge
327 km, planmäßige Höchstgeschwindigkeit
250 km/h, Durchschnittsgeschwindigkeit
164 km/h bei 3 Zwischenhalten
in Göttingen, Kassel-Wilhelmshöhe und
Fulda.
- Mannheim Hbf—Stuttgart Hbf: Länge
107 km (neu trassiert 100 km), planmäßige
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h,
Durchschnittsgeschwindigkeit 183 km/h
(keine Zwischenhalte).
- BerlinZoologischer Garten—Wolfsburg
(—Hannover Hbf): Länge Berlin—Wolfsburg
(NBS) 180 km, Wolfsburg—Hannover
(ABS) 75 km; planmäßige Höchstgeschwindigkeit
250 km/h, auf der Ausbaustrecke
200 km/h, Durchschnittsgeschwindigkeit
168 km/h bei einem Zwischenhalt in Berlin-Spandau oder Wolfsburg.
- Köln Hbf—Frankfurt am Main Hbf:
Länge 180 km, zulässige Höchstgeschwindigkeit
300 km/h, Durchschnittsgeschwindigkeit
157 km/h bei einem Zwischenhalt
in Frankfurt am Main Flughafen.
- Berlin Zoologischer Garten—Hamburg
Hbf: Länge 287 km, zulässige
Höchstgeschwindigkeit 230 km/h, Durchschnittsgeschwindigkeit
189 km/h.
- Köln Hbf—Düren als Bestandteil der
ABS Köln—Aachen: Länge 38 km, zulässige
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h.
- Rastatt—Offenburg als Teilabschnitt
der ABS/NBS Karlsruhe Hbf—Offenburg—Freiburg Hbf—Basel: Länge
48 km, zulässige Höchstgeschwindigkeit
250 km/h.
Im Mai 2006 ist die Betriebsaufnahme
auf folgender Schnellfahrstrekke
geplant:
- Nürnberg Hbf—Ingolstadt Hbf—München Hbf: Länge 171 km, zulässige
Höchstgeschwindigkeit 300 km/h zwischen
Nürnberg Hbf und Ingolstadt Hbf,
bis zu 200 km/h zwischen Ingolstadt Hbf
und München Hbf.
Nicht überzeugen kann derzeit - gerade wegen
der mit 300 km/h befahrenen Neubaustrecke
- die Durchschnittsgeschwindigkeit
zwischen Köln Hbf und Frankfurt am Main
Hbf von derzeit lediglich 157 km/h, während
auf der ausgebauten Strecke Berlin—Hamburg
mit 189 km/h derzeit der beste Wert in
der Bundesrepublik erzielt wird.
Kapazitätsengpässe im Personen- und
Güterverkehr
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Die Entmischung des schnellen und langsamen Verkehrs würde auch zwischen Hamburg und Hannover Betriebsqualität und Leistungsfähigkeit verbessern. Güterzug auf der ICE-Strecke in Bad Bevensen. Foto: Christian Schultz |
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Als schwerwiegendes Hemmnis erweist sich
das in vielen Relationen aus dem vorigen
Jahrhundert stammende Streckennetz, das
sowohl quantitativ hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit
als auch qualitativ bezüglich
der erreichbaren Reisezeiten den Anforderungen
des Verkehrsmarktes nicht ausreichend
gerecht wird. Hierbei muß auch berücksichtigt
werden, daß Engpässe im Schienennetz die
mögliche Transportleistung im Schienengüterverkehr
vermindern. Um die notwendigen
Verlagerungseffekte zugunsten der Schiene
zu erreichen, bzw. zur Trennung von schnellen
(ICE) und langsameren Zügen (Güterverkehr,
Regionalverkehr) kommt der Realisierung folgender
Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans
2003 hohe Bedeutung zu:
- ABS/NBS Hamburg/Bremen—Hannover
(Y-Trasse): Länge NBS (Hannover—)
Isernhagen—Lauenbrück 92 km; ABS
Visselhövede—Langwedel 22 km, Entwurfsgeschwindigkeit
NBS 300 km/h, ABS
160 km/h, Fahrzeit Hamburg Hbf—Hannover
Hbf derzeit 70 bis 74 Minuten (ohne
Zwischenhalt), mit NBS 56 Minuten.
Mit dieser Maßnahme werden nicht nur
Fahrzeitreduzierungen möglich, hohe Bedeutung
hat diese Strecke auch zur notwendigen
Kapazitätserhöhung im Seehafen-Hinterlandverkehr.
Entsprechend dem aktuellen
Hafenentwicklungsplan wird für das
Jahr 2015 allein für den Hamburger Hafen
ein Gesamtumschlag von 221,6 Mio t prognostiziert
(Gesamtumschlag im Jahr 2004:
114,5 Mio. t). Der Containerumschlag wird
sich dabei weitaus dynamischer entwickeln.
Die Bahn hat hier derzeit einen erfreulich hohen,
aber dennoch ausbaufähigen Anteil am
Modal-Split der Verkehrsträger. Dieser ist
durch folgende Kenngrößen charakterisiert:
Mit der Bahn werden transportiert
- knapp 30 % des gesamten Seehafenumschlags,
- 55 % der Güter im Hinterlandverkehr außerhalb
der Metropolregion Hamburg,
- 70 % aller Container im Fernverkehr (über
150 km)!
Täglich verkehren derzeit 170 bis 180 Güterzüge
zwischen dem Hamburger Hafen und
dem Binnenland.
Eine verkehrspolitisch fatale Entwicklung
wäre es, wenn angesichts bereits heute
bestehender Trassenkonflikte auf der Bahnstrecke
Hamburg—Uelzen—Hannover
künftig ein zunehmend höherer Anteil z.B.
von Containertransporten in immer längeren
Lkw-Kolonnen über die Autobahn erfolgte!
- NBS Rhein/Main—Rhein/Neckar: Neubaustrecke
Frankfurt am Main Sportfeld—Mannheim Hbf;
Einbindung in die vorhandene
NBS Mannheim Hbf—Stuttgart Hbf,
Entwurfsgeschwindigkeit 300 km/h.
Auch dieses Projekt ist eines der wichtigsten
Projekte zur Kapazitätserhöhung bzw.
Pünktlichkeitserhöhung; Bedeutung hat
die Kapazitätserweiterung in diesem Korridor
u.a. als Zulauf für die Alpenquerungen
durch die Schweiz.
ABS/NBS Karlsruhe Hbf—Offenburg—Freiburg
Hbf—Basel Bad Bf (fertiggestellt:
Rastatt—Offenburg, s.o.): Länge
190 km, zzgl. Güterumfahrung Freiburg
44 km, Entwurfsgeschwindigkeit NBS
250 km/h, für die Güterumfahrung Freiburg
und Ausbau der Rheintalbahn abgestuft
160 km/h bis 200 km/h, Fahrzeit vor
Baubeginn 100 Minuten, nach Bauende
69 Minuten.
Dieses Projekt hat besondere Bedeutung bezüglich
der Beseitigung von Kapazitätsengpässen
und zur Verbesserung des Zulaufs für
den die Alpen querenden Verkehr. Mit dem
in Bau befindlichen Lötschberg-Basistunnel
(Fertigstellung voraussichtlich 2007) und dem
Gotthard-Basistunnel (Fertigstellung voraussichtlich
2015) wird die Bedeutung der Bahn
in dieser Relation künftig deutlich zunehmen.
Mit den SchweizerTunnelprojekten werden die
Voraussetzungen geschaffen, daß ein Großteil
des die Alpen querenden Güterverkehrs per
Bahn transportiert werden kann. Diese Infrastrukturprojekte
nutzen als isolierte Maßnahmen
jedoch wenig, wenn keine ausreichenden
Kapazitäten auf den Zulaufstrecken der jeweiligen
Nachbarländer zur Verfügung stehen.
ABS/NBS Halle/Leipzig—Erfurt-Nürnberg:
Länge NBS Halle/Leipzig—Erfurt—Ebensfeld
230 km, ABS Ebensfeld—
Nürnberg 83 km, Entwurfsgeschwindigkeit
NBS 300 km/h, ABS bis zu 230 km/h.
Speziell in dieser Relation ist die Wettbewerbsposition
der Bahn gegenüber dem Pkw
und dem innerdeutschen Flugverkehr derzeit
sehr unbefriedigend. Die aktuellen Probleme
bezüglich der Angebotsgestaltung in der Relation
Berlin—München wurden bereits in
SIGNAL 5/2004 dargestellt. Nach dem Bauende
können die Fahrzeiten zwischen Berlin
und München auf weniger als 4 Stunden
reduziert werden!
Ausbau der Schieneninfrastruktur
auf Sparflamme - dafür aber mehr
Fahrstreifen auf Autobahnen?
Während das Autobahnnetz angesichts sehr
günstiger Trassierungsverhältnisse praktisch
bundesweit attraktive Fahrzeiten zuläßt, besteht
bei der Eisenbahn-Infrastruktur noch immer
erheblicher Nachholbedarf. Hinzu kommt
die oben benannte Problematik bezüglich der
heutigen bzw. künftigen Kapazitätsengpässe
einzelner Strecken. Um weitere Verlagerungseffekte
sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr
zugunsten der Schiene zu erreichen,
sind daher entsprechende ordnungs- und investitionspolitische
Maßnahmen erforderlich.
Damit kann u.a. auch folgenden verkehrspolitischen
und gesellschaftlichen Zielen gemäß
Bundesverkehrswegeplan 2003 Rechnung
getragen werden:
- Gewährleistung einer dauerhaft umweltgerechten
Mobilität,
- Schaffung fairer und vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen
für alle Verkehrsträger,
- Verringerung der Inanspruchnahme von
Natur, Landschaft und nicht erneuerbaren
Ressourcen,
- Reduktion der Emissionen von Lärm,
Schadstoffen und Klimagasen (vor allem
Kohlendioxid),
- Förderung der europäischen Integration.
Daß mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr
die Nachfrage deutlich belebt werden kann,
beweist aktuell die ausgebaute Strecke Berlin—Hamburg.
Seit dem Fahrplanwechsel
am 12. Dezember 2004 hat sich das Fahrgastaufkommen
hier um rund ein Drittel
erhöht!
Zielführend ist daher - gerade angesichts
knapper Kassen - eine deutliche Verschiebung
der Mittelverteilung zugunsten der
Schiene bzw. zu Lasten der Straße. Zusätzliche
Investitionsmittel können daneben u.a.
durch folgende Maßnahmen bereitgestellt
werden:
- Verdoppelung der Maut in einer 2. Stufe
für nicht in der Bundesrepublik zugelassene
Lkw. Diese Maßnahme würde auch
dazu beitragen, den zunehmenden Dumping-Wettbewerb
u.a. aus Osteuropa zumindest
teilweise auszugleichen;
- Ausdehnung der Mautpflicht auf Bundesstraßen;
- Einbeziehung von Fernreisebus-Verkehren
in die Maut-Pflicht.
IGEB Fernverkehr
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