Berlin

Stammkunden zahlen besonders drauf

VBB-Tarife zum 1. August 2005 erhöht

Zum „bewährten Zeitpunkt" mitten in den Sommerferien wurden die Fahrpreise im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) erneut zum Teil drastisch erhöht. Es lohnt sich, zunächst einmal im Original zu lesen, wie uns uns diese schlechte Nachricht als gute verkauft werden sollte.

In seiner Presseinformation vom 27. Juli schrieb der Verkehrsverbund:

„Neue VBB-Tarife ab 1. August 2005
(...) Die Fahrpreise bleiben moderat. Durchschnittlich wird der VBB-Tarifum 3,8 Prozent angehoben. Die Preise wurden auf einer breiten Basis angepasst, so dass keine Kundengruppe besonders belastet wird. (...)

Nicht nur Neues - Altbewährtes bleibt erhalten:

  • Keine Erhöhung bei Geschwisterkarten und Schülertickets (Berlin AB). Die Schülertikkets bleiben erhalten und kosten auch nach dem 1. August2005 26 Euro monatlich. Die Geschwisterkarte kostet pro Monat weiterhin 16 Euro.
  • Der Einzelfahrschein Kinder (6 bis 13 Jahre) für Berlin AB und Berlin ABC bleibt von der Tarifanpassung unberührt. Der Preis für den Kinderfahrschein in den kreisfreien Städten bleibt weitgehend unverändert.
  • Der Preis für die Tageskarte Berlin BC und ABC und für die ermäßige Tageskarte in Berlin AB, BC und ABC bleibt erhalten.
  • Auch das 10-Uhr-Monatsticket bleibt von der Tarifanpassung unangetastet und wird gleichzeitig noch attraktiver (Rabattsteigerung gegenüber der VBB-Umweltkarte von 22,7 auf 26,1 Prozent). Dieses Angebot wurde bereits über den 31. Juli 2005 hinaus bis zum 31. Juli 2006 verlängert.
  • Der Preis für die Gruppenkarte - gültig für Gruppen ab vier Personen für eine Fahrt - sinkt im gesamten Verbundgebiet um mehr als 10 Prozent. Für eine Fahrt bis beispielsweise 55 km (z.B. Strecke Berlin—Neuruppin) kostet der Fahrschein jetzt 4 Euro statt wie bisher 4,60 Euro pro Person. Dieses Angebot wird gerne von Schüler- und Wandergruppen in Anspruch genommen.
  • Die gleitende Monatskarte bleibt erhalten
  • VBB-Umweltkarten jetzt alle mit identischen Regelungen. Bei der 7-Tage-Karte gilt jetzt ebenfalls die Mitnahmeregelung der VBB-Umweltkarte. Dies bedeutet, dass von Montag bis Freitag ab 20 Uhr sowie am Wochenende und an Feiertagen ganztags zusätzlich noch ein Erwachsener und bis zu drei Kinder unter 14 Jahren kostenlos mitgenommen werden können.
  • Die Preisbildung der Jahreskarte liegt bisher beim 9,5-fachen des jeweiligen Monatskartenpreises. Ab 1. August2005 wird für eine Jahreskarte der 9,7-fache Monatskartenpreis berechnet.

Neu: Das Brandenburg-Berlin-Ticket

Werbeplakat
16 Prozent günstiger? Fünf Prozent mehr zahlen die Abonnenten seit 1. August! Abbildung: BVG

Ab dem 1. August gilt das Brandenburg-Berlin-Ticket bei allen VBB-Verkehrsunternehmen (ausgenommen Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn) innerhalb der Länder Berlin und Brandenburg sowie auf einzelnen Streckenabschnitten im Eisenbahn-Regionalverkehr in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern sowie auf den Strecken nach Szczecin undKostrzyn. Der Preis beträgt 25 Euro im personalbedienten Verkauf (auch beim Busfahrer oder Triebwagenführer) und 23 Euro an Automaten. Das Ticket ist für bis zu fünf Personen vorgesehen (gemäß den bisherigen Bestimmungen) und gilt montags bis freitags von 9 Uhr des angegebenen Geltungstages bis 3 Uhr des Folgetages und an allen Sonnabenden und Sonntagen sowie den in ganz Brandenburg und Berlin gültigen gesetzlichen Wochenfeiertagen von 0 Uhr des angegebenen Geltungstages bis 3 Uhr des Folgetages.

VBB unternimmt weitere Schritte zur Tarifvereinfachung

  • Die Freizeitkarte Berlin ABC wird aufgrund der mangelnden Nachfrage (rund 50.000 Stück pro Jahr) eingestellt.
  • Die 8-Uhr-Karte in Cottbus wird in den VBB-Tarif übernommen."
Soweit der VBB.

Skurile Schönrederei

Das ist schon skuril: Da kämpfen alle Verkehrsbetriebe vehement für eine maximale Tariferhöhung, aber bei deren Umsetzung schweigen sie und überlassen die Öffentlichkeitsarbeit der von ihnen ansonsten doch wenig geliebten Verbundgesellschaft, damit diese etwas schönredet, was vielen Fahrgästen eher die Tränen in die Augen treibt. Um diese Ausgangslage ist der VBB nicht zu beneiden, doch schießt er mit dem Beschönigen über das Ziel hinaus. Die Abschaffung der Berliner Freizeitkarte als Tarifvereinfachung darzustellen, ist sachlich richtig und dennoch zynisch. Dass die Betroffenen für eine Monatskarte nun mindestens 49,50 Euro (10-Uhr-Karte Berlin AB) statt bisher 25 Euro zahlen müssen, ist eine große Härte.

VBB-Tariferhöhung weit über allgemeiner Preissteigerung

An der sogenannten Tarifanpassung gibt es nichts zu beschönigen:

Tabelle
  • Wieder liegt die durchschnittliche Erhöhung mit 3,8 Prozent weit über der durchschnittlichen Preissteigerungsrate, die in Berlin derzeit 1,7 Prozent beträgt.
  • Wieder wird mit den gestiegenen Diesel- und Stromkosten argumentiert, dabei sind rund 70 Prozent der Kosten der Verkehrsunternehmen Personalkosten, die vor allem bei der BVG durch eine viel zu große Verwaltung viel zu hoch sind.
  • Gern wird auf andere Städte verwiesen, wo die Fahrgäste angeblich viel mehr zahlen. Doch diese Vergleiche hinken oft. So sind zwar die Schülermonatskarten in München teurer als in Berlin, aber bei der Tageskarte zahlen Kinder (6 bis 14 Jahre) innerhalb Berlins 4,20 Euro, während Münchner Kinder nur 2,10 Euro zahlen und damit sogar den gesamten MW-Raum (München und großes Umland) befahren dürfen.
  • Bei allen Vergleichen wird gern vergessen, dass die Menschen in Ostdeutschland ein geringeres Einkommen haben als in Westdeutschland. Kürzlich hat das DIW berichtet, dass der Abstand beim verfügbaren Haushaltseinkommen 2004 sogar wieder auf 20 Prozent angestiegen ist.
  • Frech und instinktlos war eine teure Werbekampagne der BVG unmittelbar vor der Fahrpreiserhöhung.

Wieder Stammkunden geschröpft

  • Besonders verärgert sind die Stammkunden, denn die Monats- und Jahreskarten wurden am stärksten verteuert. Hart getroffen wurden dabei auch die Käufer des Sozialtickets, da diese Monatskarte 50 Prozent einer Monatskarte für Vollzahler kostet.
  • Groß ist auch der Ärger bei den bisherigen Käufern der Freizeitkarte (Berlin ABC), weil dieses Angebot ersatzlos gestrichen wurde. Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert alle Beteiligten auf, diesen Fehler schnellstens rückgängig zu machen - so, wie einst die Abschaffung der Kleingruppenkarte nach heftigen Protesten rückgängig gemacht wurde.
  • Bei der 10-Uhr-Monatskarte muss endlich auch eine entsprechende Jahreskarte mit den für alle Monatskarten üblichen Rabatten angeboten werden.
  • Sehr erfreulich ist, dass durch das Engagement der Berliner Stadtentwicklungssenatorin, Frau Ingeborg Junge-Reyer, die von BVG und S-Bahn geplante drastische Verteuerung der Schülermonatskarte nicht erfolgte. Dieser Tarif blieb unverändert, auch bei den Einzelfahrscheinen.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 4/2005 (August/September 2005), Seite 9-10

 

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