Hamburg

Hamburger Hochbahnring wird wieder zur Linie

Als die Wiedereröffnung des letzten noch stillgelegten Abschnitts der Berliner Ringbahn nahte, freuten sich manche auf einen Endloskreisverkehr um die Innenstadt herum, wie er vor dem Mauerbau bestanden hatte. Doch die S-Bahn Berlin GmbH enttäuschte diese Erwartungen zunächst: Schließlich würden die heutigen Fahrzeuge die Runde regulär in 63 Minuten bewältigen können, derweil ihre Vorgänger bis 1961 noch 70 Minuten benötigten. Ein gleichmäßiger Taktverkehr wäre daher nur möglich, wenn die Züge länger hielten oder langsamer führen als eigentlich notwendig. Erst jetzt glaubt man, die Dauer einer Ringumquerung auf exakt eine Stunde drücken zu können, weshalb das bisherige „Schneckenkonzept" ab 28. Mai 2006 durch einen Kreisverkehr ersetzt werden soll. Früher kursierende Befürchtungen vor einer zu starken Belastung von Fahrern und Fahrzeugen oder vor Passagieren, die verärgert sind, wenn Züge aussetzen oder einige Minuten warten, nachdem der Fahrplan aus dem Lot geraten ist, scheinen keine Rolle mehr zu spielen.

Grafik
Ab 2009 soll es auch in Hamburg wieder Ringverkehr geben, wie dieser zukünftige Linienplan zeigt, den die HHA jüngst veröffentlichte. U 2 und U 3 sollen die östlichen Äste tauschen. Die Eröffnung der Strecke in die Hafencity (U 4) ist für 2011 vorgesehen, der Bau des Abzweigs nach Steilshoop/Bramfeld steht in den Sternen. Foto: Hochbahn

Damit könnte Hamburg, wie schon oft in den letzten hundert Jahren, ein weiteres Mal von Berliner Schnellbahn-Erfahrungen profitieren. Plant man doch an der Alster momentan die Wiederherstellung des nachgerade klassischen Hochbahnrings. 1912 in mehreren Schritten eröffnet, bildete er die Keimzelle des hanseatischen Hoch- und Untergrundbahnnetzes, wurde jedoch ab 1967 nicht mehr als Linie betrieben. Die seinerzeit erfolgte Aufteilung der 17,49 km langen, 23 Stationen umfassenden Strecke auf U 2 und U 3 hat sich jedoch als zunehmend ungünstig erwiesen: Zum einen wird die U 2 nach Erkenntnissen der Hamburger Hochbahn AG (HHA) westlich des Hauptbahnhofes stärker benutzt als auf dem östlich davon gelegenen Endstück, das größtenteils über den Ring führt. Zum anderen sind viele Bahnsteige auf der Kreisstrecke mit jeweils nur rund neunzig Metern kürzer als auf den nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Trassen. Dementsprechend wird auch die Kapazität der U 3, die etwa drei Viertel des Rings befährt und ab Berliner Tor nach Mümmelmannsberg weiterführt, beschränkt (Einsatz von Sechs-, beim neuesten Typ DT 4 sogar nur Vier- an Stelle von Acht-Wagen-Zügen). Mit nach HHA-Angaben rund 70.000 Fahrgästen am Tag gilt der Abschnitt Berliner Tor—Billstedt jedoch als am stärksten frequentierter im gesamten Netz.

Die beabsichtigte Neuordnung der Linien sieht folglich vor, den Westast der U 2 und den so stark genutzten Ostast der U 3, die fast vollständig aus Nachkriegsstationen bestehen, miteinander zu verbinden-auch, um die prognostizierten Fahrgaststeigerungen bewältigen zu können. Neben dieser neuen U 2 zwischen Niendorf-Nord und Mümmelmannsberg würde der Ring dann als U 3 wieder durchgehend befahren. Über deren genaues Betriebskonzept ist jedoch noch nicht entschieden worden: Als eventueller Unterbrechungspunkt für Fahrerwechsel, die nach jeder Tour obligatorische Grobreinigung, das Ein- und Aussetzen von Zügen oder für Aufenthalte, um Abweichungen vom Fahrplan auszugleichen, dürfte (wieder) Barmbek in Frage kommen - in der Nähe der Haupt- und Betriebswerkstatt und seit je her eine wichtige Umsteigestation auch zur S-Bahn. Einige Züge der neuen U 3 sollen darüber hinaus die alte Anbindung der Walddörferbahn bedienen und - wie jetzt noch die U 2 - von Barmbek via Habichtstraße nach Wandsbek-Gartenstadt fahren.

Zur Realisierung dieser Pläne sind jedoch Umbauten am Berliner Tor notwendig, wo sich andernfalls die Züge der U 2 und U 3 künftig niveaugleich kreuzen würden. Mit den Arbeiten dazu wurde Ende Juli begonnen, mit ihrem Abschluss rechnet man bei der HHA für 2009. Von all dem bestenfalls mittelbar berührt wird der Bau der U 4 in das derzeitige Prestigeprojekt der Hamburger Stadtentwicklung, die Hafen-City (Endstation „Überseequartier"), der momentan für die Jahre 2007 bis 2011 vorgesehen ist. Diese neue Linie soll, in Billstedt startend, von der U 2 am Jungfernstieg abzweigen, wo sich unter der Binnenalster seit den siebziger Jahren zwei ungenutzte Bahnsteigkanten befinden, die eigentlich für eine Verbindung über Altona nach Lurup vorgesehen waren. Ob danach der „Sprung über die Elbe" erfolgt und die U 4 Richtung Wilhelmsburg/Harburg verlängert oder aber zunächst die seit langem geplante Strecke in die (nun auch nicht mehr so neuen) Neubausiedlungen Steilshoop/Bramfeld gebaut wird, ist noch nicht entschieden. Zwar wird letztgenannte in einem jüngst veröffentlichten zukünftigen Streckennetz als Verlängerung der neuen U 3 dargestellt. Doch dabei handelt es sich wohl nur um einen diskret vorgebrachten Wunsch der HHA an die Politik.

Jan Gympel

aus SIGNAL 4/2005 (August/September 2005), Seite 20-21

 

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