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Groß war die Aufregung, als vor Monaten die
Meldung durch den Blätterwald rauschte, im
Mai 2006 solle der Bahnhof Zoo den Fernverkehr
verlieren. Dabei hatte die Bahn AG nur offenbart,
was seit langem jeder erwarten konnte,
der ihr Gebaren in der jüngsten Vergangenheit
ein wenig beobachtet hatte oder aber die Entwicklung
großer Bahnhöfe und Flughäfen.
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Die voraussichtliche neue Linienführung der Fernverkehrslinien in Berlin: Von der Hamburger und der Stettiner Bahn durch den Tunnel auf die Anhalter Bahn, von der Lehrter Bahn über die Stadtbahn zur Frankfurter Bahn Grafik: BahnZeit September |
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Schließlich glauben nur naive Menschen
und Nostalgiker noch immer, eine solche Einrichtung
sei vor allem dazu da, eine Reise anzutreten
oder zu beenden. Ein Airport wie Tegel,
ganz darauf bedacht, den Weg zwischen dem
Taxi und dem Flugzeug so kurz wie möglich
zu halten - weshalb man kaum hundert Meter
benötigt, um die Anlage zu durchschreiten - ist
heutigen Flughafenbetreibern ein Graus und
gilt längst als fürchterliche Fehlplanung. Heutzutage
dauern die Wege durch die Airportlabyrinthe
und das Warten (natürlich in großen
Sälen, wo noch einmal viele Konsumangebote
gemacht werden) oft länger als der eigentliche
Flug: Es gilt, die Passagiere und die Besucher so
lange wie möglich in dem Gebäude zu halten
und an so vielen Geschäften und Ständen wie
möglich vorbeizuleiten. Die Bahn, welche auch
sonst überall dem Flugzeug nacheifert - von
der Gestaltung ihrer Fahrkarten bis hin zum
Einsatz von Großraumwagen - nimmt sich
natürlich auch dies zum Vorbild. Erinnert sich
schon niemand mehr daran, dass der Umbau
einer Eisenbahnkathedrale wie Leipzig Hauptbahnhof
zum Einkaufszentrum ausdrücklich
für wegweisend erklärt wurde?
Überdimensioniert?
Und was ist mit den Überlegungen, ob man
den auf vier Gleise ausgelegten neuen Berliner
Nord-Süd-Tunnel nicht zunächst nur mit zwei
Gleisen versehen sollte? Der DB AG schwante
also selbst, dieses Prestigeprojekt könnte
überdimensioniert wenn nicht gar weitgehend
überflüssig sein. Um dies
nicht eingestehen zu müssen,
wird nun soviel Verkehr wie möglich auf die neue
Trasse verlagert, also von
der Stadtbahn abgezogen. Da schrumpft es fast schon
zum - natürlich höchst angenehmen
- Nebeneffekt, dass man auf diese Weise
viele Fahrgäste in den neuen Lehrter Bahnhof zwingt
- denn sonst könnten auch an dessen Notwendigkeit
Zweifel aufkommen und,noch viel schlimmer, die
schönen Gewerbeflächen nicht lukrativ und vollständig
vermietet werden.
Vielleicht wäre das letztgenannte Ziel auch
einfacher zu erreichen gewesen, hätte man
den „größten Kreuzungsbahnhof Europas" (auf
dem sich bald kaum mehr Fernverkehr kreuzen
dürfte) nicht in einer denkbar öden Ecke
der Innenstadt errichtet - vergleichbar jener
in Friedrichshain, wo sich die Station befindet,
die ebenfalls schon einmal propagandabedingt
und einem gewissen Größenwahn geschuldet
zum „Hauptbahnhof" umetikettiert
wurde. Doch offenkundig ist der Ostbahnhof
so unbedeutend, dass bestenfalls am Rande
zur Kenntnis genommen wird, dass auch er
sobald wie möglich zur Regionalstation degradiert
werden dürfte.
Kein Fernbahnhof im Osten?
Nicht nur mit dieser Ignoranz wird es der
DB AG von ihren Gegnern leicht gemacht: Da
jammern die einen, mit der Verlegung des
Fernverkehrs würde sich die Anreise für viele
Bewohner westlicher Stadtteile deutlich verlängern,
gar die Zeitersparnis wieder aufgewogen,
welche etwa durch den Ausbau der Hamburg-Strecke
gerade erst gewonnen worden
sei. Als wenn die Bahn nicht die Züge zur Alster
auch dann nicht mehr über Zoo fahren lassen
würde, wenn die Verbindung nicht beschleunigt
worden wäre. Andere wiederum erklären
gar, „West-Berlin" werde nun von jeglichem
Fernverkehr abgeschnitten. Als wenn sich der
Lehrter Bahnhof nicht im britischen Sektor befunden
hätte. Und Papestraße - ebenfalls in
einem wenig Urbanen Siedlungsbrei gelegen,
aber für Steglitzer, Tempelhofer oder Neuköllner deutlich
näher als Zoo- im amerikanischen.
Richtig ist, delikaterweise, das genaue Gegenteil
der West-Berlin-Klagen: Schon bald hält
vermutlich kaum mehr ein Fernzug im ehemaligen
Ostteil der Stadt.
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Bahnchef Hartmut Mehdorn (links) und Projektleiter Hany Azer im neuen Hauptbahnhof. Auch keine noch so abwegige Argumentation ist Mehdorn zu schade, um den Fernbahnhalt Zoo schlechtzureden. Foto: Florian Müller |
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Insofern liegt es auf der Hand, wie die
DB AG ihre Pläne demnächst verkaufen dürfte:
Gegner werden als notorisch anpassungsunwillige
Frontstadtnostalgiker dargestellt,
welche die neuen Zeiten allgemein und die
glorreiche Zukunft der Bahn im besonderen
behindern und fraglos am liebsten die Mauer
zurückhaben wollen. Im so legitimierten
Schlechtreden der Gegend um Zoo und
Ku'damm hat man in Berlin in den letzten
Jahren ja schon viel Routine entwickelt, mit
handfesten Folgen: vom fast vollständigen
Niedergang der dortigen Kinolandschaft
bis hin zu schaurigen Bausünden vor allem
rund um die Joachimstaler Straße. Das „neue
Berlin", wird man folglich erklären, bewundert
den in einer Sparversion ausgeführten
„Hauptbahnhof" (mit dessen Namensgebung
Berlin endlich auf das Niveau von Bonn, Bielefeld
oder Kaiserslautern gebracht wird) als
Perle der Architektur und grandioses Bauwerk
- derlei hat bei dem Einkaufszentrum am Potsdamer
Platz samt der es umgebenden trostlosen
Profitmaximierungsarchitektur ja auch
hervorragend funktioniert.
Gefährlicher Bahnhof Zoo?
Zudem wissen Mehdorn und seine Mannen
natürlich, welches die - nach oder sogar neben
Arbeitsplätzen - stets wirksamste Argumentationskeule
ist: die Sicherheit. Wollen die
Bahnbosse doch erkannt haben, wie geradezu
gemeingefährlich der Bahnhof Zoo ist, weil
sich auf seinen Perrons, auch angesichts der
zahlreichen dort haltenden Züge, zeitweilig
zu viele Menschen drängeln würden. Angesichts
dessen freuen wir uns schon sehr auf
unglaublich breite, von keinerlei Kommerzoder
Designschnickschnack verbaute Bahnsteige
im „Hauptbahnhof" Und insbesondere
darauf, wie die ICEs und sonstigen Fernzüge
durch den Regionalbahnhof Potsdamer Platz
im Schritttempo schleichen werden - aus Sicherheitsgründen,
denn breiter als am Zoo
sind die dortigen Bahnsteige auch nicht, und
wenn schon haltende und anfahrende Züge
so unglaublich gefährlich sind, welche Gefahr
stellen dann erst durchfahrende dar? Jan Gympel
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