Für die einen bedeuten sie
den preiswerten Kundendienst,
für andere sind sie der
Inbegriff nicht verstehbarer
Technik. Die Rede ist von den
Fahrkartenautomaten, die uns
bei jeder Reise vor die Frage
stellen: Wo kaufe ich meine
Fahrkarte?
Durch den Abbau der
personalbesetzten Schalter,
durch preisliche Anreize
beim Automatenverkauf oder
durch völlig unübersichtliche
Öffnungszeiten sollen Fahrgäste,
so hat es zumindest
den Anschein, ihre Fahrkarten
nur noch am Automaten kaufen.
Angeblich gibt es für die
Verkehrsunternehmen keine
Alternative. Wirklich nicht?
Außer Acht wird der Fahrgast gelassen, der
Kunde des Verkehrsunternehmens. Automaten
können noch so gut sichtbar platziert und bunt
beklebt sein, doch wenn in der Nähe ein Schalter
geöffnet ist, nutzt kaum ein Fahrgast den Automaten
- eine Abstimmung mit den Füßen.
Personalabbau
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Solche ständig wechselnden Öffnungszeiten wie hier am Bahnhof Torgau schrecken die Kunden ab. Foto: Frank Böhnke |
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Dennoch wird die Zahl der personal besetzten
Schalter reduziert. Denn für die Unternehmen
ist die Umstellung auf Automatenverkauf mit
Vorteilen verbunden. Zum einen können die
Personalkosten reduziert werden. Zum anderen
können Reinigung und Wartung problemlos
„ausgelagert" werden. Auch bei Tarifumstellungen
können Fremdfirmen beauftragt werden.
Der Fahrgast hingegen, der
auf die Nutzung öffentlicher
Verkehrsmittel angewiesen
ist, hat keine Alternative, und
muss sich mit Waben, Zonen
und Beförderungsbedingungen,
Gültigkeitszeiträumen
und Preisstufen, Tarifmerkmalen
und Produktklassen auseinandersetzen.
Eine Alternative können Automaten
nur dann sein, wenn
ihre Bedienung verständlich
ist, sie das gleiche Angebot
bereithalten, wie es am personalbesetzten
Schalter gekauft
werden kann, wenn sie Bargeld
und Scheine annehmen
und Wechselgeld ausgeben
können.
Automaten beobachtet
Im Mai 2000 wurde im Fachbereich Design der
Fachhochschule Köln ein Projekt „Menschen
im Umgang mit Fahrkartenautomaten" durchgeführt.
Die Studierenden beobachteten im
Kölner Hauptbahnhof - unbemerkt - über
mehrere Tage hinweg Menschen, die am
VRS-Verbundautomaten einen Fahrschein erwerben
wollten. Bei 73 % der beobachteten
Fälle wurde tatsächlich eine Fahrkarte gekauft,
in den anderen 27 % der Fälle aber wurde die
Bedienung vor dem Kauf abgebrochen.
Ebenfalls festgestellt wurde, dass die Automaten
nur selten von älteren Personen benutzt
werden (10%). Auch die Kaufversuche,
die nicht abgeschlossen wurden, dauerten
überdurchschnittlich lange. Worin soll da der
Vorteil von Automaten liegen, wenn der Ärger
zunimmt?!
Eine Umkehr ist nicht in Sicht. Das Versprechen,
der Fahrkartenkauf sei ein Kinderspiel,
steht im Raum und wird stets wiederholt
- eingelöst wird es indes selten. Volle Konzentration,
Aufmerksamkeit und ein großes Fachwissen
verlangt ein Automat. Rückfragen an
ihn bleiben - natürlich - unbeantwortet. Das
Tarifsystem wird immer komplizierter, befristete
und mit besonderen Bestimmungen
und Ausnahmen versehene Sonderangebote
setzen ein Wissen voraus, das heute kaum ein
Fahrgast hat.
Glücklich kann sich schätzen, wer trotz aller
Hürden dem Automaten eine gültige Fahrkarte
innerhalb eines annehmbaren Zeitraumes
entlockt. Aber wenn der 20 Euro-Schein nicht
angenommen wird, der Automat im Zug wegen
der häufigen Halte immer wieder in den
Ausgangszustand „zurückfällt" und deshalb ein
Fahrkartenkauf nicht möglich ist oder er die
sieben Zehn-Cent-Stücke nicht mehr annimmt
und statt der Fahrkarte das bisher eingeworfene
Geld kommentarlos wieder ausspuckt - was
dann?
Gibt es keinen Mittelweg?
Automaten sind dennoch aus dem Fahrgastalltag
nicht mehr wegzudenken. Sie gestalten
die Verbindungssuche bequemer und sind
sicherlich für viele Alltagssituationen durchaus
dienlich im Sinne der Fahrgäste. Aber bei einem
Fahrkartenkauf für die Nutzung mehrerer
Verkehrsmittel oder größerer Entfernungen,
kann kein Automat die persönliche Beratung
ersetzen. Deshalb kann das Konzept für die
Zukunft nur heißen: die Verkaufstechnik unterstützt
den Menschen, darf ihn aber keinesfalls
komplett ersetzen.
Der Ersatz von personalbesetzten Schaltern
durch Technik ist nach Ansicht des DBV nur bei
kleinen Bahnhöfen akzeptabel, und das auch
nur dann, wenn eine Nutzerfreundlichkeit wie
bei den mit dem Schienenverkehrspreis 2004
ausgezeichneten DB-Fernverkehrsautomaten
gegeben ist.
Die unüberschaubare Zahl von Angeboten
verlangt jedoch oftmals nach persönlicher
Beratung! Gäbe es deutschlandweit einen
flächendeckenden Tarif mit identischen Bestimmungen,
wäre der Fahrkartenkauf ein
Kinderspiel. Er ist es aber nicht.
Und noch ein Argument spricht gegen die
weitere Automatisierung. Wir werden alle älter!
Laut Statistischem Bundesamt sind nach
den aktuellen Prognosen 2010 bereits 26%
der deutschen Bevölkerung älter als 60 Jahre
und 2050 sollen es sogar 37 % sein. So schwer
sich heute ältere Menschen mit der modernen
Technik tun, so wird es später auch denjenigen
ergehen, die heute damit keine Probleme haben
und im mittleren Alter sind.
Wer am Automaten scheitert, eine andere als
die gewollte Fahrkarte erhält oder im Nachhinein
feststellt, dass es auf einem anderen Weg
schneller oder preiswerter gegangen wäre,
wird nicht zum Bahn-und Busfahrer, jedenfalls
nicht freiwillig. Deutscher Bahnkunden-Verband
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