Manchmal ist Geschichte paradox. Zum Beispiel
wenn sich Orte des Todes in ihr Gegenteil
verdrehen und zu Lebensräumen werden. Der
Eiserne Vorhang, der die physische und geistige
Grenze zweier feindlich ausgerichteter
Blöcke war, verbindet heute das wiedervereinigte
Europa, ist Symbol einer gemeinsamen
gesamteuropäischen Erfahrung. Das Projekt
steht unter der Schirmherrschaft von Michail
Gorbatschow. Es ist Bestandteil im kollektiven
Gedächtnis Europas, mit dem die viel
beschworene europäische Identität gefördert
werden kann.
Rad-Wanderweg „Eiserner Vorhang"
Dies hat auch das Europäische Parlament (EP)
erkannt und Anfang September den „Iron Curtain
Trail" (Rad-Wanderweg Eiserner Vorhang)
in seinen Bericht über „Neue Perspektiven und
Herausforderungen für einen nachhaltigen europäischen
Fremdenverkehr" aufgenommen
und mit großer Mehrheit verabschiedet.
Auf Antrag der Fraktion der Grünen/EFA
werden die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten
aufgefordert, „die Initiative Iron Curtain
Trail umzusetzen, für die der Berliner Mauerweg
Pate stand. Auch eine finanzielle Beteiligung
durch die EU ist möglich, nachdem das
EP im Haushaltsplan für 2006 beschlossen hat,
dass der Iron Curtain Trail als Beispiel für sanfte
Mobilität und als Symbol für die Wiedervereinigung
Europas gefördert werden" soll.
An diesem Projekt sind 19 Länder beteiligt,
darunter 12 EU-Mitgliedsstaaten.
Projekt mit 19 Ländern
Folgende Route ist vorgesehen: Beginnend an
der Barentssee, Teil des Nordpolarmeeres, verläuft
der Rad-und Wanderweg entlang der norwegisch-und
finnisch-russischen Grenze bis zur
Ostsee und passiert die Küstenstreifen von Estland,
Lettland, Litauen, Kaliningrad und Polen.
Von Lübeck bis zum sächsisch-bayrischtschechischen
Dreiländereck folgt der Rad-Wanderweg dem ehemaligen innerdeutschen
Grenzstreifen, für dessen Schutz und Nutzung
für den sanften Tourismus der Deutsche Bundestag
einstimmig votiert hat. Dann führt er
über die Höhen des Böhmerwalds, vorbei an
Mähren und der slowakischen Hauptstadt Bratislava,
um bei Wien die Donau zu überqueren.
Entlang der Südgrenze Ungarns führt der
Weg über Slowenien, Kroatien und die Vojvodina.
Zwischen Rumänien und Serbien folgt die
Strecke dem Lauf der Donau, um schließlich
über Bulgarien, Mazedonien und Griechenland
am nördlichsten Punkt der Türkei an der
Schwarzmeerküste zu enden.
Die Strecke verläuft durch mehrere Nationalparks
und verbindet eine Vielzahl einzigartiger
Landschaften, die wegen ihrer Grenzlage und
vormaligen Sperrzonen nahezu unberührt geblieben
sind.
Wie beim Berliner Mauerweg können auch
für die Einrichtung des Iron Curtain Trail die
teilweise noch bestehenden asphaltierten
Patrouillenwege der Grenzanlagen genutzt
werden. So wird umweltschonend und mit
relativ niedrigem finanziellem Aufwand ein
landschaftlich und kulturell einzigartiger Radund
Wanderweg geschaffen, durch den die Erinnerung
an die Spaltung des Kontinents und
seine Überwindung auch an die kommenden
Generationen weitergeben werden kann.
Besonders in den mittel- und südosteuropäischen
Regionen, in denen der Fahrradtourismus
weniger stark verbreitet ist, wird der Iron
Curtain Trail ein attraktives Angebot für diese
kontinuierlich wachsende und wirtschaftlich
zunehmend bedeutende Tourismusbranche
darstellen. Untersuchungen haben ergeben,
dass Fahrradtouristen pro Tag mehr Geld ausgeben
als Autotouristen, was insbesondere der
lokalen Wirtschaft zu Gute kommt.
Nun liegt es an den Mitgliedsstaaten, zusammen
mit der EU Kommission das „Grüne Band"
zügig zu realisieren, damit man europäische
Geschichte, Politik und Kultur im wahrsten Sinne
des Wortes erfahren kann. Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament
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