Der Leipziger City-Tunnel wurde im Zuge
der Euphorie der Leipziger Olympiabewerbung
2012 projektiert und begonnen. Auch
hier gibt es also eine Parallele zum Berliner
Großprojekt, das während der Olympiabewerbung
für 2000 entwickelt wurde.
Heute gehört der Leipziger Tunnel sicherlich
zu den Bauten, die einer Bewertung
unter Zugrundelegung der Haushaltsprämissen
der neuen Bundesregierung nicht
mehr standhalten würden. Wohin die Fahrt
gehen soll, umschrieb der Ostbeauftragte
der SPD von Dohnanyi mit seiner Kritik an
den ostdeutschen Infrastrukturprojekten,
die unter den Erwartungen der wirtschaftlichen
Entwicklungsprognosen Anfang der
1990er Jahre geplant wurden. Die ostdeutsche
Realität sieht heute anders aus und so
ist offen, ob sich die Tunnelinvestition in der
Zukunft rechnen wird.
Um den künftigen Betreiber Deutsche
Bahn AG überhaupt mit ins Boot zu bekommen,
musste eine Grundauslastung
gesichert werden. Dafür reichen die bestehenden
Linien nicht aus. So muss beispielsweise
die klassische S-Bahnlinie von Würzen
zukünftig den eigentlich nicht mehr benötigten
Ring östlich des Leipziger Zentrums
nutzen, um in den Tunnel eingefädelt zu
werden.
Die hohe Zugdichte bedingt die Forderung,
an den sehr dicht beieinander liegenden
Zugangsstellen schnelle Fahrgastwechselzeiten
zu erreichen. Schon entbrennt
eine Diskussion um die Doppelstockwagen
mit nur zwei Türen, obwohl dieses Thema
eigentlich durch die Bahnsteiglängen innerhalb
und außerhalb des Tunnels bereits
entschieden wurde.
Tunnel für wen?
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So soll die Tunnelstation Markt aussehen. Computersimulation: © Freistaat Sachsen |
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Auch werden für den Tunnelverkehr entsprechend
brandgeschützte Fahrzeuge benötigt.
Können so die Betriebskosten gehalten oder
sogar gesenkt werden? Eine europaweite
Ausschreibung wird erste Antworten bringen.
Aber für wen wird der teure Tunnel gebaut?
Die in Leipzig lebenden Fahrgäste haben
von dem Tunnel relativ
wenig. Die meisten von ihnen wohnen nicht
direkt an S-Bahn und Tunnel und werden, so
sie denn den öffentlichen Verkehr nutzen,
weiterhin Straßenbahn und Bus bevorzugen.
Also müssen die aus der Stadt geflüchteten
Umland-Leipziger und die noch weiter draußen wohnenden Flachländler
in die Züge geholt werden.
Können durch den Tunnel mit seiner besseren
Erschließung der Innenstadt (es geht
hier in der Regel um 15-minütige Fußwege)
tatsächlich in Größenordnungen neue
Fahrgäste für die Bahn gewonnen werden?
Leipzig ist ohne Frage ein aufstrebendes
Wirtschaftszentrum, aber wohin sollen die
Fahrgäste fahren? Die meisten Arbeitsplätze
entstanden und entstehen am Rande
Leipzigs, meist leider weder durch Straßenbann
noch S-Bahn direkt angebunden, aber
immer unweit des Autobahnringes liegend.
Und zum Einkaufen in der Innenstadt ist der
Hauptbahnhof bereits erste Adresse.
Nicht mehr aufzuhalten
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Das geplante Leipziger S-Bahnnetz mit dem Tunnel. Grafik: Holger Mertens |
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Dennoch: Die Arbeiten am Tunnel sind so
weit fortgeschritten, dass dieser Zug nicht
mehr aufzuhalten ist. So bleibt zu hoffen,
dass Leipzig auch ohne Olympia 2012 eine
„Boomtown des Ostens" bleibt und der Tunnel
ausreichend genutzt wird. Aber die verbesserte
Innenstadtanbindung allein wird
dafür nicht reichen. Es müssen auch die Verkehrs-
und umweltpolitischen Rahmenbedingungen
für die Bahn verbessert werden.
Vielleicht erweist es sich vor dem Hintergrund
geringer werdender Energiereserven
doch noch als eine richtige Entscheidung,
öffentliche Verkehrswege einem optimistischen
Szenario entsprechend auszubauen.
Doch selbst dann ist der City-Tunnel teuer
erkauft worden. Im Regierungsbezirk Leipzig
wurde in den letzten 15 Jahren auf rund
230 Kilometer Eisenbahnstrecken der Schienenpersonenverkehr
eingestellt. Und das
Geld für die Bestellung von Verkehrsleistungen
zur Auslastung des Tunnels wird künftig
an anderer Stelle eingespart werden. Mitteldeutscher Bahnkunden-Verband
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