Frage: Ist es zutreffend, dass sich trotz des
EU-Beitritts Polens die Wartezeiten der Güterzüge
an der deutsch-polnischen Grenze
auf vier bis sechs Stunden in Frankfurt/Oder-Kunowice
erhöht haben und gleichzeitig
der Straßengüterverkehr mit nur kurzen
Wartezeiten die Grenzen nach Polen überschreiten
kann bzw. Güterzüge zwischen
Deutschland und Frankreich seit kurzem
die deutsch-französischen Grenzbahnhöfe
ohne Grenzaufenthalt durchfahren?
Antwort: Nach den vorliegenden Informationen
lag die Warte- und Abfertigungszeit
der Güterzüge an den deutsch-polnischen
Grenzbahnhöfen schon immer bei ca. 4 bis
5 Stunden. Bedingt durch die baufällige
Eisenbahngrenzbrücke bei Frankfurt/Oder
kam es in jüngster Zeit gelegentlich zu weiteren
Verlängerungen der Wartezeiten, da
die Brücke nur noch im Schritttempo und
zeitweilig nur eingleisig befahrbar ist. Dadurch
kommt es zu einer Verringerung der
Streckenkapazität, die zu bestimmten Zeiten
zu „Rückstaueffekten" führen kann.
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Dieseltriebwagen der Baureihe SA 105 in Gorzöw (Landsberg/Warthe). Diese Fahrzeuge durften nicht nach Deutschland fahren, weil sie keine Zulassung des deutschen EBA besitzen. Foto: Florian Müller |
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Es ist zutreffend, dass seit 2005 Güterzüge
der staatseigenen Unternehmen DB Railion
und der SNCF FRET die deutsch-französischen
Grenzbahnhöfe ohne Halt durchfahren dürfen.
Voraussetzung hierfür waren neue vertragliche
Vereinbarungen, die gemeinsame
Ausbildung von deutschen und französischen
Lokführern, Kenntnisse in beiden Sprachen
und der Einsatz von Mehrsystemlokomotiven,
die mit den unterschiedlichen Strom-, aber
auch Signalsystemen beider Staaten kompatibel
sind. Diese Voraussetzungen sind im Eisenbahnverkehr
zwischen Deutschland und
Polen nicht gegeben. Die Bahnen sind aber
auch hier bestrebt, die Aufenthaltszeiten zum
Fahrplanwechsel zu verkürzen und mittelfristig
Lösungen wie zwischen Frankreich und
Deutschland zu erreichen.
Frage: Wenn ja, was sind die Ursachen, wer
sind die verantwortlichen Akteure und welche
Möglichkeiten sieht der Senat, hier initiativ
zu werden?
Antwort: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen
(VDV) hat am 02.02.2005 zusammen
mit seiner polnischen Partnerorganisation
IZBA anlässlich des Problems der
langen Abfertigungszeiten in den Grenzbahnhöfen
alle zuständigen Akteure zu einer
Tagung in Posen zusammengeführt, um
die Ursachen zu analysieren und Lösungsmöglichkeiten
aufzuzeigen. Teilgenommen
haben das polnische Infrastrukturministerium,
das Bundesverkehrsministerium, das Eisenbahnbundesamt
(EBA) und die polnische
Aufsichtsbehörde (UTK), die staatseigenen
Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Railion
und PKP Cargo sowie private Eisenbahnverkehrsunternehmen.
Als Ergebnis derTagung wurde festgestellt,
dass die organisatorischen und rechtlichen
Fragen sogar noch schwerwiegender sind
als die Infrastrukturprobleme. Als Hauptproblem
wurde das Fehlen eines modernen
zwischenstaatlichen Abkommens zwischen
Deutschland und Polen identifiziert.
Da es in den laufenden Verhandlungen
noch nicht gelungen ist, eine Einigung zu erzielen,
erfolgt die Abfertigung der Güterzüge
auf gesetzlicher Grundlage eines Abkommens
zwischen der früheren DDR und der
Volksrepublik Polen aus dem Jahr 1971. Aus
diesem Abkommen ergeben sich bestimmte
Prozeduren bei der wagentechnischen Untersuchung,
bei der Protokollierung und manuellen
Erfassung der Frachtpapiere im Grenzbahnhof,
die zu einer Grenzabfertigungszeit
von bis zu drei Stunden führen. Der Weitertransport
in den nächsten Grenzbahnhof
darf nur mit speziellen Loks (mit Zulassung
der nationalen Eisenbahnaufsichtsbehörden)
und mit speziellem Personal mit entsprechenden
Sprachkenntnissen erfolgen. Die
Sprachbarrieren zwischen den polnischen
und deutschen Eisenbahnen erschweren zusätzlich
den organisatorischen Ablauf und die
Weiterverfolgung der Frachten.
Der Senat ist aber der Auffassung, dass
die Aufenthaltszeiten in den Grenzbahnhöfen
erheblich verkürzt werden müssen, um
die Bahnen wettbewerbsfähiger zu machen.
Auf Vorschlag des Landes Berlin hat die Verkehrsministerkonferenz
im April 2005 die
Bundesregierung gebeten, ein Rahmenabkommen
zur beschleunigten Abwicklung
des deutsch-polnischen Eisenbahnverkehrs
und zu einer beschleunigten Beseitigung
der infrastrukturellen Defizite zu schaffen.
Zudem haben die Verkehrsminister der Länder
Berlin, Brandenburg und Sachsen in einem
gemeinsamen Schreiben vom 5.7.2005
den Bundesverkehrsminister erneut aufgefordert,
die Verhandlungen zum Rahmenabkommen
des Eisenbahnverkehrs zügig zum
Abschluss zu bringen.
Frage: Ist es zutreffend, dass die polnische
Staatsbahn im grenzüberschreitenden Regionalverkehr
nicht mehr den brandenburgischen
Grenzbahnhof Forst anfahren darf
und der grenzüberschreitende Schienenverkehr
eingestellt werden musste, weil die
polnische Staatsbahn neue, moderne und
von der Wojewodschaft finanzierte Triebwagen
einsetzt, die sogar in Deutschland
entwickelt worden sind, aber das deutsche
Eisenbahnbundesamt (EBA) den Einsatz im
grenzüberschreitenden Regionalverkehr
untersagt hat?
Antwort: Aus wirtschaftlichen Gründen
hat die polnische Staatsbahn die bisher
genutzten Lokomotiven durch moderne
Triebwagen ersetzt. Infolge dessen wurde
im Dezember 2004 der grenzüberschreitende
Schienenregionalverkehr zwischen den
Grenzbahnhöfen Tuplice (Niederschlesien)
und Forst eingestellt und durch Busse im
Schienenersatzverkehr durchgeführt. Seit
21.11.2005 ist der Verkehr auf der Schiene
wieder aufgenommen. Hintergrund der zwischenzeitlichen
Stilliegung war die nicht abgeschlossene
Zulassungsprüfung des nach
Kenntnis des Senats in Polen entwickelten
Neubautriebwagens der Baureihe SA 105
durch das Eisenbahnbundesamt.
Bisher waren im Verkehr zwischen den
deutschen und polnischen Grenzbahnhöfen
nur ältere Baureihen der ehemaligen Deutschen
Bundesbahn, Deutschen Reichsbahn
und PKP im Einsatz. Sie stammen aus einer
Zeit vor der Bahnreform, als die Staatsbahnen
selbst die Funktion einer Eisenbahnaufsichtsbehörde
hatten, und genießen gegenüber
den heutigen Eisenbahnaufsichtsbehörden
weiterhin Bestandsschutz, so dass
keine Zulassungsprüfung erforderlich ist.
Neuentwickelte Schienenfahrzeuge benötigen
auch im Verkehr zwischen der Staatsgrenze
und dem nächsten Grenzbahnhof
eine Zulassung der jeweiligen Eisenbahnaufsichtsbehörde.
Hierbei sind umfangreiche
technische Unterlagen und deren sprachliche
Übersetzungen erforderlich. Im Verkehr über
den Grenzbahnhof hinaus müssen die Schienenfahrzeugezusätzlich
mit Sicherungssystemen
ausgestattet werden, damit sie mit den
unterschiedlichen Signal- und Sicherungssystemen
kompatibel sind. Entsprechende
Zulassungsverfahren werden ebenso durch
die polnischen Behörden für die in Polen verkehrenden
Fahrzeuge durchgeführt.
Berlin, den 9. Dezember 2005
Staatssekretärin Maria Krautzberger
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
[IGEB]
Auch fast zwei Jahre nach dem EU-Beitritt
Polens sorgen neben Mängeln im Bereich der
Infrastruktur vor allem organisatorische Mangel
für erhebliche Behinderungen speziell des
Schienengüterverkehrs! Nicht nachvollziehbar
ist, dass noch immer ein den aktuellen politischen
Rahmenbedingungen angepasstes
Grenzübereinkommen fehlt.
Angesichts der kritischen Wettbewerbssituation
ist die Verbesserung der Leistungsqualität
des Schienengüterverkehrs (Verkürzung der
Beförderungszeit, Erhöhung der Zuverlässigkeit)
dringend geboten, um gegenüber dem
Konkurrenzdruck des Straßengüterverkehrs
bestehen zu können. Die Attraktivitätssteigerung
des ressourcenschonenden Eisenbahnverkehrs
ist viel wichtiger als der schnellstmögliche
6-spurige Ausbau der Autobahn
A 12 Berlin-Frankfurt (Oder).
Seit dem letzten Fahrplanwechsel im Dezember
ist zudem die Brücke über die Oder
nur noch eingleisig befahrbar und sorgt so für
eine jahrelange Beeinträchtigung des Bahnbetriebs
an diesem Nadelöhr. Zurzeit ist eine
zwischenstaatliche Vereinbarung Deutschland/Polen
in Arbeit, so dass voraussichtlich
im März 2006 in beiden Ländern die erforderlichen
Planfeststellungsverfahren für einen
Brückenneubau eingeleitet werden können.
Mit dem Baubeginn ist aber nicht vor Oktober
2007 zu rechnen und mit der Inbetriebnahme
der neuen Brücke nicht vor Ende 2008.
Unverständlich ist der Zeitverzug auch in
diesem Fall, da der schlechte bauliche Zustand
der Oder-Brücke den beteiligten Bahnverwaltungen
schließlich bekannt war. Frank Jahnke (SPD), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin
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