Die Bundesrepublik Deutschland blockiert
die Einführung einer europaweiten Maut
für Lkw auf Autobahnen (Eurovignette). In
den Verhandlungen zwischen Rat und Parlament
der EU hätte ein guter Kompromiss
erzielt werden können, wenn sich Deutschland
nicht gesperrt hätte.
Die CDU-SPD-geführte deutsche Bundesregierung
bleibt stur und will die Maut für
Lkw ab 3,5 Tonnen nicht akzeptieren, die
der Verkehrsausschuss im Europa-Parlament
im November 2005 mit großer Mehrheit
beschlossen hatte - auch mit den Stimmen
der deutschen Europa-Abgeordneten
von CDU und SPD! Selbst die europäische
Lkw-Lobby, die International Road Union
(IRU), ist für die Maut ab 3,5 Tonnen, weil
sie die Verlagerung der Güter von den großen
auf die kleinen Lkw befürchtet und damit
das Stau-Problem verschärft und nicht
gelöst würde.
Die Eurovignette ist das entscheidende
Instrument für den fairen Wettbewerb der
Verkehrsträger untereinander und für die
Zukunft der Bahnen generell. Ohne diese
Vignette - so der McKinsey-Report - werden
die Bahnen in Zukunft im unfairen
Wettbewerb mit Straßen- und Flugverkehr
keine Chance haben.
Der Schienen-Güterverkehr würde in
den nächsten Jahren 30 bis 40 % verlieren.
Dann würde die Luft würde noch mehr belastet,
die Mobilität durch die Lkw-Kolonnen
auf den Straßen eingeschränkt und die
Abhängigkeit vom Öl bestehen bleiben.
Vorbild für die Eurovignette ist die
Schweizer Maut. Sie ist ein Erfolgsmodell,
weil die Verlagerung von der Straße auf die
Schiene dort gelungen ist. In der Schweiz
gilt die Maut für alle Lkw ab 3,5 Tonnen und
auf allen Straßen. Sie ist etwa viermal so
hoch wie in Deutschland, weil die externen
Kosten durch Umwelt-, Gesundheits- und
Sachschäden mit berücksichtigt werden.
In der EU gab es wegen der Eurovignette
zwei Konfliktlinien: Zum einen den „Außen-Innen-Konflikt",
zum anderen den Ost-West-Konflikt. Die „Außenstaaten" der EU
wollen möglichst kostengünstig durch die
„Transitländer" wie Deutschland und Frankreich
fahren. Die „östlichen" Spediteure
wollen ihren Vorteil von niedrigen Benzinpreisen
und billigen Löhnen behalten, weil
sie durch die Eurovignette stärker getroffen
würden als ihre „westliche" Konkurrenz.
Der von Deutschland initiierte faule
Kompromiss hat so große Schlupflöcher,
dass von einer verbindlichen Ausweitung
auf 3,5 Tonnen nicht gesprochen werden
kann.
Offensichtlich hat die schwarz-rote Bundesregierung
noch immer nicht erkannt,
dass mit dem Fall des Eisernen Vorhangs die
Randlage im toten Winkel der zweigeteilten
Welt vorbei und
Deutschland Transitland
geworden ist.
Deshalb müssen die
Güter und Personentransporte
im fairen
Wettbewerb von der
Straßeauf die Schiene
verlagert werden, damit
die Bevölkerung
nicht in Stau und Abgasen
erstickt.
Mit der Mautblockade Deutschlands
wird aber nicht nur das Verlagerungsziel
verfehlt. Die Deutsche Bahn, zu 100%
im Staatsbesitz, wird entscheidend geschwächt.
Die Eisenbahn in Deutschland
muss - im Gegensatz zum Flugverkehr,
der davon befreit ist - sowohl die Mineralölsteuer
als auch im grenzüberschreitenden
Verkehr die Mehrwertsteuerentrichten,
die 2007 bekanntlich auch noch um weitere
drei Prozentpunkte erhöht werden soll.
Darüber hinaus gibt es in Form der Trassenpreise
eine Schienenmaut für alle Züge
auf allen Gleisen. Für die Straße gilt das nur
ab 12 Tonnen, also für gerade mal 10 % der
2,5 Millionen in Deutschland gemeldeten
Lkw, und das auch nur auf den Autobahnen.
Durch eine Ausweitung der Maut auf Lkw
ab 3,5 Tonnen würden zusätzlich lediglich
17 % erfasst. Aber nicht einmal zu diesem
Trippelschritt sah sich die Bundesregierung
in der Lage.
Mit einer europaweiten Maut nach dem
Schweizer Modell hätten die europäischen
Bahnen eine Zukunft gehabt. So werden
sie aufs Abstellgleis gezogen. Wer eine Verkehrspolitik
„back to the fifties" betreibt, tritt
nicht nur die deutschen, sondern auch die
europäischen Interessen mit Füßen. Denn
bei einer rückwärtsgewandten Verkehrspolitik
können weder Deutschland noch
Europa die Reduktion der C02-Emissionen
erreichen, zu der sie sich im Kyoto-Protokoll
zum Klimaschutz verpflichtet haben. Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament
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