S-Bahn nach Falkensee, Regionalverkehr
auf der Stammbahn - das sind nur die bekanntesten
von mehreren Wiederaufbauprojekten, bis
zu deren Realisierung zwar
noch ein weiter Weg ist, aber über die
wenigstens lebhaft diskutiert wird. Von solcher
Debatte können die Fahrgäste der
Heidekrautbahn nur träumen. Sie sollen
auf unabsehbare Zeit mit den Folgen
des Mauerbaus gestraft bleiben und nur nach
Berlin-Karow fahren können.
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Das SIGNAL-Titelbild von November 1990 zeigt den provisorischen Haltepunkt am Wilhelmsruher Damm im Grenzstreifen direkt an der Berliner Mauer. |
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Nach der Einweihung der
Reinickendorf-Liebenwalde-Groß Schönebecker Eisenbahn
am 20. Mai 1901 wurde der Personenverkehr
von Beginn an gut nachgefragt, zunächst
vor allem durch Berufspendler. Aber schnell
wurde die bald Heidekrautbahn genannte
Kleinbahn auch für Ausflüge in das ehemalige
kaiserliche Jagdgebiet Schorf heide, zum
Wandlitzsee oder zum Werbellinsee genutzt.
Die Bahn reagierte mit dem Bau neuer Haltepunkte,
z. B. Strandbad Wandlitzsee. Auch
der Güterverkehr nahm schnell zu.
In den 30er Jahren hat die Niederbarnimer
Eisenbahn Aktiengesellschaft, wie
sie seit 1927 hieß, die Strecke saniert und
Dieseltriebwagen beschafft. Im Zweiten
Weltkrieg wurden alle wichtigen Brücken
zerstört. 1950 übernahm die DDR-Reichsbahn
den Betrieb. In den Folgejahren kam
trotz willkürlicher Kontrollen durch die
DDR-Grenzorgane allmählich der Ausflugsverkehr
wieder in Gang. Die DR bediente
über die Heidekrautbahn neben dem VEB
Bergmann-Borsig auch
Güterverkehrsanschlüsse
der Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde (ITF) in
West-Berlin.
Mauerbau zerschneidet
Heidekrautbahn
[Bild]200601_vergessen_02.jpg|Fahrkarte einer Heidekrautbahn-Sonderfahrt. Bald nach dem Mauer fall und noch vor der Wiedervereinigung wurden im Rahmen der 7. Berliner Schienenverkehrs-Wochen die ersten Sonderfahrten zum Grenzbahnhof
Märkisches Viertel durchgeführt.||Fahrkarte[/Bild]
Ein jäher Bruch vollzog sich am 13. August 1961,
als mit dem Mauerbau der Berliner „Heimatbahnhof"
Wilhelmsruh von der Heidekrautbahn
abtrennt wurde. Um die Schorfheider
Ortschaften an Ost-Berlin anzubinden, wurde bereits
am 24. Dezember 1961 der Verkehr über eine umgebaute
Verbindungskurve der ITF zu einem Behelfsbahnsteig
am S-Bahnhof Berlin-Blankenburg aufgenommen.
1976 wurde Berlin-Karow zum neuen
Berliner Anfangs- bzw. Endbahnhof
mit verbesserten
Umsteigebedingungen zur S-Bahn. Zur Bewältigung
der gestiegenen Verkehrsströme
wurden nun vierteilige Doppelstockzüge
mit wendezugfähigen V100 Dieselloks eingesetzt.
Das Gleis nach Wilhelmsruh wurde
im Berufsverkehr noch einige Jahre
bis Schildow bzw. Blankenfelde in Berlin
bedient.
Güterverkehr gab und gibt es zum
ehemaligen Bergmann-Borsig-Gelände,
inzwischen umgestaltet zum
Gewerbegebiet PankowPark,
auf dem nach der Wende u.a.
ein großes Schienenfahrzeugwerk
von Adtranz entstand,
das inzwischen von der Schweizer Firma
Stadler Rail übernommen wurde.
Überflüssiges Gutachten
Nach Mauerfall und Wiedervereinigung
Berlins wurden sofort Pläne für die Zusammenführung
der getrennten Berliner
Bahnstrecken geschmiedet. Nur bei
der Heidekrautbahn war der Berliner
Senat merkwürdig zurückhaltend. Obwohl
die günstigste Lösung auf der Hand
lag -Schließung der Gleislücke und
Aufbau eines Bahnsteigs
in Wilhelmsruh, schnelle Wiederinbetriebnahme
mit Dieselfahrzeugen - ließ der Senat
ein vergleichendes Gutachten erstellen.
Ergebnis: Eine Gleichstrom-Elektrifizierung
und ein S-Bahn-Betrieb sind
zu aufwändig. Wer hätte das gedacht?
Ebenso wurde ein Straßenbahnbetrieb durch den Bau der Fahrleitung
als zu teuer und wegen der Fahrzeiten
als zu langsam bewertet. So würde eine
Straßenbahn vom Alex in die Schorfheide
über 90 Minuten benötigen.
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Streckennetz der Heidekrautbahn 2006. Dunkel die betriebenen Strecken, hell ohne Personenverkehr. Zeichnung: Sven Tombrink (NEB), Kartengrundlage aus dem Buch 100 Jahre Heidekrautbahn, GVE-Verlag 2001 |
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Durch das Gutachten wurde wertvolle Zeit
verloren. Hinzu kam, dass in den Verhandlungen
über die vom Bund zu finanzierenden
teilungsbedingten Lückenschlüsse im Verkehrsnetz
der Berliner Leiter der Abteilung
Verkehrsplanung in der damaligen Senatsverwaltung
für Verkehr und Betriebe, Ural
Kalender, als Straßenfachmann zwar die
Schließung aller Straßenlücken durchsetzte,
aber den Lückenschluss auf der Heidekrautbahn
ausklammerte. War es Strategie, weil
die Heidekrautbahn keine Staatsbahn war,
oder Unkenntnis eines West-Berliners, der
sich zu wenig mit den Schienen jenseits der
einstigen Mauer befasst hatte?
Modernisierung
Die Niederbarnimer Eisenbahn nahm
nun die Geschicke selbst in die Hand.
Die NEB war 1990 vom Hauptaktionär
Land Berlin an die Industriebahn-Gesellschaft
Berlin mbH (IGB) übertragen
worden, die inzwischen zur Connex-Gruppe
gehört. Mit der Deutschen Bahn
wurde die RückÜbertragung der Anlagen in
erneuertem Zustand bzw. mit finanziellem
Ausgleich vereinbart. Von 1999 bis 2002 hat
die NEB die Anlagen einschließlich Gleisausbau
für 80 km/h, die Haltepunkte, die Sicherungs-
und Leittechnik und die Bahnübergänge
modernisiert. Ein großer Betrieb für
Baustoffumschlag siedelte sich nahe am
Bahnhof Basdorf an und sorgt seither für
zusätzliches Güterverkehrsaufkommen. Im
ehemaligen Bw Basdorf sind die Berliner Eisenbahnfreunde
e.V. mit ihren Fahrzeugen
und einem Heidekrautbahnmuseum untergekommen.
Mit ihren regelmäßigen Museumsfahrten
vom provisorischen Haltepunkt
Berlin-Wilhelmsruher Damm über Schildow,
Mühlenbeck und Schönwalde halten sie die
Erinnerung an den fehlenden Lückenschluss
auf der NEB-Stammstrecke wach.
Einen Rückschlag gab es im November
1997 allerdings mit der Einstellung
des Verkehrs auf dem Abschnitt zwischen
Wensickendorf und Liebenwalde, nachdem
die Brücke über den Oder-Havel-Kanal bei
Kreuzbruch gesperrt werden musste, für deren
Erneuerung durch die NEB eine Verkehrsbestellung
durch das Land Brandenburg erforderlich ist.
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Ein Talent-Triebwagen der NEB im Bahnhof Karow. Hier ist der einzige Anschlusspunkt nach Berlin. Die alte Heidekrautbahn-Strecke von Schönwalde nach Berlin-Wilhelmsruh ist außer Betrieb gegangen, weil die DDR 1961 die Mauer baute. Und sie wurde nach dem Mauerfall 1989 noch nicht wieder aufgebaut, weil nun der Berliner Senat mauert Foto: Florian Müller |
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Nachdem sich die NEB in einer Ausschreibung
durchsetzen konnte, fährt sie seit 11. Dezember
2005 wieder selbst auf der Heidekrautbahn,
nun als Linie NE 27. Wegen der gesetzlich erforderlichen
Trennung von Fahrweg und Betrieb
wird der Betrieb allerdings von einer Tochtergesellschaft
der NEB durchgeführt. Für diesen
Betrieb wurden attraktive und spurtstarke
neue Züge vom Typ Bombardier TALENT beschafft
(siehe SIGNAL 1/2006 ). Auch ein für
den Personenverkehr neuer Streckenast von
Wensickendorf nach Schmachtenhagen wird
jetzt befahren, allerdings bisher nur am Wochenende.
Die NEB hatte diese stillliegende
Strecke 2001 von der DB AG gekauft, nachdem
sie ein Jahr zuvor bereits die 1961 von der DR
gebaute Strecke von Abzweig Schönwalde bis
Berlin-Karow erworben hatte.
Berlin zementiert
die Folgen des Mauerbaus
Der Übergang des Betriebes von DB Regio
auf die NEB änderte jedoch nichts daran,
dass die Regionalzüge der Heidekrautbahn
nach wie vor im Bahnhof Berlin-Karow am
nordöstlichen Berliner Stadtrand enden. Dabei
hatte eine Verkehrsprognose der Berliner Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung zwei verlängerte Linienführungen
empfohlen. Zum einen soll durch Einbau einer Gleisverbindung
südlich des Bahnhofs Karow ein Ast über Karow hinaus
nach Berlin-Lichtenberg geführt werden.
Zum anderen soll ein zweiter Ast von Basdorf
auf der alten Trasse über Wilhelmsruh
bis Gesundbrunnen geführt werden, wo
bekanntlich ab 28. Mai Fern- und Regionalzüge
halten werden und vielfältige Umsteigemöglichkeiten
zu S-Bahn, U-Bahn und
Bus bestehen.
Gute Prognose
Für beide Äste wurden regionalbahnwürdige
Fahrgastzahlen prognostiziert. Daher
wurden beide Maßnahmen auch in das
ÖPNV-Programm des Senats aufgenommen
Es wären im Vergleich zu anderen Berliner
Baumaßnahmen äußerst kostengünstige
Projekte, die zum Beispiel aus den sogenannten
BSchwAG-Mitteln bezahlt werden
könnten. Dem Land Berlin stehen für derartige
Infrastrukturmaßnahmen gemäß Bundesschienenwegeausbaugesetz
(BSchwAG)
seit 1995 Millionenbeträge zur Verfügung,
von denen der überwiegende Teil - rund
100 Millionen Euro - bis heute nicht ausgegeben
wurden.
Die NEB entwickelte daraufhin selbst die
Planung für einen eingleisigen Haltepunkt
Wilhelmsruh und bot sogar den Aufbau des
Gleises von Wilhelmsruh nach Schönholz
an. Dann könnten Züge der Heidekrautbahn
nach Gesundbrunnen
geführt werden, was für die meisten
Reisenden insbesondere Richtung
Berliner Innenstadt deutliche
Fahrzeitverkürzungen bedeuten
würde. Zudem erschließt die klassische
Heidekrautbahnstrecke nach
Wilhelmsruh auch Teile des Märkischen
Viertels sowie den touristisch
und historisch interessanten Berliner
Mauerweg.
Senat bremst NEB aus
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Ferkeltaxen in Liebenwalde. 1997 wurde dieser Streckenast der Heidekrautbahn leider stillgelegt. Foto: Thorsten Staeck |
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Im Jahr 2000 stellte die NEB den Antrag
auf Planfeststellung für einen
neuen Haltepunkt Berlin-Wilhelmsruh
und erklärte sich sogar bereit,
diesen selbst zu finanzieren, wenn
der Berliner Senat eine Bestellung für den
Verkehr nach Wilhelmsruh abgeben würde
(Voraussetzung für Bankkredit). Der Senat
aber verweigert diese Verkehrsbestellung
noch immer mit der Begründung, für zusätzliche
Zugkilometer habe man kein Geld. Dies
ist jedoch unzutreffend, da beabsichtigt ist,
die Strecke nach Berlin-Wilhelmsruh durch
Verlagerung von derzeitigen Verkehren nach
Berlin-Karow kostenneutral zu bedienen.
In dieser Konstellation einer„Hängepartie"
vergeht Jahr um Jahr, und ein Fortschritt ist
nicht absehbar. 105 Jahre nach der Inbetriebnahme
der Heidekrautbahn hat das
Berliner Abgeordnetenhaus am 9. März
2006 mit den Stimmen von SPD und PDS
den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur
„Wiederinbetriebnahme der Heidekrautbahn
auf der Trasse über Wilhelmsruh" abgelehnt.
Doch auch das wird den Berliner Fahrgastverband
IGEB nicht davon abhalten, dieses
für Berliner und Brandenburger Fahrgäste
wichtige Projekt immer wieder einzufordern.
Schließlich sind es die Länder Berlin
und Brandenburg selbst sowie der VBB, die
prognostiziert haben, dass es im Verkehr
über die gemeinsame Landesgrenze die
größten Fahrgastzuwächse geben wird. IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
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