Der Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg
wird mit der Inbetriebnahme des
Nord-Süd-Tunnels am 28. Mai 2006 wesentlich
geändert. In vielen Relationen verkürzen
sich die Fahrzeiten und neue Verbindungen
werden geschaffen. Gibt es durch
den Tunnel nur Gewinner? Leider nein.
Einige Bahnkunden müssen sich sogar auf
deutlich längere Fahrzeiten einstellen.
Übersicht
Der RE 1 fährt weiterhin wie gewohnt von
Magdeburg nach Frankfurt (Oder) über
Brandenburg, Potsdam, die Berliner Stadtbahn,
Erkner und Fürstenwalde. Halte in Berlin
sind Wannsee, Zoo, Hbf, Friedrichstraße,
Alexanderplatz und Ostbahnhof. Einige derzeit
noch bestehende Taktabweichungen
werden geglättet.
Beim RE 2 bleibt es in Richtung Cottbus
prinzipiell beim bestehenden Angebot. Allerdings
verschieben sich hier die Fahrplanlagen
um eine halbe Stunde. Dadurch wird
Cottbus zum „Nullknoten", zu jeder vollen
Stunde gibt es dort Verbindungen in (fast)
alle Richtungen. Auf dem Westast wird diese
Linie wieder nach Rathenow statt wie bisher
nach Wittenberge durchgebunden. Das
prinzipielle Angebot im Vergleich zum jetzigen
RE 4 ändert sich nicht.
Der RE 3 kommt aus Richtung Stralsund
bzw. Schwedt und fährt künftig durch den
Nord-Süd-Tunnel. Weiter geht es über eine
Verbindungskurve bei Genshagener Heide
auf den Berliner Außenring und weiter über
Blankenfelde, Zossen, Wünsdorf abwechselnd
nach Elsterwerda und Senftenberg
wie derzeit der RE 5. Verschlechterung für
Reisende nach Elsterwerda: Statt der jetzt
fahrenden modernen RE 160-Wagen gibt es
künftig die älteren ehemaligen Reichsbahn-Doppelstockwagen.
Alle Halte zwischen Bernau und Blankenfelde
in Berlin sind neu: Gesundbrunnen,
Hbf, Potsdamer Platz, Südkreuz und Lichterfelde
Ost.
Der RE 4 übernimmt die Leistungen von
Wismar und Wittenberge vom RE 2. Er fährt
nicht mehr über die Stadtbahn sondern in
den Nord-Süd-Tunnel und endet in Ludwigsfelde.
Im Berufsverkehr fahren die Züge
weiter bis Luckenwalde. Halte dieser Linie
in Berlin sind Spandau, Jungfernheide, Hbf,
Potsdamer Platz, Südkreuz und Lichterfelde
Ost. Auch die neuen Halte Teltow und Birkengrund
werden mit dieser Linie bedient.
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Viele neue Strecken werden in Berlin im Mai in Betrieb genommen. Nicht nur die Fahrgäste müssen sich umstellen. Foto: Florian Müller |
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Der RE 5 kommt wie gehabt von Rostock und
Stralsund über Neustrelitz und fährt dann
durch den Tunnel weiter Richtung Ludwigsfelde
(ohne Halt in Teltow und Birkengrund),
Luckenwalde, Jüterbog und abwechselnd
nach Lutherstadt Wittenberg bzw. Falkenberg/Elster.
Reisende nach Falkenberg
müssen künftig mit älterem Wagenmaterial
rechnen. Halte in Berlin sind Gesundbrunnen,
Hbf, Potsdamer Platz, Südkreuz und
Lichterfelde Ost. Zwischen Berlin Hbf und
Ludwigsfelde ergibt sich ein Halbstundentakt
mit dem RE 4. Hingegen sind RE 5 und
RE 3 zwischen Gesundbrunnen und Lichterfelde
Ost nicht aufeinander abgestimmt.
Der RE 6 aus Neuruppin wird nach Berlin-Spandau
zurückgezogen, weil der Abschnitt
bis Charlottenburg vom Land Berlin abbestellt
wurde. Es besteht allerdings in beiden
Richtungen in Spandau ein einigermaßen
schneller Anschluss vom/zum RE 2.
Neu ist der RE 7. Er übernimmt zwischen
Dessau, Beizig und Berlin die Leistungen
des bisherigen RE3 und fährt über die
Stadtbahn und Flughafen Schönefeld nach
Wünsdorf-Waldstadt. Halte in Berlin sind
Charlottenburg, Zoo, Hbf, Friedrichstraße,
Alexanderplatz, Ostbahnhof und Karlshorst.
Die selben Halte zwischen
Spandau und Schönefeld bedient
die RB 14 aus Nauen (mit Halt an
allen Unterwegshalten zwischen
Nauen und Spandau). Zwischen
Charlottenburg und Schönefeld
ergibt sich so ein angenäherter
Halbstundentakt. Die RB 14 macht
in Schönefeld Kopf und fährt (wie
schon jetzt) weiter nach Senftenberg
über Königs Wusterhausen,
Lübbenau mit Halt auf allen Unterwegsbahnhöfen.
Schönefeld—Michendorf—Potsdam wird dann
wieder mit einer eigenen Linie,
RB 22, bedient.
Zwischen Nauen und Spandau
wird die RB 10 mit der RB 14 auf
einen Halbstundentakt verdichtet,
die Verlängerung nach Charlottenburg
fällt auch hier wie beim RE 6
mit Ausnahme einiger Züge im
Berufsverkehr weg. Am Grundangebot
auf den anderen Linien in Berlin und
Brandenburg ändert sich im Wesentlichen
nur wenig.
Auch der Ausflugszug von Berlin nach Warnemünde
fährt im Sommer so wie jetzt, d.h.
von Ostbahnhof über die Stadtbahn, Charlottenburg
und Spandau. Ebenso bleibt
der direkte RE nach Szczecin (Stettin) auf
der Stadtbahn. Ersatz für die wegfallenden
IR nach Chemnitz sind zwei RE-Zugpaare.
Sie kommen ebenfalls von der Stadtbahn
(siehe Seite 10). Ebenso bleiben der Ausflugszug
von Berlin-Lichtenberg nach
Rheinsberg (im Sommer täglich, sonst an
den Wochenden) und der „Wolliner" nach
Swinoujscie (Swinemünde) an den Sommerwochenenden
erhalten. Auch der
Connex-Wochenendzug in den Harz fährt
so wie seit Dezember 2005.
Viele Gewinner und einige Verlierer
Von den Vorteilen des neuen Netzes (mit
Tunnel) war bereits einiges in Verlautbarungen
von DB und VBB zu lesen. Natürlich
geht es ihnen dabei um werbewirksame
Effekte. So werden Fahrzeitvergleiche gerne
zum bisher gar nicht im Regionalverkehr
angefahrenen Bahnhof Potsdamer Platz
veröffentlicht. Zu anderen Zielen kann es allerdings
ganz anders aussehen. Deswegen
ist es nötig, etwas genauer die einzelnen
Relationen zu betrachten.
Aus etlichen Richtungen (Brandenburg,
Frankfurt/Oder, Cottbus, Rathenow) ändert
sich zunächst einmal - bis auf den neuen
Halt im neuen Hauptbahnhof - nichts Wesentliches.
Die Züge fahren wie gehabt über
die Stadtbahn. Reisende zu den neuen Regionalbahnhöfen
auf der Nord-Süd-Achse
werden dorthin im Regelfall wie früher in
die S-Bahn umsteigen. Maximal drei Regionalzüge
pro Stunde und lange Umsteigezeiten
im Hauptbahnhof bieten kaum eine
Alternative.
Änderungen ergeben sich für Richtungen,
von wo künftig die Züge durch den Tunnel
fahren werden. Die Vorteile für Reisende zu
den neuen Regional- bzw. Fernbahnhöfen
(Lichterfelde Ost, Südkreuz, Potsdamer Platz,
Gesundbrunnen, Jungfernheide) sind offensichtlich.
Auch die, die von dort in naheliegende
Ziele entlang des Rings umsteigen,
profitieren fast immer. Reisende zur Stadtbahn
(Zoologischer Garten, Friedrichstraße,
Alexanderplatz, Ostbahnhof) müssen dagegen
auf diesen Relationen umsteigen. Teils
hat man trotzdem einen Reisezeitgewinn,
teils wird die Fahrzeit aber merklich länger,
je nach Richtung. Im Folgenden werden einige
Relationen näher betrachtet:
Gewinner: Luckenwalde / Ludwigsfelde
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Liniennetz des Regionalverkehrs Berlin-Brandenburg ab 28. Mai 2006 mit dem Tiergartentunnel. Grafik: DB Regio AG, Regionalbereich Ost. |
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Auf dieser Linie ergeben sich in vielen Relationen
deutliche Fahrzeitkürzungen. Aus
Richtung Ludwigsfelde ist man so (je nach
Unterwegshalten der Züge) in 17 bis 26
Minuten am Potsdamer Platz, derzeit sind
es mit Umsteigen in Alexanderplatz oder
Friedrichstr. 50 bis 53 Minuten. Zum Bf Zoo
muss man nun am Hbf umsteigen, schafft es
aber je nach Verbindung in 36 bis 41 Minuten,
derzeit sind es 48 Minuten direkt. Zum
Alexanderplatz geht es trotz Umsteigen in
etwa der gleichen Zeit wie jetzt. Ludwigsfelde
(und im Berufsverkehr Luckenwalde)
profitieren zudem von einem dichteren
Fahrtenangebot mit RE 4 und RE 5.
Wermutstropfen ist hier die ersatzlos wegfallende
Verbindung nach Schönefeld. In den
Südosten Berlins kommt man dann nur über
Südkreuz und weiter mit der S-Bahn. Wer
von Ludwigsfelde nach Schönefeld will, ist
statt 12 Minuten dann mehr als 50 Minuten
unterwegs. Selbst nach Adlershof benötigt
man etwa eine Viertelstunde mehr als jetzt.
Leichte Nachteile ergeben sich auch für den
Bereich östlich der Innenstadt. Die 34 Minuten,
die eine Fahrt von Ludwigsfelde nach
Ostkreuz über Karlshorst nun dauert, sind
bei Umsteigen in Südkreuz mit
den schnellen Zügen und Glück
beim Umsteigen zur Ringbahn
zu erreichen. Sonst kann es auch
eine Viertelstunde mehr werden.
Dennoch dürften für dieses
Gebiet die Vorteile in der Summe
deutlich überwiegen.
Gewinner: Neustrelitz /
Gransee / Oranienburg
Hier entfällt endlich der lange
Umweg über Falkensee und Spandau.
Dasführtzu meist verkürzten
Fahrtzeiten. Selbst zu den nicht
mehr direkt bedienten Bahnhöfen
Friedrichstr. und Alexanderplatz
spart man mit Umstieg in
Gesundbrunnen gut 10 Minuten
ein. Nach Zoo ist man mit Umstieg
in Hbf etwa genauso lange unterwegs
wie jetzt. Reisende in den
Osten der Stadt haben wie bisher
die Möglichkeit, in Oranienburg
in die RB 12 nach Lichtenberg umzusteigen.
Lediglich Richtung Spandau/Falkensee ergeben
sich Fahrzeitverlängerungen.
Auch hier gilt in der Summe: deutliche
Verbesserungen.
Wenige Gewinne:
Angermünde / Eberswalde
Reisende in Richtung Gesundbrunnen profitieren
von den neuen Direktverbindungen
natürlich deutlich. Aus Eberswalde ist man
in knapp einer halben Stunde dort. Auch
zum Potsdamer Platz kommt man direkt und
schnell; in Richtung Berlin gilt das allerdings
nur mit Einschränkungen, weil die Züge
mehr als 10 Minuten im Hbf warten. Nach
Ostbahnhof dauert es dagegen künftig eine
Viertelstunde länger als jetzt. Dass trotz des
Wegfalls der Direktverbindung nach Alexanderplatz
und Zoologischer Garten sich auf
diesen Relationen Fahrzeitverkürzungen ergeben,
liegt vor allem an den sehr langen
Aufenthaltszeiten der Züge in Ostbahnhof
im bisherigen Fahrplan.
Die Verbindung vom RE 3 nach Hohenschönhausen
fällt künftig weg. Reisenden
von Eberswalde und Bernau dorthin bleibt
aber auch weiterhin die Linie OE 60 der
Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft nach
Lichtenberg.
Geradezu peinlich ist, was den Reisenden
ab Mai in Richtung Stettin angeboten wird,
sieht man von den beiden Direktzügen auf
der Stadtbahn ab (RE morgens Richtung
Stettin, abends zurück; IC umgekehrt). Zu
den anderen Zeiten sind in Angermünde
künftig in der einen Richtung 26, in der anderen
Richtung 30 Minuten für das Umsteigen
angesagt! Das ist für eine Verbindung
dieser Bedeutung völlig unzureichend. Hier
sind im Interesse der Fahrgäste keine Ausreden
wie „es liegt an den polnischen Bahnen",
sondern rasche Verbesserungen geboten.
Verlierer:
Falkensee / Nauen / Wittenberge
Aus Falkensee geht es derzeit pro Stunde
zweimal direkt über die Stadtbahn durch Berlin
und dreimal nach Charlottenburg. Künftig
kommt man von dort nur noch einmal stündlich
direkt zur Stadtbahn (mit der RB 14 aus
Nauen), im Berufsverkehr gibt es noch eine
weitere stündliche Verbindung bis Charlottenburg.
Der RE4 (bisher RE2) fährt von
Falkensee einmal pro Stunde in den Tunnel.
Vorteile ergeben sich allenfalls für Reisende
Richtung nördlicher und westlicher Ring via
Jungfernheide. Der Vorteil der Direktverbindung
zum Potsdamer Platz und Südkreuz
relativiert sich sehr durch die langen Standzeiten
dieser Linie von über 10 Minuten im
neuen Hauptbahnhof.
Wittenberge und Neustadt (Dosse) verlieren
die Direktverbindung zur Stadtbahn
ganz. Für Reisende aus Pritzwalk und Kyritz
über Neustadt (Dosse) verlängert sich zudem
wegen längerer Umsteigezeit die Fahrzeit um
eine Viertelstunde.
Ein weiterer Nachteil für die Region um
Wittenberge ist die künftig gekappte Verbindung
aus Rostock: Der RE Wismar—Berlin
fährt dann in Bad Kleinen kurz vor dem RE
Rostock—Hamburg ab. Die gleichfalls nicht
mehr ins Schema des integralen Taktfahrplans
passenden IC sind dort ebenfalls keine
echte Alternative.
Problematisch:
Blankenfelde / Wünsdorf
Die Regionalexpresszüge aus Elsterwerda
bzw. Senftenberg müssen wegen der in Berlin
fehlenden Dresdener Bahn einen Umweg
über Genshagener Heide und durch langsame
Verbindungskurven fahren. Resultat:
Blankenfelde—Südkreuz dauert so mit dem
RE länger als mit der S-Bahn. Bis zum neuen
Hauptbahnhof sind es nur wenige Minuten
weniger als auf dem bisher genutzten Weg
über Schönefeld, auf dem wesentlich mehr
Teile von Berlin erschlossen werden. In die
Innenstadt (Alexanderplatz, Friedrichstraße)
oderzum Zoo braucht man von Orten südlich
von Wünsdorf länger als jetzt. Richtung Alexanderplatz
sind es z. B. je nach Zug zwischen
8 und 15 Minuten, von einigen Bahnhöfen
noch mehr.
In der Relation Wünsdorf—Stadtbahn
verbleibt stündlich der RE 7, etwa eine halbe
Stunde zum RE 3 versetzt, so dass sich Richtung
Hauptbahnhof einigermaßen gleichmäßig
Fahrtmöglichkeiten über beide Wege
ergeben. Die derzeit im Berufsverkehr bestehende
Direktverbindung von dort nach Lichtenberg
(RB 24) entfällt künftig.
Rheinsberg: Schneller mit Umsteigen
Schneller geht es ab Mai von und nach Rheinsberg
zum neuen Hauptbahnhof. Allerdings
nur, wenn man den RE 6 bereits in Herzberg
verlässt und mit der RB54, der RB 12 und
dem RE 5 nach Berlin fährt. Trotz dreimaligen
Umsteigens (Herzberg, Löwenberg, Oranienburg)
spart man so an die 50 Minuten (Achtung,
der Zweistundentakt auf der RB 54 hat
Lücken!). An der langsamen Fahrzeit des RE 6
zeigt sich deutlich ein großer Schwachpunkt
im Netz: das fehlende Ferngleis auf der Kremmener
Bahn. Selbst von Neuruppin ist man
mit der Umsteigeverbindung über Löwenberg
genauso schnell am Hauptbahnhof wie
mit RE 6-Nutzung bis Spandau.
Fazit: Im Dezember nachsteuern
Neben vielen Verbesserungen bietet der neue
Fahrplan auch einige Verschlechterungen. Es
profitieren vor allem die Verbindungen zur
Anhalter Bahn (Ludwigsfelde, Luckenwalde)
und zur Nordbahn (Oranienburg, Gransee,
Neustrelitz). Nachteile ergeben sich vor allem
für die Hamburger Bahn (Falkensee, Nauen,
Neustadt, Wittenberge) und einige Verbindungen
zu Bahnhöfen im Osten Berlins. Ärgerlich
sind die langen Aufenthaltszeiten
einiger RE-Linien im neuen Hauptbahnhof,
so dass Fahrten über Hbf hinaus nur eingeschränkt
schneller werden. Spandau—Südkreuz
ist mit dem direkten RE genauso schnell
wie bisher mit der S-Bahn inklusive zwei Mal
umsteigen.
Ob sich für die Dresdener Bahn möglicherweise
eine andere Betriebsführung anbietet,
ist zu prüfen.
Einige Inkonsistenzen im Fahrplan (z.B.
lange Halte im Hauptbahnhof für RE4 und
RE 3, schlechte Anbindung Stettins) sollten
spätestens zum nächsten Jahresfahrplan ab
Dezember 2006 beseitigt werden. (kut)
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