„Häufig verpasse ich das Ende des Theaterstücks,
wenn die Aufführung in München
Überlänge hat", beklagte sich neulich ein
Rentner aus der bayerischen Provinz bei mir
- als Vertreter eines Interessenverbandes für
die Schiene. In seiner Region wurden etliche
späte Zugverbindungen gestrichen. Sein
Pech, er hat kein Auto. Dieses Schicksal teilt
er mit immerhin 8 Millionen Haushalten. Aber
wer in diesem Land kein Auto
hat, ist eigentlich ein Kandidat
für den Einbürgerungstest. Dabei
ist die Diskussion um die
Kürzung der Regionalisierungsmittel
noch in vollem Gang. Die wirklichen
Kürzungen haben noch gar nicht begonnen.
Bundes- und Landespolitiker feilschen seit
Monaten über eine Verringerung der sogenannten
Regionalisierungsmittel, also jener
Geldern, die der Bund den Ländern zur Verfügung
stellt, um den regionalen Schienenverkehr
zu bestellen. 3,3 Milliarden Euro bis
Ende 2010 stehen zur Disposition. Das bedeutet,
jeder sechste Zug ist von der Streichung
bedroht. Die Konsequenz: Das Angebot im
Personennahverkehr auf der Schiene würde
sich deutlich verschlechtern, falls die Kürzungen
umgesetzt werden. Auch Streckenstilllegungen
wären dann wohl nicht mehr zu
vermeiden. Vor allem die Provinz liefe Gefahr,
endgültig aufs Abstellgleis geschoben zu
werden - mit allen Implikationen für die ohnehin
von Arbeitslosigkeit, Überalterung und
Landflucht bedrohten Regionen.
Zeitgleich zur Kürzungsdebatte geisterte
der Vorwurf von führenden Bundespolitikern
durch den Raum, die Länder würden Gelder
in Milliardenhöhe für den Nahverkehr zweckentfremden.
Die Allianz pro Schiene wollte es
genauer wissen und beauftragte eine Beratungsfirma
mit der Recherche. Das Ergebnis:
Es gibt keine Zweckentfremdung der Mittel.
Die Länder nutzen jedoch die.gesetzlichen
Spielräume für unterschiedliche
Aufgabenschwerpunkte
innerhalb des ÖPNV. Die Gelder
werden also weder für die
Schuldentilgung noch für die
Modernisierung des ministeriellen (Auto-)
Fuhrparks verwendet, wie die Vorwürfe latent
unterstellten.
Allerdings tragen die Länder eine Mitschuld
daran, dass die Vorwürfe der Zweckentfremdung
bis heute nicht verstummt sind.
Sie haben versäumt, rechtzeitig Auskunft
über die Verwendung der Mittel zu geben.
Dabei haben sie nichts zu verbergen. Der
Nahverkehr auf der Schiene ist eine echte
Erfolgsgeschichte: mehr Zugkilometer und
mehr Fahrgäste. Längst nicht überall sind öffentliche
Gelder so gut investiert worden wie
hier. Auch deshalb sollte das Kürzungstheater
beendet und diejährliche Dynamisierung der
Mittel, also die Steigerung um 1,5% beibehalten
werden. Vielleicht erlebt dann auch
der bayerische Rentner wieder ein Happy
End - ohne die ständige Angst, dass für ihn
der Zug längst abgefahren ist. (MvB) Allianz Pro Schiene
|