|
„Zur Zukunft des ÖPNV in Brandenburg" - Mit
diesem Thema beschäftigte sich eine Veranstaltung
der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung
am 26. April 2006 in der Landeshauptstadt
Potsdam. Welche Auswirkungen
haben der Bevölkerungsrückgang und die
Abnahme der Bereitschaft der öffentlichen
Hand, im bisherigen Umfang öffentlichen
Personennahverkehr (ÖPNV) als Daseinsvorsorge
und Teilhabe am öffentlichen Leben zu
finanzieren? Welche Lösungsansätze wurden
in Brandenburg in Vergangenheit verfolgt
und welche weiteren Ideen gibt es noch, ein
Grundangebot vorzuhalten?
Dr. Norbert Wagener von der Wagener &
Herbst Management Consultants GmbH
stellte die Ergebnisse einer repräsentativen
deutschlandweiten Delphi-Studie aus dem
Jahr 2005 vor. Auftraggeber dieser Studie,
die den Zeitraum der nächsten 20 Jahre beleuchten
sollte, war dass Deutsche Verkehrsforum.
Befragt wurden 250 Akteure aus dem
Gesamtmarkt - also Aufgabenträger und
Unternehmen.
Die Kernaussagen der Gutachter
„Alt ist erst derjenige, der nicht mehr mit dem
Auto fahren kann" - so die zugespitzte Zusammenfassung
von Herrn Wagener. Das
ist die Konsequenz aus der Tatsache, dass in
der Vergangenheit das eigene Auto im ländlichen
Raum zwingend notwendig war und
auch weiterhin sein wird. Diejenigen, die in
15 bis 20 Jahren nicht mehr berufstätig sind,
sind mit dem Auto groß geworden. Somit ist
ihre Bereitschaft, öffentliche Verkehrsmittel
zu nutzen oder ein ÖPNV-Angebot auch aktiv
einzufordern, nicht groß.
Zunehmen im Segment des ÖPNV werden
als Ergebnis der Studie Seniorenwege (z. B.
zum Arzt, zum Einkaufen), Freizeitverkehre
und Arbeitswege. Dagegen wird es eine weiterhin
spürbare Abnahme beim Schüler- und
Ausbildungsverkehr geben - inzwischen eigentlich
das Rückgrat des Verkehrsangebots
in der Fläche.
In ländlichen Gebieten wird ein Bahn- und
Busangebot, so es denn überhaupt noch vorgehalten
werden soll, eine ganz neue Definition
erfahren müssen. Die Daseinsvorsorge
wird hier höchstens der berühmte Bus am
Vormittag in die nahe gelegene Kreisstadt
sein, der am Nachmittag wieder zurückfährt
(„Mindestmobilität"). Eine Konkurrenz zwischen
Pkw und ÖPNV wird es nicht geben
- das eigene Auto ist für das Zurücklegen fast
aller Wege unerlässlich.
Aus der Praxis berichtete der Leiter des
Wirtschaftsamtes im Landkreis Uckermark,
Thomas Hoffmann. Mit einer Besiedlungsdichte
von nur durchschnittlich 20 Einwohnern/km² werden
dort heute 70 % aller Wege
im eigenen Pkw zurückgelegt, 17 % sind Mitfahrer,
10% benutzen den Bus und - auch
auf Grund des fast nicht mehr vorhandenen
Bahnangebotes - nur 3 % der Einwohner den
Bahnverkehr. 66% der ÖPNV-Benutzer sind
Schüler; in anderen Landkreisen sind es sogar
bis zu 90%. In den letzten 10 Jahren sind im
Landkreis Uckermark die Schülerzahlen um
teilweise bis zu 40 % zurückgegangen.
Dennoch ist es gelungen, das ÖPNV-Angebot
durch die Umstellung auf „alternative
Bedienformen" auszubauen. Gemeint ist damit,
dass statt Regelfahrten, die auch dann
durchgeführt werden, wenn niemand mitfährt,
Fahrten angeboten werden, die zuvor
angemeldet werden müssen (sogenannte
Rufbusse). Ferner zählen dazu Angebote
für spezielle Zielgruppen, z.B. kostenfreier
Stadtbus in Templin, Theaterbus oder Fahrradmitnahme
in Anhängern auf bestimmten
Linien. Mit einer Ausweitung des möglichen
Fahrtenangebotes durch solche alternativen
Bedienformen auf etwa 150 % konnten 50 %
der Kosten eingespart werden. Klagen und
Beschwerden hätte es bisher keine gegeben.
Schnell ging es dann leider nicht mehr um
die Gestaltung des Angebots in künftigen
Jahren, sondern ums Geld. Der Moderator
des Abends, Rainer Siebert von der Friedrich-Naumann-Stiftung,
läutete diese Wendung mit der Frage ein „Was kann man sich in
Zukunft noch leisten?" Zielführender wäre
die Frage gewesen, was sich die Kommunen
noch leisten wollen. Angesichts der bevorstehenden
Kürzung beLden Regionalisierungsmitteln,
mit denen in Brandenburg
ein großer Teil des Busangebots finanziert
wird, zeichnen sich Einschnitte in das jetzige
Angebot ab. Zu groß scheint in den
Verwaltungen die Versuchung zu sein, eine
Kürzung der Mittelzuweisung des Bundes
um einige Prozentpunkte zu nutzen, das
ÖPNV-Angebot überproportional zu streichen.
Denn schließlich kann mit dem Geld,
dass der Bund ja eigentlich für die Bestellung
von Nahverkehrsleistungen überweist,
der eigene Haushalt saniert werden!
So endete die Veranstaltung mit der Forderung
des VDV-Geschäftsführers Jürgen Prinzhausen,
dass die Unternehmen selber viel
besser statt der kommunalen Aufgabenträger
die Linienführung und Takte planen können.
Bekanntlich befinden sich in den Neuen
Bundesländern die Busbetriebe in der Regel
im kommunalen Besitz. Auch die Forcierung
des Wettbewerbs durch Ausschreibungen
führe nicht zu Einsparungen. Solche Ausschreibungen,
so Prinzhausen, würden nur
Geld kosten, aber nichts bringen. Dieser Aussage
kann sich der Berlin-Brandenburgische
Bahnkunden-Verband keinesfalls anschließen.
Ausschreibungen und Wettbewerb als
„Gespenst" und sinnlose Geldausgabe zu
brandmarken, weil schon seit vielen Jahren
die Chefs der Verkehrsunternehmen mit den
ÖPNV-Planern in den Kommunen gut zusammenarbeiten
und dann, wenn weniger Mittel
für die Fahrten zur Verfügung stehen, kurzerhand
das bestehende Angebot entsprechend
zusammenzustreichen, erinnert deutlich an
Planwirtschaft.
Wenn es auch in Zukunft ein Grundangebot
an Bahn- und Busleistungen im dünn besiedelten
ländlichen Raum geben soll, dann
müssen sich sowohl die verantwortlichen
Landes- und Kommunalpolitiker mit den Verkehrsunternehmen
und selbstverständlich
auch mit den Fahrgästen über Einzelheiten,
insbesondere Qualitätsstandards, beraten.
Leistungen sind im Wettbewerb auszuschreiben
und nach nachvollziehbaren Kriterien zu
vergeben.
Wenn die Kürzung der Regionalisierungsmittel
durch die Bundesregierung nicht abgewendet
werden sollte, darf das Land Brandenburg
dies nicht als Einladung verstehen,
seinerseits überproportional durch Abbestellungen
im Bahn-Nahverkehr bzw. Kürzung
der Mittel, die an die Landkreise gegeben
werden, den eigenen Haushalt zu sanieren. Berlin-Brandenburgischer Bahnkunden-Verband
|