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Am 10. Mai führte der Verkehrsausschuss des
Deutschen Bundestages eine erste Anhörung
von Sachverständigen im Hinblick auf
die geplante Privatisierung der Deutschen
Bahn AG durch. Zu den geladenen Sachverständigen
gehörte auch Prof. Dipl.-Ing.
Karl-Dieter Bodack, der von 1967 bis 1995 in
Stabs- und Führungspositionen bei der DB
bzw. DB AG tätig war und heute Mitglied im
Bündnis „Bürgerbahn statt Börsenbahn" ist.
Integrierter Börsengang
Die DB hat in ihrer Eröffnungsbilanz 1994
das Anlagevermögen um 43 Milliarden
Euro reduziert und seither die durch zinslosen
Darlehen und Baukostenzuschüsse
des Bundes erstellten Anlagen wertmäßig
nicht bilanziert. Nach der Bundeshaushaltsordnung
dürfen „Vermögenswerte nur zu
ihrem vollen Wert veräußert werden" Ermittelt
man den „vollen", d.h. realen Wert der
DB AG auf der Basis der im PRIMON-Gutachten
(1) genannten Werte, so ergibt sich eine
Größenordnung von 100 Milliarden Euro als
Wert allein für die Bahnsparte des integrierten
Konzerns (2). Bei erwarteten Kapitalrenditen
von beispielsweise 8% müssten die
Schienenverkehre 8 Milliarden Euro Gewinn
abwerfen. Da sie aber nur etwa 16 Milliarden
Euro Umsatz erwirtschaften, ist dies völlig
ausgeschlossen!
Um diese tatsächliche „Börsenuntauglichkeit"
-die für alle vergleichbaren Bahnen
zutrifft - umzukehren, sehen die DB AG und
die beauftragten Gutachter vor, das Anlagevermögen
zu einem Bruchteil seines realen
Werts zu verkaufen, d.h. die durch Bundesmittel
erstellten Anlagen nicht zu bewerten,
de facto also zu „verschenken". Daraus resultieren
die im PRIMON-Gutachten genannten
Werte für einen 49 % Verkauf des Netzes mit
Schienen- und Logistiksparten von nur 5,0
bis 13,2 Milliarden Euro.
Ich kann nicht erkennen, wie der Bund
- nach Investitionen von über 100 Milliarden
Euro in das Netz der DB - vor den Bürgern
und dem Gesetz rechtfertigen will, Vermögenswerte
von über 10 Milliarden Euro zu
verschenken und dabei erreicht, dass - bedingt
durch die Kapitalinteressen der neuen
Miteigentümer-erhebliche Risiken und
materielle Verschlechterungen in der Versorgung
mit Bahndiensten entstehen.
Daher muss ein „Verkauf" der DB einschließlich
des Netzes unmöglich erscheinen.
Verkauf von Verkehrsunternehmen
Verkehrssparten binden weniger Kapital im
Verhältnis zum Umsatz und erscheinen daher
eherzu ihren realen Werten verkäuflich.
Da der Schienenpersonen-Fernverkehr nur
eine Rendite um 1 % erwirtschaftet, müssen
drastische Maßnahmen der Investoren
zur Erreichung einer mehrfach höheren
Rendite erwartet werden: Vor allem ist ein
massiver Abbau des InterCity-Netzes zu
erwarten, da hier keine oder nur geringe
Renditen erwirtschaftet werden. Die DB AG
hat ja bereits das InterRegio-Netz liquidiert,
da es nicht renditeträchtig erschien. Weitere
Reduktionen werden ganze Regionen
vom Fernverkehr abhängen; Ersatzleistungen
im Nahverkehr erfordern zusätzliche
öffentliche Mittel und verschlechtern die
Verkehrsbeziehungen.
Andere Verkehrsunternehmen werden
in diesen Markt wegen der hohen und
langfristigen Kapitalbindung für Züge und
Werkstätten nicht einsteigen. Der einzige
deutschlandweit verkehrende private Anbieter,
dieTouristik-Union International (TUI),
stellte mit Gründung der DB AG ihre „TUI Ferien-Express"-Züge
ein, als die DB diese mit
realen Kostensätzen belasten wollte.
In Großbritannien agieren private Bahnbetreiber
nur, weil sie über das Franchising
der Strecken seitens des Staates vor Konkurrenz
geschützt werden, mit angemessen
niedrigen Trassenentgelten unterstützt und
mit 7-Jahres-Verträgen mittelfristig finanziell
disponieren können.
Artikel 87e Abs. 4 des Grundgesetzes
sieht eine Gewährleistung des Bundes auch
für den Schienenpersonen-Fernverkehr vor.
Sie ist de facto nicht gegeben, weil die im
Grundgesetz geforderten gesetzlichen Regelungen
fehlen. Daher muss unter diesem
Gesichtspunkt der Verkauf der Sparte Personenfernverkehr
ausgeschlossen werden.
Wird er trotzdem durchgeführt, werden die
Schäden im Gemeinwohl und die Belastungen
des Bundeshaushalts höher sein als der
Verkaufserlös.
Staatliche Bahnen leisten mehr
Die Bahnen der Nachbarländer Dänemark,
Holland, Frankreich, Schweiz und Österreich
schaffen in staatlichem Besitz höhere Verkehrsleistungen,
gemessen in Personenkilometer/Einwohner, als die DB AG. Bundesbahn
und Reichsbahn hatten trotz teilweise
miserabler Zustände im Netz und Fahrzeugpark
1993 höhere Leistungen im Personenfernverkehr
als die DB AG nach zehn Jahren
massiver Investitionen (3): Die Realität zeigt,
dass staatliche Bahnen mehr Verkehr auf
die Schiene bringen können - dies sogar
mit gleichen oder weniger staatlichen Leistungen.
Alle Varianten des Börsengangs verursachen
massive Risiken und bieten keine realen
Chancen, weder für mehr Verkehr auf
der Schiene noch für eine Reduktion der
staatlichen Leistungen. Die DB AG muss
überhaupt nicht und sollte - auch in Teilen
- nicht verkauft und erst recht nicht verschenkt
werden!
Alternativen
- Leistungsfähigkeit und Markterfolg
hängen maßgeblich von der Unternehmenskultur,
von der Mitarbeiterzentrierung
und Kundenorientierung ab (4). Die
Bundesregierung könnte als Eigentümer
dafür sorgen, dass diese Qualitäten, die
ansatzweise und mit gutem Erfolg bei der
Bundesbahn geschaffen worden waren
(3), konsequent und mehr als bisher entwickelt
werden.
- Zur Sanierung des Bundeshaushalts sollten
alle Großprojekte der DB AG überprüft
werden, da es für sie Alternativen gibt, die
ein Einsparungspotenzial von insgesamt
bis zu 10 Milliarden Euro möglich erscheinen
lassen.
- Zum Abbau der hohen Verschuldung
könnten die Transportsparten, die die
DB AG in den USA und im Fernen Osten
erworben hat, verkauft werden.
- Werden die bislang mit Bundesmitteln erstellten
Anlagen bilanziell erfasst, kommt
die DB AG wieder in die Lage, Anleihen
begeben zu können, die wesentlich weniger
„kosten" als die Renditen potenzieller
Investoren.
- Die DB könnte den Millionen „bahnaffiner"
Kunden spezielle Anleihen anbieten und
mit vielfältigen Marketinginstrumenten
besondere Kundenbindungen schaffen,
indem sie diesen „Kapitalgebern" Mitwirkungsmöglichkeiten
bei der Angebotsgestaltung
gibt.
Persönliches Statement
Ich war mit anderen Kollegen der Bundesbahn
beauftragt, das Ausbesserungswerk
Weiden in eine GmbH umzuwandeln. Dies
gelang, binnen weniger Jahre erreichte die
daraus gegründete PFA GmbH mit einem
hochmodernen Werk gute Gewinne. Auf
Drängen des 49%-Teilhabers verkaufte die
DB AG Schritt für Schritt ihren 51%-Anteil.
Das Unternehmen geriet über die ersten
Eigentümer, die es hoch verschuldeten, in
den Besitz der „Alpha-Bravo-Investment",
die es ausschlachtete und in den Konkurs
trieb. Tausend Arbeitsplätze wurden vernichtet
(3).
Die Vermögenswerte, Arbeitsplätze und
auch die Sozialstandards der DB AG haben
„Eisenbahner" in generationsübergreifender
Arbeit geschaffen: Bundestag und Bundesregierung
haben eine hohe Verantwortung
gegenüber diesen Menschen. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass ein wie immer gearteter
Verkauf dieser Verantwortung gerecht
werden kann.
Quellen
(1) Booz Allen Hamilton: Privatisierungsvarianten
der DB AG, „mit und ohne Netz", 7.
2006
(2) Gerd Peters: Das Bahngutachten PRIMON
- Kritische Anmerkungen, Stuttgart, 4/2006
(3) Karl-Dieter Bodack: InterRegio, die abenteuerliche
Geschichte eines beliebten Zugsystems,
Freiburg, 2005
(4) Heiner Monheim/Klaus Nagorni (Hrg): Die
Zukunft der Bahn, Karlsruhe, 2004 Karl-Dieter Bodack
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