Brandenburg

Erstes Bürgerbahn-Projekt auf den Weg gebracht

Seit 30. Juni rollt der Elbe-Elster-Express durch das südbrandenburgische Wald- und Heideland

Dichtes Gedränge herrschte auf dem Bahnsteig in Falkenberg (Elster), als die Jungfernfahrt nach Schlieben startete. An Bord des Triebwagens waren rund 100 geladene und spontane Gäste aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Tourismus sowie Verbänden, angereist aus verschiedenen Regionen und Bundesländern. Zuvor hatten auf dem Bahnhof Falkenberg Vertreter des Landes Brandenburg, der Stadt Falkenberg sowie des „LEADER+"-Vereins Wald-und Heideland e.V. und des Deutschen Bahnkunden-Verbands e. V. (DBV) bei einem Festakt ihre Grußworte und Glückwünsche vorgetragen.

Falkenbergs Bürgermeister Herold Quick freute sich auf den „Zugzuwachs" auf dem vor der Rekonstruktion stehenden Bahnhof der Stadt sowie die Reaktivierung der Strecke Falkenberg—Luckau-Uckro. In Vertretung des brandenburgischen Verkehrsministers Frank Szymanski, der gerne selbst anwesende gewesen wäre, hob Ministerialdirigent Rainer Bretschneider vor allem den Modellcharakter des Vorhabens hervor. Dies sei ein guter Tag für die Bahn und für die Region. Mit diesem neuen Bahnprojekt sei Brandenburg die „Speerspitze". Er unterstrich gleichzeitig das Interesse des Landes an dem Projekt.

Bahnsteig
Zur Erschließung des Erholungsgebiets am Kiebitzsee durch den Elbe-Elster-Express hat die Stadt Falkenberg (Elster) den noch von der Deutschen Reichsbahn geschliffenen Bahnsteig Falkenberg Nord neu errichtet. Der Haltepunkt wird künftig Falkenberg-Kiebitz heißen. Foto: Matthias Lohfink, Schlieben

Als mögliche Antwort auf die bevorstehenden Kürzungen im Regionalverkehr stellte DBV-Präsident Gerhard J. Curth das vom DBV mit d em „LEADER+"-Verein Wald- und Heideland zusammen mit den Städten Falkenberg, Uebigau-Wahrenbrück, Mühlberg und Schlieben auf den Weg gebrachte BürgerBahn-Projekt vor. Damit es nicht zu Abbestellungen, sondern allenfalls zu bedarfsorientierten Anpassungen in den Fahrplänen kommt, bedarf es neuer Ideen, sagte er. Eine Idee sei die BürgerBahn. Curth freute sich, dass das Modell bereits in anderen Regionen wie Dübener Heide, Saarland, Sächsisches Zweistromland, Wendland und Mainfranken kopiert werden soll und dass zahlreiche Vertreter von dort anwesend seien. Bahnfahren in der Fläche könne man am Wochenende durchaus gemütlicher und nostalgischer gestalten. Dies trage eher zu einem Fahrgastzuwachs bei. Gerade an Wochenenden sei der Bus, wenn er denn überhaupt fährt, z um einen viel zu teuer und z um anderen meistens leer. Auch warnte er vor Abbestellungen im Bahnverkehr der Fläche. Nach Erhebungen des DBV gingen nach einer Angebotsumstellung von Bahn auf Bus bis zu 70 % der Fahrgäste verloren.

Mühlbergs Bürgermeister Dieter Jährlichen, der auch Vorsitzender des Wald- und Heidevereins ist, räumte ein, dass er und andere Amtskollegen aufgrund zahlreicher Hemmnisse in der Vergangenheit nicht geglaubt hätten, dass das Projekt Elbe-Elster-Express tatsächlich kommt. Er dankte allen Beteiligten, vor allem dem Leader-Manager Matthias Lohfink, für die unermüdliche Arbeit.

Nach den freudigen Worten setzte sich der Elbe-Elster-Express nach Schlieben in Bewegung. Der dortige Bürgermeister Richter empfing die Gäste mit Blasmusik und echtem Schliebener Wein, der dem Meißner Weinbaugebiet zugeordnet ist. Nach kurzem Aufenthalt ging es zurück nach Falkenberg, wo der Elbe-Elster-Express im Anschluss seine erste Bewährungsprobe bestehen musste. Es begann der dreitägige Zugverkehr anlässlich des Schliebener Moienmarktes, einem seit über 400 Jahren ausgetragenen Volksfest, das zu den größten brandenburgischen Veranstaltungen gehört. Gemeinsam mit einem Triebwagen der Prignitzer Eisenbahn GmbH konnte der Ansturm bewältigt werden. Insgesamt beförderten die Züge rund 3000 Fahrgäste und sorgten damit bis in die Nächte hinein für eine sichere An- und Abreise der Besucher dieser überregional bedeutenden Veranstaltung. Am folgenden Wochenende (8./9. Juli) begann der reguläre Fahrbetrieb, der vorrangig Touristen und Einheimischen als Reisemöglichkeit zwischen Falkenberg (Elster), Herzberg (Elster), Schlieben und Luckau-Uckro dienen soll.

Die Idee

Die ersten Überlegungen für das Projekt liegen rund drei Jahre zurück und resultierten aus der Erkenntnis, dass günstig gelegene, aber nicht mehr im bestellten Personennahverkehr betriebene Abschnitte der Niederlausitzer Eisenbahn und weiterer Nebenstrecken der Region zwar über Nutzungspotenziale für ein regelmäßiges Schienenverkehrsangebot verfügen, jedoch unter den gegenwärtigen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen keine Nahverkehrsbestellung seitens der Aufgabenträger mehrzu erwarten war. Daher mussten neue Modelle entwickelt werden, um den Bürgern ihre Bahnanbindung zurückzugeben und durch Wiederbelebung der Strecken gleichzeitig deren langfristigen Erhalt zu gewährleisten.

Das Bürgerbahnprinzip wurde von der Idee der Bürgerbusse abgeleitet, die in verschiedenen Bundesländern die Mobilität von Menschen im ländlichen Raum sicherstellen. Dabei kommt überwiegend ehrenamtliches Personal zum Einsatz, wo durch die Betriebskosten in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Übertragen auf den Schienenverkehr bedeutet dies, dass Nahverkehrsleistungen zu einem Bruchteil der sonst üblichen Bestellerentgelte erbracht werden können. Wenngleich keine vollständige Kostendeckung erreichbar ist, so lassen sich bei entsprechender Vernetzung mit regionalen Akteuren sowie umfassenden Marketingmaßnahmen ausreichende Fahrgastzahlen für einen niedrigen Zuschussbedarf erzielen. Zudem sind die Gebietskörperschaften aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch Leistungen wie Bahnsteiginstandhaltung usw. mitzuwirken.

Die Realisierung

Personen vor einem Zug
Mit viel Prominenz startete der Eröffnungszug am 30. Juni vom Bahnhof Falkenberg (Elster) nach Schlieben. In Vertretung des Ministers Frank Szymanski sprach Ministerialdirigent Rainer Bretschneider (2. von rechts) zu den Gästen. Foto: Florian Müller

Träger des Projektes ist der eigens zu diesem Zweck gegründete DBV-Förderverein Elbe-Elster-Express e.V., der mit Unterstützung der Deutschen Regionaleisenbahn GmbH den Fahrbetrieb durchführt. Die notwendigen Investitionen wurden durch die Gemeinschaftsinitiative LEADER+ der Europäischen Union ermöglicht. Mit den bewilligten Fördermitteln wurden unter anderem das Fahrzeug, die Wartehallen in Hohenbucko-Lebusa, Kolochau, Polzen und Kleinrössen sowie Sanierungsmaßnahmen an den Gleisanlagen und am Lokschuppen Schlieben finanziert. Nach Abschluss der Restarbeiten soll die Abstellung und Wartung des Triebwagens künftig in Schlieben erfolgen, wo zur günstigeren Steuerung der örtlichen Tätigkeiten auch das Büro des Fördervereins entstehen wird.

In den kommenden Wochen und Monaten konzentrieren sich die Aktivitäten des Fördervereins vorrangig auf die verbesserte Vernetzung mit den touristischen Anbietern der Region, den bereits vorhanden Leader-Projekten sowie auf die Entwicklung effizienter lokaler Organisationsstrukturen. Damit soll einerseits der Bekanntheitsgrad des Angebots gesteigert und dadurch ein größeres Fahrgastpotenzial erschlossen werden. Andererseits bedarf auch der ehrenamtliche Charakter des Projektes einer stärkeren Betonung. In diesem Zusammenhang sucht der Förderverein noch freiwillige Helfer für Lokführer- und Schaffnerdienste sowie Verwaltungsaufgaben. Interessenten melden sich bitte telefonisch unter (0 30) 63 49 70 -76 [Fax -99] oder per E-Mail unter bahnkunden@bahnkunden.de.

Zukunftspläne

Das große Interesse seitens der Gebietskörperschaften lässt auf einen steigenden Bedarf an alternativen Betreiberkonzepten für stilllegungsgefährdete Eisenbahnstrekken schließen. Deshalb plant der DBV auf der Grundlage der Erfahrungen des Pilotprojektes weitere Bürgerbahnen, unter anderem in der Dübener Heide, im Steigerwald, in der Altmark sowie die Stadtbahn Passau.

Bei aller Euphorie des ersten Bürgerbahn-Projekt bleibt zunächst abzuwarten, wie es sich bewähren wird und was es zu verbessern gilt. Wir stehen erst am Anfang.

DBV-Förderverein Elbe-Elster-Express e.V.

aus SIGNAL 4/2006 (August/September 2006), Seite 26-27

 

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