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Dichtes Gedränge herrschte auf dem Bahnsteig
in Falkenberg (Elster), als die Jungfernfahrt
nach Schlieben startete. An Bord
des Triebwagens waren rund 100 geladene
und spontane Gäste aus Politik, Verwaltung,
Wirtschaft und Tourismus sowie Verbänden,
angereist aus verschiedenen Regionen und
Bundesländern. Zuvor hatten auf dem Bahnhof
Falkenberg Vertreter des Landes Brandenburg,
der Stadt Falkenberg sowie des
„LEADER+"-Vereins Wald-und Heideland e.V.
und des Deutschen Bahnkunden-Verbands
e. V. (DBV) bei einem Festakt ihre Grußworte
und Glückwünsche vorgetragen.
Falkenbergs Bürgermeister Herold Quick
freute sich auf den „Zugzuwachs" auf dem
vor der Rekonstruktion stehenden
Bahnhof der Stadt sowie
die Reaktivierung der Strecke
Falkenberg—Luckau-Uckro. In
Vertretung des brandenburgischen
Verkehrsministers Frank
Szymanski, der gerne selbst
anwesende gewesen wäre,
hob Ministerialdirigent Rainer
Bretschneider vor allem den
Modellcharakter des Vorhabens
hervor. Dies sei ein guter Tag für
die Bahn und für die Region. Mit
diesem neuen Bahnprojekt sei
Brandenburg die „Speerspitze".
Er unterstrich gleichzeitig das
Interesse des Landes an dem
Projekt.
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Zur Erschließung des Erholungsgebiets am Kiebitzsee durch den Elbe-Elster-Express hat die Stadt Falkenberg (Elster) den noch von der Deutschen Reichsbahn geschliffenen Bahnsteig Falkenberg Nord neu errichtet. Der Haltepunkt wird künftig Falkenberg-Kiebitz heißen. Foto: Matthias Lohfink, Schlieben |
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Als mögliche Antwort auf die
bevorstehenden Kürzungen im
Regionalverkehr stellte DBV-Präsident
Gerhard J. Curth das vom
DBV mit d em „LEADER+"-Verein
Wald- und Heideland zusammen
mit den Städten Falkenberg, Uebigau-Wahrenbrück,
Mühlberg und Schlieben auf
den Weg gebrachte BürgerBahn-Projekt vor.
Damit es nicht zu Abbestellungen, sondern
allenfalls zu bedarfsorientierten Anpassungen
in den Fahrplänen kommt, bedarf es
neuer Ideen, sagte er. Eine Idee sei die BürgerBahn.
Curth freute sich, dass das Modell
bereits in anderen Regionen wie Dübener
Heide, Saarland, Sächsisches Zweistromland,
Wendland und Mainfranken kopiert werden
soll und dass zahlreiche Vertreter von dort
anwesend seien. Bahnfahren in der Fläche
könne man am Wochenende durchaus gemütlicher
und nostalgischer gestalten. Dies
trage eher zu einem Fahrgastzuwachs bei.
Gerade an Wochenenden sei der Bus, wenn
er denn überhaupt fährt, z um einen viel zu
teuer und z um anderen meistens leer. Auch
warnte er vor Abbestellungen im Bahnverkehr
der Fläche. Nach Erhebungen des DBV
gingen nach einer Angebotsumstellung von
Bahn auf Bus bis zu 70 % der Fahrgäste verloren.
Mühlbergs Bürgermeister Dieter Jährlichen,
der auch Vorsitzender des Wald- und
Heidevereins ist, räumte ein, dass er und
andere Amtskollegen aufgrund zahlreicher
Hemmnisse in der Vergangenheit nicht geglaubt
hätten, dass das Projekt Elbe-Elster-Express
tatsächlich kommt. Er dankte allen
Beteiligten, vor allem dem Leader-Manager
Matthias Lohfink, für die unermüdliche Arbeit.
Nach den freudigen Worten setzte sich
der Elbe-Elster-Express nach Schlieben in
Bewegung. Der dortige Bürgermeister Richter
empfing die Gäste mit Blasmusik und
echtem Schliebener Wein, der dem Meißner
Weinbaugebiet zugeordnet ist. Nach
kurzem Aufenthalt ging es zurück nach
Falkenberg, wo der Elbe-Elster-Express im
Anschluss seine erste Bewährungsprobe
bestehen musste. Es begann der dreitägige
Zugverkehr anlässlich des Schliebener
Moienmarktes, einem seit über 400 Jahren
ausgetragenen Volksfest, das zu den größten
brandenburgischen Veranstaltungen
gehört. Gemeinsam mit einem Triebwagen
der Prignitzer Eisenbahn GmbH konnte der
Ansturm bewältigt werden. Insgesamt beförderten
die Züge rund 3000 Fahrgäste und
sorgten damit bis in die Nächte hinein für
eine sichere An- und Abreise der Besucher
dieser überregional bedeutenden Veranstaltung.
Am folgenden Wochenende (8./9. Juli)
begann der reguläre Fahrbetrieb,
der vorrangig Touristen und Einheimischen
als Reisemöglichkeit
zwischen Falkenberg (Elster),
Herzberg (Elster), Schlieben und
Luckau-Uckro dienen soll.
Die Idee
Die ersten Überlegungen für das Projekt liegen rund drei Jahre
zurück und resultierten aus der Erkenntnis, dass günstig gelegene,
aber nicht mehr im bestellten Personennahverkehr betriebene
Abschnitte der Niederlausitzer Eisenbahn und weiterer Nebenstrecken
der Region zwar über Nutzungspotenziale für ein regelmäßiges
Schienenverkehrsangebot verfügen, jedoch unter
den gegenwärtigen verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen keine Nahverkehrsbestellung seitens
der Aufgabenträger mehrzu erwarten war. Daher mussten neue Modelle
entwickelt werden, um den Bürgern ihre
Bahnanbindung zurückzugeben und durch
Wiederbelebung der Strecken gleichzeitig
deren langfristigen Erhalt zu gewährleisten.
Das Bürgerbahnprinzip wurde von der
Idee der Bürgerbusse abgeleitet, die in
verschiedenen Bundesländern die Mobilität
von Menschen im ländlichen Raum
sicherstellen. Dabei kommt überwiegend
ehrenamtliches Personal zum Einsatz, wo durch
die Betriebskosten in einem überschaubaren
Rahmen bleiben. Übertragen
auf den Schienenverkehr bedeutet dies,
dass Nahverkehrsleistungen zu einem
Bruchteil der sonst üblichen Bestellerentgelte
erbracht werden können. Wenngleich
keine vollständige Kostendeckung erreichbar
ist, so lassen sich bei entsprechender
Vernetzung mit regionalen Akteuren sowie
umfassenden Marketingmaßnahmen ausreichende
Fahrgastzahlen für einen niedrigen
Zuschussbedarf erzielen. Zudem sind
die Gebietskörperschaften aufgefordert,
im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch Leistungen
wie Bahnsteiginstandhaltung usw.
mitzuwirken.
Die Realisierung
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Mit viel Prominenz startete der Eröffnungszug am 30. Juni vom Bahnhof Falkenberg (Elster) nach Schlieben. In Vertretung des Ministers Frank Szymanski sprach Ministerialdirigent Rainer Bretschneider (2. von rechts) zu den Gästen. Foto: Florian Müller |
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Träger des Projektes ist der eigens zu diesem
Zweck gegründete DBV-Förderverein
Elbe-Elster-Express e.V., der mit Unterstützung
der Deutschen Regionaleisenbahn
GmbH den Fahrbetrieb durchführt. Die
notwendigen Investitionen wurden durch
die Gemeinschaftsinitiative LEADER+ der
Europäischen Union ermöglicht. Mit den
bewilligten Fördermitteln wurden unter
anderem das Fahrzeug, die Wartehallen in
Hohenbucko-Lebusa, Kolochau, Polzen und
Kleinrössen sowie Sanierungsmaßnahmen
an den Gleisanlagen und am Lokschuppen
Schlieben finanziert. Nach Abschluss der
Restarbeiten soll die Abstellung und Wartung
des Triebwagens künftig in Schlieben
erfolgen, wo zur günstigeren Steuerung der
örtlichen Tätigkeiten auch das Büro des Fördervereins
entstehen wird.
In den kommenden Wochen und Monaten
konzentrieren sich die Aktivitäten des
Fördervereins vorrangig auf die verbesserte
Vernetzung mit den touristischen Anbietern
der Region, den bereits vorhanden Leader-Projekten
sowie auf die Entwicklung effizienter
lokaler Organisationsstrukturen.
Damit soll einerseits der Bekanntheitsgrad
des Angebots gesteigert und dadurch
ein größeres Fahrgastpotenzial
erschlossen werden. Andererseits bedarf
auch der ehrenamtliche Charakter
des Projektes einer stärkeren Betonung.
In diesem Zusammenhang sucht der
Förderverein noch freiwillige Helfer
für Lokführer- und Schaffnerdienste sowie
Verwaltungsaufgaben. Interessenten
melden sich bitte telefonisch
unter (0 30) 63 49 70 -76 [Fax -99]
oder per E-Mail unter bahnkunden@bahnkunden.de.
Zukunftspläne
Das große Interesse
seitens der Gebietskörperschaften
lässt auf einen steigenden
Bedarf an alternativen Betreiberkonzepten
für stilllegungsgefährdete Eisenbahnstrekken
schließen. Deshalb plant der DBV auf
der Grundlage der Erfahrungen des Pilotprojektes
weitere Bürgerbahnen, unter
anderem in der Dübener Heide, im Steigerwald,
in der Altmark sowie die Stadtbahn
Passau.
Bei aller Euphorie des ersten Bürgerbahn-Projekt
bleibt zunächst abzuwarten, wie es
sich bewähren wird und was es zu verbessern
gilt. Wir stehen erst am Anfang. DBV-Förderverein Elbe-Elster-Express e.V.
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