Mitten in Nordrhein-Westfalen, zwischen
Duisburg und Essen, liegt Mülheim an der
Ruhr. Mit knapp 170.000 Einwohnern hat
Mülheim den Status einer Großstadt und
besitzt seit 1897 eine meterspurige Straßenbahn.
In den 1970er Jahren begann auch in
Mülheim der Bau von Tunnelanlagen mit
der fatalen Folge, dass Mülheim heute als
Systemtrennstelle zwischen Duisburg, Essen
und Oberhausen über drei (!) verschiedene
Straßenbahnsysteme verfügt. Die meterspurige
Straßenbahn existiert nach wie vor
und bedient sowohl den Tunnel, als auch
oberdirsche Strecken. Das Netz weist eine
Strecke nach Oberhausen und eine Verbindung
zum Essener Meterspurnetz auf. Aus
Essen erreicht auch die normalspurige, mit
Hochflurfahrzeugen bediente, Stadtbahnlinie
U 18 ihren Zwangsendpunkt am Mülheimer
Hauptbahnhof. Weiter in die Stadtmitte
kann sie nicht fahren, denn entgegengesetzt
endet die ebenfalls normalspurige
Duisburger Straßenbahnlinie 901 mit teilniederflurigen
Fahrzeugen im Hauptbahnhof.
Beide Systeme sind inkompatibel! Die
gemeinsame Tunnelnutzung der meterspurigen
Linie 102 und der normalspurigen Linie
901 erfolgt durch ein aufwendiges Vierschienengleis.
Besondere Berühmtheit erlangte Mülheim
aber durch einen einmaligen Vorgang:
Am 2. April 2012 wurde die sogenannte
Flughafenstrecke zwischen Hauptfriedhof
und Flughafen ohne Vorankündigung
„technisch gesperrt”, da der Betriebsleiter
die Betriebssicherheit nicht länger garantieren
wollte. Zuvor unterblieb die notwendige
Instandsetzung der Strecke, da die Stadt die
entsprechenden Gelder nicht freigab. Die
zuständige Bezirksregierung in Düsseldorf
fordert seitdem mit Verweis auf die Betriebspflicht
die Instandsetzung der Strecke und
drohte Zwangsmaßnahmen an.
Am 21. September 2012 reagierte die
Stadt Mülheim auf ihre Art, indem sie einen
Antrag auf dauerhafte Entbindung von
der Betriebspflicht (Stilllegung) stellte und
zeitgleich die Konzession für eine Buslinie
beantragte.
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Straßenbahnhaltestelle Friesenstraße in Mühlheim an der Ruhr. Störanfällige Fahrzeuge und abgewirtschaftete Gleise – der einstige Vorzeigebetrieb wurde systematisch vernachlässigt. Zum Flughafen können daher keine Bahnen mehr fahren, doch die Genehmigungsbehörde verweigert die Stilllegung und pocht auf die Betriebspflicht Foto: Stefan Kunzmann |
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Am 14. März 2013 versandte die Bezirksregierung
den Ablehnungsbescheid mit
der Begründung, dass der Zustand „durch
pflichtwidrige Unterlassung ordnungsgemäßer
Unterhaltung herbeigeführt worden“
sei und die Sanierung für 600 000 Euro wirtschaftlich
zumutbar ist, da ein entsprechender
Betrag in den Vorjahren eingespart wurde.
Zudem soll die Strecke laut Regionsplanung
sogar bis zur Messe Essen verlängert
werden und dort einen Verknüpfungspunkt
zur U 11 erhalten.
Doch das Ende der Fahnenstange ist noch
lange nicht erreicht. Die Verabschiedung
des Nahverkehrsplans wurde wieder und
wieder verschoben.
Am 11. Juli 2013 hatte der Stadtrat über
die Beschaffung von 20 neuen Straßenbahnfahrzeugen
abzustimmen, was eigentlich
eher als Formalie angesehen wurde. Aber
plötzlich waren die Gegner erneut zur Stelle:
Wundersamerweise sollte der Komplettausstieg
samt Rückzahlung von 50 Millionen
Euro Fördergeldern (aus der Portokasse?)
günstiger sein als der langfristige Weiterbetrieb.
Am Ende der Stadtratssitzung gab es kein
klares Ergebnis, denn statt der 20 werden
nur 10 neue Fahrzeuge im Wert von 28
Millionen Euro beschafft, sodass mit den
bereits bestellten 5 Fahrzeugen 15 statt
25 Neufahrzeuge zur Verfügung stehen
werden. Zudem wurde angewiesen, dass
bis zur Entscheidung über die Zukunft der
Straßenbahn nur jene Maßnahmen durchgeführt
werden dürfen, die für den Erhalt
der Betriebssicherheit zwingend notwendig
sind.
Ein Bekenntnis zum schienengebundenen
ÖPNV sieht anders aus! Vielmehr
könnte sich der 11. Juli 2013 trotz Bestellung
neuer, aber eben nicht ausreichender
Fahrzeuge als Wendepunkt zugunsten der
Straßenbahngegner erweisen, zumal sich
die neuen Straßenbahnen gegebenenfalls
weiterverkaufen lassen, da sie auch
andernorts einsetzbar sind – zum Beispiel
in Essen.
Die Nachbarstädte Duisburg und Essen
zeigten sich von diesem völlig unabgestimmten
Vorgehen geschockt und beharren
auf der Einhaltung bestehender Verträge
und Konzessionen. Die erfolgte Einrichtung
einer gemeinsamen Verkehrsgesellschaft
wird damit konterkariert. (ge) Berliner Fahrgastverband IGEB
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