Damit reagiert sie auf die seit Jahren sich
häufenden Kritiken und Beschwerden der
Fahrgäste sowie der Fahrgast- und Umweltverbände
über unzureichende Maßnahmen im
Zusammenhang mit der Personenbeförderung.
Durch den Erlaß der „Beförderungsbedingungen
für Personen durch die Unternehmen der
Deutschen Bahn AG (BB Personenverkehr)",
die durch Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch
(BGB) notwendig geworden waren,
wurden einige dieser Probleme gemildert. Zur
Verminderung des Druckes der Öffentlichkeit
bei der Zunahme von Verspätungen im Fernverkehr
wurden freiwillig Gutscheine im Werte
von 10 EUR bei mehr als 30 Minuten Verspätung
eines ICE oder IC/EC - Zuges ausgegeben.
Jedoch einer von vielen Seiten geforderten
rechtsverbindlichen Regelung ihrer
Beziehungen zum Kunden konnte sich die DB
AG bislang erfolgreich entziehen. Auch die
jetzt vorliegende Kundencharta ist für die
Fahrgäste nicht unmittelbar rechtsverbindlich,
sondern hat die Form einer (Absichts-)" Erklärung
der Deutschen Bahn AG gegenüber der
Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu
den Fahrgastrechten im Fernverkehr". Außerdem
gilt sie ausdrücklich nur bei Fahrten mit
Zügen und mit Fahrkarten des Fernverkehrs -
also im ICE oder IC/EC und in Schlafwagenzügen
der DB AG.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß es sich
bei der Kundenchärta nicht um einen deutschen
Einzelfall handelt. Bei der Europäischen
Union in Brüssel liegt ein derartiges Dokument
im Entwurfsstadium vor, in dem die
Rechte der Fahrgäste weitaus umfangreicher
vorgesehen sind. Für den Internationalen Verkehr
wurde im Rahmen des Internationalen Eisenbahnverbandes
UIC in Paris eine Kundencharta
der Gemeinschaft Europäischer Bahnen
(CER) im Jahre 2002 erarbeitet; die DB AG
verpflichtet sich in Ziff. VIII der vorliegenden
Charta, dieses Dokument für den grenzüberschreitenden
Fernverkehr anzuerkennen. Außerdem
ist im Frühjahr 2005 mit dem Inkrafttreten
des „Übereinkommens über den internationalen
Eisenbahnverkehr (COTIF)" zu
rechnen, dessen Anhang A „Einheitliche
Rechtsvorschriften für den Vertrag über die
internationale Eisenbahnbeförderung von Personen
und Gepäck (CIV)" enthält.
Außer der vorliegenden Charta gibt es noch
andere Rechtsvorschriften und Vertragsbedingungen,
die sich mit Fahrgastrechten bzw.
Teilbereichen davon für ihren jeweiligen Geltungsbereich
befassen. Dazu gehören Teile
des bereits erwähnten Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB), das Haftpflichtgesetz (HPflG)
für Entschädigungen bei Tötung und Verletzung
von Reisenden, die Eisenbahnverkehrsordnung
(EVO), die Beförderungsbedingungen
der jeweiligen regionalen Verkehrsverbünde.
Nach Ziff. IX der vorliegenden Charta will sich
die DB AG auch „dafür einsetzen, gemeinsam
mit den Bestellern von Nahverkehrsleistungen
Regelungen für Fahrgastrechte im Nahverkehr
zu vereinbaren". Damit bleiben Regelungen
für solche Nahverkehre offen, für die
keine Bestellungen vorliegen.
Im Interesse der Überschaubarkeit aller
dieser Regelungen durch die Reisenden wäre
es wünschenswert, diese Fahrgastrechte in
entsprechenden Dokumenten einheitlich, übersichtlich
und rechtsverbindlich zusammenzufassen
und zu veröffentlichen.
Zu Einzelfragen der Charta, die unter der
Überschrift „Zusagen der DB AG" zusammengefaßt
sind. Es sind dies:
Einfacher Zugang zum System der DB
Als Informationsquellen für die Reiseplanung
im Fernverkehr bietet die Charta (in dieser
Reihenfolge) das Internet, das Telefon, Automaten,
Aushänge, Fahrplanunterlagen und
Broschüren am Bahnhof und schließlich die
persönliche Beratung an. Es erhebt sich als erstes
die Frage, wie „ein des Reisens Unkundiger"
(wie z.B. ein Bürger, der in seinem bisherigen
Leben nur sein Auto benutzt hat) an diese
Quellen herangeführt und mit deren Benutzung
vertraut gemacht werden kann. Das Normalste
war bisher die persönliche Beratung.
Wenn jedoch in erschrecklich zunehmendem
Maße Fahrkartenschalter geschlossen oder
ihre Öffnungszeiten eingeschränkt werden, ist
der „einfache Zugang zum System der DB" für
diesen Personenkreis ebenfalls verschlossen;
ein Fahrgastschwund ist die logische Folge,
auch wenn irgendwo die besten, schnellsten
und pünktlichsten Züge angeboten werden.
Beim Deutschen Bahnkunden-Verband (DBV)
häufen sich gerade in letzter Zeit Beschwerden
der Fahrgäste über mangelnde Informationsmöglichkeiten
und -angebote. In der Charta
wird das Ziel gesetzt „an allen Fernverkehrs-Bahnhöfen
in Deutschland stellt die DB
ihren Kunden mindestens einen Vertriebsweg
zur Verfügung (Fahrkartenausgabe, Reisebüro
mit DB-Lizenz, Agentur, Fahrkartenautomat)".
Gegenwärtig werden Fahrkartenausgaben
geschlossen, Reisebüros und Agenturen
verlieren ihre Provision oder müssen sie
dem Kunden zusätzlich berechnen. Somit
stellt der einzig übriggebliebene Vertriebsweg
Fahrkartenautomat auf einem Fernverkehrsbahnhof
der DB AG ein Armutszeugnis dar.
Zuverlässige Beratung durch das
Verkaufspersonal der DB AG
Bei Beratungen durch das Verkaufspersonal -
soweit noch vorhanden - stellen die Kunden
in zunehmendem Maße fest, daß ausschließlich
der Computer, auch mit allen seinen einzelnen
oder systembedingten Fehlern, zur
Grundlage der Auskünfte genommen wird.
Verkehrsgeographische Kenntnisse sind bei
den Mitarbeitern so gut wie nicht mehr vorhanden,
ganz zu schweigen über Auskünfte
zum oder im Auslandsverkehr. Und niemand
kann dem Kunden sagen, zu welchem Zeitpunkt
seine Rechte aus dem Beförderungsvertrag
beginnen - beim Kauf der Fahrkarte (bis
zu drei Monate im Voraus) oder beim Betreten
des Fahrzeugs.
Die angebotene Beratung beschränkt sich,
wie die gesamte vorliegende Charta, auf den
Fernverkehr der DB AG. Da inzwischen Reisende
auch auf große Entfernungen Nahverkehrszüge
der DB oder deren Tochtergesellschaften
nutzen und da in größerem Umfang
auch Nichtbundeseigene Eisenbahnen ihre
Dienste anbieten, muß gesichert werden, daß
deutschlandweit diese Angebote den Bahnkunden
unterbreitet werden. Hierfür könnte
der kürzlich international aufgetauchte Begriff
der „Systemführerschaft" auch für die
Inlandsverkehre verwendet werden. Das
heißt, daß eine der am Gesamtverkehr beteiligten
Bahnen - hier die DB AG - die anderen
nicht als Konkurrenten betrachtet, sondern im
Interesse der Fahrgäste sich um deren Kooperation
in allen Reiseverkehrsbelangen kümmert.
Dazu würde beispielsweise auch die
Anschlußsicherung zu Verkehrsmitteln anderer
Unternehmen gehören. Falls die DB AG nicht
in der Lage sein sollte, „die Stellung ihrer
Kunden im Sinne eines umfassenden, modernen
Leistungs versprechens weiter zu verbessern",
müßte geprüft werden, welche andere
Institution diese Aufgaben übernimmt.
Trotz vielfältiger elektronischer Medien
sollte sich die DB AG auch weiterhin zur Herausgabe
von Kursbüchern verpflichten. Diese
Bücher eignen sich nach wie vor als gute Informationsquelle
auch für die Gewinnung
neuer Kunden und für Nutzer der Eisenbahn
aus ländlichen Regionen.
Saubere Bahnhöfe und Züge,
Komfortables und sicheres Reisen
Was Sauberkeit und Sicherheit in den Fernverkehrszügen
und auf den Bahnhöfen betrifft,
stellt der DBV fest, daß auf diesem Gebiet
bisher viel getan worden ist; es gibt
kaum noch Beschwerden. Wir befürworten
daher die in diesem Abschnitt der Charta enthaltenen
Erklärungen und werden unsererseits
unsere Mitglieder auffordern, die Mitarbeiter
aller Eisenbahnunternehmen bei der
Einhaltung und Durchsetzung von Sauberkeit
und Sicherheit entsprechend zu unterstützen.
Eingehaltener Fahrplan
und Anschlußsicherung,
Information der Kunden entlang der
gesamten DB-Reisekette
Verspätungen haben - aus welchen Gründen
auch immer - negative Auswirkungen auf das
Ansehen der Verkehrsunternehmen und sind
oftmals mit finanziellen Schäden für die Fahrgäste
verbunden. Trotz aller Anstrengungen
von Eisenbahnern sind sie jedoch nicht immer
vermeidbar. Am Rande sei nur darauf verwiesen,
dass es auch im Luft- und Straßenverkehr,
ja sogar im individuellen Kraftfahrzeugverkehr,
Verspätungen gibt - darüber redet nur kaum
jemand und niemand macht die Straßenverkehrsbehörden
für einen Stau verantwortlich
oder gar schadensersatzpflichtig.
Bei der Eisenbahn können verschiedene Faktoren
zu Verspätungen führen. Das sind einmal
solche Ereignisse, die auch bei besten Sicherheitsvorkehrungen
für die Eisenbahnen unabwendbar
sind. Dazu gehören Naturereignisse
(Überschwemmungen, Sturmschäden, Bergrutsche),
Streik, kriegerische Handlungen (Terrorakte)
und leider in zunehmendem Maße auch
Selbstmord. Für solche Fälle lehnen auch wir
jede Verantwortung einer Eisenbahn ab.
Andererseits können Verspätungen ihre Ursache
in Handlungen oder Unterlassungen innerhalb
des Systems Eisenbahn haben. Durch
die derzeit zu beobachtende Zersplitterung bei
der DB AG (Fernverkehr, Regionalverkehr,
Stadtverkehr, Fahrweg, Traktion, Station und
Service, Energieversorgung usw.) kann es bei
nicht ordnungsgemäßem Zusammenspiel zur
Häufung von Fehlhandlungen kommen - oft
lösen kleine Ursachen große Wirkungen aus.
Für derartige Verspätungen hat nun erstmalig
die DB AG im Fernverkehr ihre Verantwortung
eingeräumt und bietet den davon betroffenen
Fahrgästen eine pauschale Entschädigung an.
Diese beträgt bei mehr als 60 Minuten Verspätung
des Fernzuges - bei Schlafwagenzügen
mehr als 120 Minuten - am Zielbahnhof (oder
Aussteigebahnhof) des Reisenden 20% des
Fahrkartenwertes. Weitere Einzelheiten und vor
allem Ausnahmen von dieser Ersatzpflicht werden
in den Beförderungsbedingungen geregelt,
die uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
nicht vorliegen.
In Ziffer 9.1.1. der gegenwärtig geltenden
Beförderungsbedingungen („BB Personenverkehr")
sind bereits jetzt die Fälle geregelt, in
welcher Form der Reisende bei Verspätung des
letzten Zuges am Abend entschädigt wird,
wenn sein Reiseziel bis 1 Uhr des Folgetages
nicht mehr erreichen kann. In der vorliegenden
Charta verpflichtet sich die DB AG, diesen Termin
um eine Stunde, auf 24 Uhr, vorzuverlegen.
Lediglich diese beiden Aspekte - die 20%-Pauschale
für mehr als 60 Minuten Verspätung
und das Vorziehen um eine Stunde bei Verspätungen
des letzten Zuges - sollen in die BB
Personenverkehr eingearbeitet und damit für
die Fahrgäste rechtlich durchsetzbar werden.
Offen bleibt die Frage, wie die Fahrgäste in
der Praxis die betreffenden Bescheinigungen
bzw. Gutscheine erhalten. Nach den Vorstellungen
der DB AG sollen in erster Linie die Zugbegleiter
(soweit vorhanden) diese Dokumente
ausstellen. Ist das nicht möglich, sollen sich die
Fahrgäste zum Servicepoint (soweit vorhanden)
bemühen. Ist das nicht möglich, sollen sie
nach Hause gehen und innerhalb von zwei Tagen
nochmals zur Auskunft kommen (soweit
geöffnet) um dort ihren Anspruch vorzutragen.
Danach erhalten sie die Gutscheine zugeschickt.
Wenn am Wochenende voll besetzte
Züge verspätet sind, kann man sich ausrechnen,
wie das funktioniert... Welcher Aufwand
bei 20 Prozent Fahrpreiserstattung! DBV Bundesverband
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