Im August 2013 musste der Zugbetrieb im
Mainzer Hauptbahnhof wegen urlaubs- und
krankheitsbedingtem Mangel an Fahrdienstleitern
deutlich eingeschränkt werden. Dass es
im vorliegenden Fall den Hauptbahnhof einer
Landeshauptstadt mit täglich rund 60 000
Reisenden getroffen hat, war eine Riesenblamage
für die Deutsche Bahn und an Peinlichkeit
kaum mehr zu überbieten. Die schöne, in
Hochglanz-Broschüren gepriesene Bahn-Welt
steht damit einmal mehr in krassem Gegensatz
zur oft ernüchternden Realität einer
Schienenverkehrs-Dienstleistung, die tagtäglich u. a.
tausenden von (steuerzahlenden) Pendlern im
Regional- bzw. Fernverkehr geboten wird. Das
Bahnchaos in Mainz ist letztlich nur die Spitze
des Eisbergs; personelle Engpässe existieren
auch in anderen Regionen. So musste beispielsweise
bei der Berliner S-Bahn das Zugangebot
ebenfalls wegen krankheitsbedingter
Engpässe beim Fahrdienstleiterpersonal wiederholt
eingeschränkt werden – siehe hierzu
den nachfolgenden Beitrag „Mainz ist überall –
auch in Berlin“. Aber ein Ausmaß wie in Mainz
ist den Bahnkunden der Region Berlin/Brandenburg
bislang zum Glück erspart geblieben.
Immerhin: Entschuldigungsleistungen
für Stammkunden im Raum Mainz
Mit Reisegutscheinen oder Bankgutschriften
entschuldigte sich die Deutsche Bahn
bei ihren Stammkunden des Regional- und
Fernverkehrs im Raum Mainz. Voraussetzung
war dafür der Besitz einer im August
gültigen Zeitkarte z. B. für die Strecken bzw.
deren Teilabschnitte von Mainz nach Worms,
Alzey/Kirchheimbolanden, Bad Kreuznach,
Bingen, Wiesbaden, Darmstadt oder Frankfurt
(Main). Auch Zeitkarteninhaber, die Nutzer
des Fernverkehrs sind, profitierten von
den Entschuldigungsleistungen. Kunden
mit einer Monatskarte/Jahreskarte (Abo)
konnten eine Rückerstattung in Höhe von
50 Euro, für eine Wochenkarte in Höhe von
15 Euro bzw. bei mehreren Wochenkarten
bis maximal 50 Euro in Anspruch nehmen.
Die entsprechenden Anträge mussten bis
zum 30. September 2013 gestellt werden.
Personalabbau zugunsten
der Börsenpläne
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Die Vielzahl der die DB-Schieneninfrastruktur nutzenden Bahnunternehmen zeigt, dass die Integration von Schienennetz und Betrieb in einer Holding nicht notwendig ist, um effiziente Verkehrsleistungen zu erbringen. Ein Beispiel von vielen: Der Railjet der ÖBB, hier bei der Durchfahrt in Bad Endorf. Foto: Christian Schultz |
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Brisant an der Angelegenheit ist die Tatsache,
dass die Personalprobleme dem Bahn-Management
bekannt waren und die sich abzeichnenden
Probleme bereits vor Jahren hätten
gelöst werden können und müssen. Der
Personalabbau der vergangenen Jahre war im
Geschäftsbereich der DB Netz AG in Erwartung
des Börsengangs 2008 dramatisch. So waren
am 31. Dezember 2002 insgesamt 51 918 Mitarbeiter
bei der DB Netz AG beschäftigt, am
31. Dezember 2007 waren es noch 36 058
und mit Stand 31. Dezember 2012 nur noch
35 249. Innerhalb von 10 Jahren wurde damit
das Personal um fast ein Drittel reduziert! Der
geringste Personalbestand war im Jahr 2010
mit 34 020 erreicht. Auch wenn durch die
Einrichtung der Betriebszentralen bzw. der
elektronischen Leit- und Sicherungstechnik erhebliche
Rationalisierungspotenziale genutzt
wurden, ist mit dem Bestreben, eine möglichst
hohe Rendite u. a. auch aus dem Bereich
Infrastruktur zu erzielen, ganz bewusst eine
geschrumpfte, an der Leistungsgrenze arbeitende
Belegschaft in Kauf genommen worden.
Investitionsvorhaben in moderne Leit- und Sicherungstechnik
wurden in den vergangenen
Jahren zudem gestreckt. Die ausgewiesenen
Gewinne der DB Netz AG erhöhten sich dafür
in den vergangenen Jahren spürbar (angegeben
ist der EBIT, also vor Zinsen und Steuern):
- Jahr 2008: 670 Mio. Euro
- Jahr 2009: 558 Mio. Euro
- Jahr 2010: 601 Mio. Euro
- Jahr 2011: 715 Mio. Euro
- Jahr 2012: 894 Mio. Euro
Für das Jahr 2017 wird perspektivisch sogar ein
Gewinn von 1,2 Mrd. Euro angestrebt.
Diese Gewinne wurden jedoch nicht reinvestiert,
sondern mussten bzw. müssen bis
heute bedingt durch den Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag an die DB-Holding
(den Mutterkonzern) abgeführt werden. Und
was tut der Bund als Eigentümer zur Behebung
dieser Missstände? Dieser verhält sich
seit Jahren passiv und billigt diese Entwicklung.
Nur dem Wahlkampf für die Bundestagswahl
2013 war es wohl zu verdanken, dass das Thema
einen angemessenen Stellenwert bekam.
Es ist aber Aufgabe der öffentlichen Hand, für
eine funktionierende Infrastruktur zu sorgen.
Bahn-Dividende: Der Bund entzieht der
DB jährlich erhebliche Finanzmittel
Der Bund hat als Eigentümer die Pflicht,
Gemeinwohlinteressen zu vertreten und
seine Kontrollfunktion und Einflussnahme
gegenüber der DB AG wahrzunehmen. Dies
ist bislang nur unzureichend geschehen. Im
Gegenteil: Der Bund als Alleinaktionär profitiert
von den wirtschaftlichen „Erfolgen“
seines Unternehmens DB AG kräftig. Seit
2011 muss seitens der Deutschen Bahn eine
jährliche Dividende an den Bund gezahlt
werden, was die seit Jahren ohnehin unbefriedigende
Situation u. a. des Infrastrukturbereiches
(mit den entsprechenden Folgen
für die Bahnkunden) noch verschärft.
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Die mechanische Stellwerkstechnik arbeitet seit Jahrzehnten zuverlässig und sicher, hier im Bf. Bischofswiesen; der Betrieb ist jedoch personalintensiv. Foto: Christian Schultz |
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Die Dividende belief sich für 2010 auf 500
Mio Euro und für 2011 bis 2013 auf 525 Mio
Euro. Für 2014 sind ebenfalls 525 Mio Euro
geplant, aber im Jahr 2015 soll diese Zwangsdividende
sogar auf 700 Mio Euro steigen, sofern
Korrekturen dieser Planungen ausbleiben.
Sofern ein Teil des Gewinns der DB AG in Form
einer Dividende in den Bundeshaushalt fließt,
entfällt jedoch jegliche Zweckbindung. Wie
diese Mittel verwendet werden, entscheidet
dann der Finanzminister. Die damit verbundene
Schwächung des Schienenverkehrs muss
daher angesichts des erheblichen Handlungsbedarfs,
letztlich nicht nur im Bereich der Infrastruktur,
dringend behoben werden.
Eine Zweckbindung der jährlichen Dividende
in voller Höhe für die Instandhaltung der
Schieneninfrastruktur bzw. zur Gewährleistung
ihrer uneingeschränkten technischen Zuverlässigkeit
ist überfällig! Die Zweckbindung
muss vertraglich geregelt und der sachgerechte
Einsatz der Finanzmittel durch den Bund
selbstverständlich auch kontrolliert werden.
Unabhängigkeit des Schienennetzbetreibers
ist unverzichtbar
Die Schieneninfrastruktur kann nicht wie ein
Wirtschaftsbetrieb mit maximalen Gewinnmargen
bei niedrigstem Personalbestand
betrieben werden. Es ist nicht tolerierbar,
dass z. B. eine Grippewelle zu einem teilweisen
Kollaps des Bahnbetriebs führt.
Die jüngst zutage getretenen Personalprobleme
machen einmal mehr deutlich, dass
eine Trennung von Schienennetz und Betrieb
letztlich unumgänglich ist. Diese wichtige
„Weichenstellung“ ist u. a. auch Bestandteil
des vierten EU-Eisenbahnpakets. Am 30. Januar
2013 wurden seitens der Europäischen
Kommission dazu die entsprechenden, bereits
lange geplanten Gesetzesvorschläge
vorgelegt. Nach den Vorschlägen der EUKommission
soll die vollständige institutionelle
Trennung von Eisenbahninfrastruktur
und Betrieb zukünftig der Regelfall für die
Organisation von Bahnunternehmen sein.
Dagegen intervenierte jedoch das Bundeskanzleramt
auf Druck der Deutschen
Bahn massiv. Bereits seit Jahren wird seitens
der Deutschen Bahn dahingehend argumentiert,
dass ein effizienter Eisenbahnverkehr
nur möglich sei, wenn die Infrastruktur
Bestandteil der Holding ist. Wie widersprüchlich
dieses Argument ist, beweist die
Deutsche Bahn bei ihrem Expansionskurs im
Ausland selbst. Dort ist ihr Tochterunternehmen
DB Arriva u. a. als Eisenbahnverkehrsunternehmen
erfolgreich tätig, ohne dass
damit in den jeweils betroffenen Ländern
eine Integration von Schienenweg und
Transport verbunden ist!
In Schweden ist die beschriebene Trennung
von Infrastruktur und Betrieb bereits
Realität. Seit dem 1. April 2010 ist dort die
staatliche Behörde „Trafikverket“ u. a. für
den Ausbau und die Wartung der Eisenbahninfrastruktur
zuständig. Diese Behörde
hat dabei die Aufgaben der bis zu diesem
Zeitpunkt zuständigen „Banverket“ (Schwedisches
Zentralamt für Eisenbahnwesen)
und „Värverket“ (Behörde für den Unterhalt
und Ausbau des schwedischen Straßennetzes)
übernommen. Deutscher Bahnkunden-Verband
IGEB Fernverkehr
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