Das Land Mecklenburg-Vorpommern tat
sich in den letzten Jahren durch eine alles
andere als eisenbahnfreundliche Politik hervor.
In dieses Bild hat sich nun ein weiteres
Mosaiksteinchen eingefügt:
Landesverkehrsminister Volker Schlotmann gab im
September 2013 die Abbestellung
des Verkehrs auf der sogenannten Mecklenburgischen
Südbahn, der Bahnstrecke zwischen
Parchim über Lübz und Malchow nach
Waren (Müritz), zum Dezember 2014 bekannt.
Mit der Abbestellung verliert nicht nur eine
touristisch höchst attraktive Region in der
Mecklenburgischen Seenplatte mit der Seenkette
vom Plauer See (dem zweitgrößten
See des Landes) über den Fleesensee zum
Kölpinsee ihre Schienenverkehrsanbindung.
Es entsteht auch eine schienenpersonenverkehrsfreie
Zone, die in Deutschland kaum
ihresgleichen finden wird: Zwischen dem
Berliner Außenring und dem fast 180 Kilometer
weiter im Norden gelegenen Güstrow sind
damit alle Ost-West-Verbindungen gekappt.
Lange auf die Abbestellung
hingearbeitet
Die Abbestellung hatte sich abgezeichnet:
zum einen nach der im letzten Jahr gestoppten
Ausschreibung für das „Teilnetz Parchim“,
zum anderen aber auch nach jahrelanger
intensiver Arbeit seitens des Bestellers, die
Verbindung immer unattraktiver zu machen.
In dieser Hinsicht muss auch die „Zusammenarbeit“
mit den Planern im angrenzenden
Brandenburg „gewürdigt“ werden. Wenn
keine böse Absicht vorlag, so kann es nur
schreiende Inkompetenz auf beiden Seiten
gewesen sein.
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Bahnhof Parchim im September 2013 mit Zugeinfahrt aus Waren (Müritz). Zum Dezember 2014 hat Mecklenburg-Vorpommern diesen für die Region wichtigen Bahnverkehr abbestellt. Foto: Florian Müller |
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Bereits im Jahr 2000 hatte das Land
Mecklenburg-Vorpommern den Verkehr auf der
Nord-Süd-Strecke von Güstrow über Krakow
am See und Plau am See ins brandenburgische
Meyenburg abbestellt. Diese Strecke
kreuzt die Südbahn im Bahnhof Karow. Karow
war stets ein wichtiger Umsteigeknoten.
Ein Gutteil der Reisenden, die aus Malchow
oder Lübz an der Südbahn kamen, stieg dort
in Richtung Güstrow und Rostock oder nach
Plau und Pritzwalk um.
Nachdem 2000 der Verkehr auf der
Nord-Süd-Strecke abbestellt worden war, blieben
die Umsteiger weg. Es verblieb nur das angesichts
der geringen Bevölkerungsdichte überschaubare,
aber dennoch
vorhandene Potenzial an
Direktreisenden zwischen
Lübz und Malchow.
Zur gezielten Nachfragesenkung
gab es zum Fahrplanwechsel
im Dezember
2012 Angebotskürzungen.
Am Vormittag entstand
eine Vierstundenlücke
zwischen Waren und Lübz,
das letzte Zugpaar am (frühen!)
Abend wurde gestrichen.
Für Tagesausflüge
war die Verbindung damit
praktisch unbrauchbar.
Bemühungen des
Infrastrukturbetreibers
ausgebremst
Auf der anderen Seite gab
es seitens des Infrastrukturbetreibers
RegioInfra (ein Unternehmen aus der
nahe gelegenen Prignitz) und der Anliegerkommunen
Bemühungen, den Verkehr attraktiver zu
machen. Aus Anlass der Streckensperrung der
Hauptbahn Rostock–Berlin 2012/13 forcierte
die RegioInfra einen Streckenausbau zwischen
Karow und Waren (Müritz). Hier sollten
Umleiterzüge zwischen Rostock und Neustrelitz
über Karow fahren. Auch dem regulären
Verkehr auf der Südbahn wäre dies zugute
gekommen. Doch nach anfänglich positiven
Signalen (die Umleiterzüge standen bereits
in der Fahrplanauskunft) blockte das Land ab,
auch aus dem Streckenausbau wurde nichts.
Vor einem Jahr ging aber wenigstens der
stadtnähere Haltepunkt Inselstadt Malchow
in Betrieb. Geld, das nun weitgehend in den
Sand gesetzt wurde.
Umschichtung zur Rostocker S-Bahn
Das Land will mit der Abbestellung bei den
Bestellerentgelten 4 Millionen Euro pro Jahr
einsparen. Wozu braucht man das Geld? Auf
den drei Linien der Rostocker S-Bahn erhöhte
sich in den letzten beiden Jahren der Finanzierungsbedarf
um 9 Mio Euro jährlich.
Unter anderem gibt es nun im Berufsverkehr
einen 7,5-Minuten-Takt zwischen Rostock
und Warnemünde. Mitte der 1990er Jahre
gab es diesen schon einmal, bevor auf einen
10-Minuten-Takt ausgedünnt wurde. Im
Unterschied zu damals gibt es heute freilich
eine Straßenbahn, die die Neubaugebiete
neben der S-Bahn direkt mit der Innenstadt
verbindet.
Offen gibt das Land zu: Die Kosten für das
Ende 2014 startende Netz Nord-Süd (Linien
RE 3 Stralsund—Berlin—Elsterwarda und
RE 5 Rostock/Stralsund—Berlin—Lutherstadt
Wittenberg/Falkenberg) liegen jährlich
um 4,6 Mio Euro höher als erwartet. Auch das
ist kein Wunder, da das Angebot kaum attraktiver
wird und keine höheren Fahrgeldeinnahmen
erwartet werden. Das Land bestellt
beim RE 5 im Mecklenburger Teil die jetzigen
Taktzeiten. Der 850 Mio Euro teure Streckenausbau
bringt also für den Regionalexpress
nur wenige Minuten Fahrzeitgewinn – südlich
von Neustrelitz.
„Flexible Busse” als Ersatz
Was bleibt für die betroffenen Orte? Minister
Schlotmann spricht von attraktiven „flexiblen“
Bussen, die die Züge ersetzen sollen. Jeder,
der sich in den letzten Jahren mit Bahnpolitik
befasst hat, weiß um den Wirklichkeitsgehalt
solcher Phrasen.
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Die Strecke Parchim—Karow—Waren steht steht vor dem „Aus“. Karte: DB AG, Dezember 2009 |
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Wer solchen Worten aber dennoch glauben
möchte, mag sich in der Region umsehen. Hier
fahren als Ersatz für die im Jahr 2000 abbestellten
Züge zwischen Güstrow und Meyenburg
Busse, jeden Tag im Zweistundentakt. Vor
allem auf dem südlichen Teil der Linie fahren
kaum Fahrgäste mit. Bis 2012 verpassten die
Busse in Meyenburg die Züge nach Pritzwalk
um wenige Minuten, in der Gegenrichtung
ebenso. Kein Wunder, dass bei so einem Angebot
auch das Land Brandenburg die Reißleine
zog und Ende 2012 den Zugverkehr nach
Meyenburg kräftig ausdünnte.
Reisende von Güstrow nach Lübz benötigen
gleich drei Fahrscheine: einen VVW-Verbundfahrschein,
einen Busfahrschein
von Krakow nach Karow und ein Bahnticket
von Karow nach Lübz. Die Anerkennung von
BahnCard oder Ländertickets in den Bussen
gibt es nicht.
Insofern dürfte klar sein, was von künftigen
Bussen statt Bahnen in der Region zu
erwarten ist. Einziger Vorteil der künftigen
Busse: Sie binden die Stadt Plau direkt an.
Zwischen Malchow und Waren soll es vielleicht
im Sommer noch etwas Alibiverkehr
auf der Bahn geben. Voller als die jetzigen
durchgebundenen Züge dürfte ein neues
Angebot dort aber kaum werden.
Zukunft nicht verbauen
Derzeit scheint es für die Flächenbahn in
Mecklenburg-Vorpommern und in vielen
anderen Regionen keine Chancen zu geben.
Doch vielleicht gelingt es der nächsten
Generation endlich, die Systemvorteile
des Schienenverkehrs besser zu nutzen
und Ökonomie und Ökologie in Einklang
zu bringen. Um diese Zukunft nicht zu verbauen,
müssen zumindest die Trassen der
Strecken, auf denen der Verkehr abbestellt
wird, erhalten werden. Kai-Uwe Thiessenhusen
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